Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 11.10.2015
Liebe® Blogleser_in,
Bewusstheit, Liebe und Friede sei mit uns allen und ein gesundes sinnerfülltes Leben wünsch ich ebenfalls.
Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: https://www.freitag.de/autoren/ferdinand-scholz/das-problem-heisst-kapitalismus?seite=3
Das Problem heißt Kapitalismus
Ungleichheit Der Kapitalismus ist immer hungrig auf Profit, wie ein gieriger Wolf, der selbst weiter frisst, wenn er schon satt ist. Milliarden Menschen spüren das täglich. Was nun?
Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Ferdinand Scholz
Foto: Paul Sableman/Flickr (CC) https://www.flickr.com/photos/pasa/5806922202
Es ist paradox. Da heucheln uns Politiker vor, sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien habgierig, teilen Menschen in nützliche oder nicht nutzbare Einwanderer ein, gießen diese abscheuliche Diffamierung mit dem neuen Asylkompromiss auch noch in Gesetzesform, bedienen Abstiegs- und Existenzängste und damit auch dumpfe, ja dumme Stammtischparolen. Leider gibt es so viele braune Menschen, die denken, ihnen wird etwas weggenommen, wenn Flüchtlinge zu uns kommen. Dabei haben wir doch alles was wir brauchen. Und dann kommen Menschen aus der puren Hölle, sei es Armut oder Krieg, und suchen Schutz. Da schockiert umso mehr, dass jetzt Politiker lieber die Grenzen dicht machen wollen als legale Fluchtwege zu schaffen. Populismus geht momentan leider vor Humanität.
Es ist eine Schande, dass es immer noch Leute gibt, die Menschlichkeit und die Wahrung von Menschenrechten nach Herkunft beurteilen. Alle vernunftbegabten Menschen müssten eines Besseren wissen und nach Nächstenliebe entscheiden, auch bei Menschen aus tiefster Armut. Das lehrt uns auch unsere Geschichte. Denn unsere Vorfahren waren alle einmal gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, auf der Suche nach einem besseren Leben. Diese Ignoranz gegenüber der europäischen Vergangenheit macht die Hetze umso schlimmer. Wir sind 8 Milliarden Menschen, doch die Menschlichkeit fehlt! Zeit, tiefgreifende Ursachen zu ergründen.
Unser heutiger Wohlstand
Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht zumindest intuitiv weiß, wie es um unsere Welt beschaffen ist: Unser heutiger Wohlstand beruht zu großen Teilen auf der ökologischen und sozialen Ausbeutung armer Länder in Afrika und Asien. Heute verbrauchen 20 Prozent der Menschheit 80 Prozent der globalen Ressourcen. Auf diese 20 Prozent entfallen dann auch über 75% des globalen Bruttoinlandsprodukts. Die Ausbeutung der Umwelt gesellt sich zur Führung von Kriegen aus wirtschaftlichen Interessen, zur Machtverteilung zugunsten von Eliten anstelle echter Demokratie. Ist das gerecht? Für mehrere Milliarden Menschen sind Hunger, Krankheit, Ausbeutung, Billiglöhne Alltag, während eine kleine Oberschicht von wenigen Tausend Menschen im extremen Überfluss schwimmt. Die Armen werden gegeneinander ausgespielt, während die Reichsten Milliarden in Steueroasen verstecken. Das kann keinem mitfühlenden Menschen egal sein, ohne Rücksicht auf die politische Couleur. Und ist es leider doch so oft, ob aus Resignation oder Ignoranz.
Dabei ist die Faktenlage eindeutig. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem, zu dem ja so einige Neoliberale in einem sexuell-erotischen Verhältnis stehen, zerstört die Umwelt, bis die Erde nicht mehr bewohnbar ist, die fossilen Rohstoffe gehen zur Neige, ohne dass wir wirklich mit nachhaltigen Konzepten gegensteuern. Es führt zu Bevölkerungswachstum, dass die Kapazität der Erde weit überschreitet, Finanzkrisen als Resultat globaler Ungleichheit bringen ganze Staaten ins Wanken – Werte wie Demokratie und Solidarität bleiben auf der Strecke. Es stimmt ja, dass der Kapitalismus in seinen 500 Jahren für nicht wenige Menschen einen bis dahin ungekannten „Wohlstand“ geschaffen hat. Er wurde gezähmt, damit mehr Menschen von ihm profitieren. Aber heute ist er als Ganzes gescheitert.
Die Erde ist endlich
Die endliche Welt stößt an ihre Wachstumsgrenzen, der Welterschöpfungstag rückt im Kalender immer weiter nach vorne – und kaum ein einflussreicher Politiker will merken, dass wir auf eine Wand zufahren. Mit 180. Bis es knallt. Am Horizont zeichnet sich eine Krise in unvorstellbarem Ausmaß an, weit umfassender als die jüngste Große Rezession. Und nicht nur das. Die Nahrungsmittelproduktion, die eigentlich die gesamte Erdbevölkerung ernähren könnte, ist so ungleich verteilt, dass weit über 800 Millionen Menschen hungern müssen. Dazu produzieren wir „Bio-Produkte“ in Südamerika, die dann unter schlimmen Folgen für das Klima nach Europa transportiert werden. Ähnlich bei der Tierfutterproduktion.
Heute gibt es absurden Reichtum für eine kleine Elite und zunehmend prekäre Zustände für alle anderen, auch in Europa. Eine Gemeinschaft, in der ein Reicher das gesamte Erdgeschoss bewohnt, während sich im Stockwerk darüber Dutzende Menschen ein Zimmer teilen müssen, kann aber nicht funktionieren. Für all diese Probleme bietet das kapitalistische System keine Lösungen mehr, es ist vom einstigen universellen Problemlöser zum Kern des Problems geworden. Ab einem Grundniveau der Wirtschaftskraft führt die weitere Steigerung des Bruttoinlandsprodukts auch nicht mehr dazu, dass es den Menschen besser geht. Im Gegenteil: Ausbeutung und Expansion sind eine strukturelle Notwendigkeit im globalen Kapitalismus. Es gibt keinen guten Kapitalismus, da sich immer alles am Geld, an Verwertbarkeit und an Konkurrenz – und damit auch am Niedergang und der Unterdrückung der anderen Menschen orientiert. Schön ist die Welt, für Menschen mit viel Geld. Das ist zum Scheitern verurteilt!
„Wirtschaftsflüchtlinge“ und Profitmaximierung – ein moralisches Dilemma
In der Flüchtlingsfrage offenbart sich heute auch ein moralisches Dilemma. Die Europäer überweisen Hilfsgelder, wenn Stürme oder Fluten Tausende töten – blasen aber weiter fröhlich Treibhausgase in die Luft, was solche Naturkatastrophen deutlich verstärkt. 60 Prozent der Ökosysteme sind gefährdet. Die zehn wärmsten Jahre ereigneten sich mit Ausnahme von 1998 allesamt seit 2000. 2014 war das wärmste Jahr aller Messungen. Was in Europa erträglich ist, ist woanders die Hölle. Aber noch nicht genug. Wir bauen Märkte in armen Ländern auf, um sie dann mit subventionierten Produkten niederkonkurrieren zu können. Wir gehen gern shoppen und kaufen billige Kleidung, die für Hungerlöhne hergestellt wird. Wir kaufen alle zwei Jahre neue günstige Smartphones, für die Minerale unter katastrophalen Umständen aus der Erde gekratzt werden. Wir kaufen Früchte aus Ländern, die für den Anbau ihre letzten Wasserreserven verschleudern. Dafür werden jeden Tag 200 Quadratkilometer Regenwald entforstet – das entspricht 18.100 Fußballfeldern! In jedem Jahr produziert unsere Gesellschaft rund 288 Millionen Tonnen Plastik, das sich anders als Holz, Glas, Papier oder Metall nicht zersetzt oder biologisch abbaut. Stattdessen gelangt der Plastikabfall direkt in die Weltmeere und verschmutzt und bedroht die Tier- und Pflanzenwelt existenziell. 2100 werden wohl mehr als die Hälfte aller Meeresspezies ausgerottet sein. Was soll uns all das sagen? Die Antwort ist klar: Es geht hier nicht um Peanuts, es geht um eine Systemfrage!
Wann kommen wir Menschen als vernunftbegabte Wesen also endlich zur Einsicht, dass die westliche Art des Wirtschaftens die Hauptursache für globale Fluchtbewegungen der Zukunft sein wird, dass es so nicht weitergehen kann, dass wir immer neue Ungerechtigkeiten schaffen? Allein der Klimawandel sorgt in den nächsten 20 Jahren für 25 bis 200 Millionen Klimaflüchtlinge, bis 2050 womöglich zu über 1 Milliarde Menschen, die wegen den Folgen unserer Wegwerfgesellschaft gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen. All dies wegen Konsums um des Konsums willen.
Globale Ungleichheit
Kapitalismus heißt, man kauft Dinge die man nicht braucht, von Geld, das man nicht hat, um Menschen zu beeindrucken, die man nicht leiden kann. Diese Denkweise richtet so viel Leid an, ohne dass sich viel ändert. Den Warenfetisch hat Marx schon im 19. Jahrhundert erkannt. Seitdem hat er enorm zugenommen. Und doch stellt er die globale Ausnahme dar: Schon 2016 besitzt ein Prozent der Menschen so viel wie der ganze Rest zusammen. 80 Multimilliardäre haben mehr, als sich die ärmeren 3,5 Milliarden Menschen je erträumen könnten. Die Hälfte der Menschheit besitzt weniger als 1% des Vermögens. 2,4 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und das wird sich angesichts der weltweiten Umverteilung von unten nach oben noch zuspitzen. Diese Menschen leben im Müll. Ihnen geht es teils noch schlechter als vor der Industrialisierung. Wer hat die Misere verursacht? Die Antwort fällt leicht: Die imperiale Lebensweise des reichen Nordens mit seiner stinkreichen Elite. Erst durch Sklaverei in Nord- und Südamerika, ohne die im Übrigen der Kapitalismus im 18. Jahrhundert nicht hätte entstehen können, und heute durch ökonomische Ausbeutung, dem Neokolonialismus, durch Abhängigkeit von Großbanken und Großkonzernen als Folge des kapitalistischen Expansionsdranges. Wer leidet darunter? Wie so oft der globale Süden. Das ist unsere Schuld. Erst haben wir sie durch unseren Kolonialismus (z.B. Dreieckshandel) ihrer Entwicklungschancen beraubt, jetzt müssen sie allein auch noch mit den klimatischen Folgen unseres Tuns zurechtkommen. Da wäre eine historische Ausgleichsleistung mehr als angebracht! Das wäre eigentlich nicht so schwer.
Wir geben hier im „schönen“ Norden Billionen für Banken aus, ignorieren, dass allein Europa durch Steuerhinterziehung von Superreichen eine Billion Euro jährlich verloren gehen. Aber angeblich ist ja immer nicht genug Geld für Mitmenschlichkeit da. Seit Jahren ändert sich nichts. Heute etwa bahnt sich im ach so reichen Europa ein Aufnahmestopp für Flüchtlinge an. Und das obwohl auf 1000 Deutsche nur 1,63 Flüchtlinge kommen, also auf jeden einzelnen genau 0,00163. Diese kleine Zahl soll schon zuviel sein? Das kann nicht sein! Dabei kommt noch hinzu, dass weltweites Wachstum keine Probleme mehr löst, denn die Ungleichverteilung der Einkommen stieg allein zwischen 1960 und 1998 von etwa 50 % auf 70 %. Um 1700 war sie sogar nahe Null. Das ist auch kein Wunder: Wachstum lebt von sozialer Ungleichheit! Gab es 1987 nur 180 Milliardäre, sind es heute schon über 1.400 Superreiche. So entwickelt sich unsere Welt seit Jahrhunderten. Auch im 21. Jahrhundert. Leider.
Der westliche Wachstumsfetischismus
Aber warum hängen wir eigentlich so am Wachstum? Die Antwort fällt einfach: Weil es in einem System der Konkurrenz nicht anders geht. Denn die „Investitionsketten“ würden reißen. Das heißt: Firmen investieren nur, wenn sie Gewinne erwarten. Gesamtwirtschaftlich sind diese Gewinne aber identisch mit Wachstum. Ohne Wachstum müssen die Unternehmen also Verluste fürchten. Sobald aber Profite ausbleiben, investieren die Unternehmen nicht mehr, und ohne Investitionen bricht die kapitalistische Wirtschaft zusammen. Es würde eine unkontrollierbare Abwärtsspirale einsetzen, die an die schlimme Weltwirtschaftskrise ab 1929 erinnert: Arbeitsplätze gehen verloren, die Nachfrage sinkt, die Produktion schrumpft, noch mehr Stellen verschwinden.
Damit wird eines sofort klar: Der Kapitalismus ist zum Untergang verdammt. Er benötigt Wachstum, aber in einer endlichen Welt kann es unendliches Wachstum nicht geben. Die Rohstoffe werden immer knapper, und zudem zerstört der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen, indem er die Umwelt verseucht. Der Kapitalismus wird chaotisch und brutal zusammenbrechen. Deshalb müssen wir hier und heute den Wechsel einleiten – bevor es zu spät ist. Denn ein „Weiter-so“ würde sich in Kämpfen um Wasser und Nahrung äußern und zu Verseuchung und massiven Migrationsströmen führen, mit der Gefahr totalitärer Reaktionen, sogar atomarer Kriege, etwa zwischen China und Indien. Exponentielles Wachstum wirkt eben sich exponentiell auf alle Bereiche aus, auch auf die Umwelt. Deren Verschmutzung wächst mit dem Rohstoffverbrauch ebenfalls exponentiell. Wenn sich alle Menschen am westlichen Lebensstil orientieren würden, bräche die Welt zusammen. Allein ein Amerikaner verbraucht drei Mal so viel Wasser wie ein Chinese, der verbraucht wiederum ein Vielfaches eines Afrikaners. Dieser unachtsame Verbrauch führt zum Kollaps. Das kann niemand wollen, egal woher er kommt.
Ungleichheit in den Industrieländern
Dabei liegt selbst in den Industrieländern so viel im Argen, was freilich im Vergleich zum globalen Süden Peanuts ist. Armut ist heute auch im Westen allgegenwärtig. Denn Arm sein bedeutet nicht nur den Mangel an finanziellen Mitteln, sondern auch Armut an Chancen, guter Gesundheitsvorsorge, Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Kommunikation. Die Anzahl unsicherer, unloyaler und kaputter Arbeits-, Lebens- und Familienverhältnisse nimmt in einem beängstigenden Ausmaß zu. In vielen Branchen findet eine großflächige Ausbeutung unter dem Deckmantel der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes statt. Es ist die Selbstausbeutung oder Auslagerung zur Verfügung, um Effizienz und Intensität zu erhöhen. Das Versprechen, dass es die Kinder einmal besser haben werden, gilt nicht mehr. Nicht nur in Ländern, die sich erst spät der freien Marktwirtschaft zugewendet haben, wie Russland, China und Vietnam, ist die Ungleichheit stark angestiegen. Sondern auch im Westen.
Beispiel USA: Noch nie seit den 1920er Jahren waren hier Chancen und Wohlstand so ungleich verteilt wie heute. Mehr als die Hälfte des Einkommens geht an das reichste eine Prozent. Jeder vierte Amerikaner hat keine Krankenversicherung. Gleichzeitig kostet der Steuerbetrug durch Großkonzerne das Land 620 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen.
Beispiel Deutschland: Während die Steuerlast auf Kapital und Erbschaften seit vielen Jahren kontinuierlich sinkt, steigt die Belastung für kleine Einkommen immer weiter. 1 Prozent der Bevölkerung verfügt über etwa ein Drittel des gesamten Vermögens in Deutschland – und damit mehr als die unteren 80 % und sogar mehr als doppelt so viel wie die unteren 70 % zusammengenommen. Die reichsten 0,1 Prozent allein haben schon rund 16 Prozent. Das Vermögen der 100 superreichsten Familien Deutschlands stieg allein 2014 um 7 %. Selbst die unteren 80 % der Bevölkerung besitzen zusammen kaum mehr als 20 % des Vermögens in Deutschland. 1,5 Millionen Menschen sind auf Lebensmittelspenden angewiesen, doppelt so viel wie noch 2005. 2018 werden gut 531.000 Menschen keine Wohnung haben, eine Steigerung um 60 Prozent im Vergleich zu 2014. Es werden lieber Luxuswohnungen gebaut, als jedem Menschen Obdach zu bieten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeiterkind aufs Gymnasium kommt, ist 6,5-mal niedriger als die eines Akademikerkindes. Es ist so, als ob beim 100-Meter-Lauf manche Teilnehmer 20 Meter weiter vorne starten dürften, andere hingegen werden 50 Meter zurückgesetzt. Daran ist nicht nur Papas Geldbeutel schuld. Auch andere Faktoren versetzen die Startblöcke. Und Frauen verdienen für die gleiche Arbeit immer noch ein Viertel weniger als Männer. Aufstieg durch Bildung und Fleiß? Fehlanzeige! Unsere Konsumgewohnheiten mit billigen Gütern führt zum Verlust von Arbeitsplätzen und festig die Ungleichheit, national wie global. An keinem anderen Ort der Euro-Zone sind die Vermögen ungleicher verteilt als hierzulande.
Oder auch Großbritannien: Die reichsten fünf Familien besitzen hier mehr als die ärmsten 12,6 Millionen Menschen zusammen. Das Vereinigte Königreich teilt sich in zwei Lager auf: oben die wenigen „beati possidentes“, die glücklichen Besitzenden, unten zig Millionen Menschen, die weiter zurückfallen im Hürdenlauf um die Zukunft und eine stabile Grundlage für sich und die eigenen Kinder. Selbst in Mexiko, Kolumbien, Chile, China, Indien, Russland oder der Türkei sind die Vermögen gleicher verteilt.
Aber in allen Ländern sind es Extreme auf der oberen Hälfte des Gini-Koeffizienten (0 = Alle besitzen gleich viel Geld; 100 = Ein Einzelner besitzt das gesamte Geld). Mit anderen Worten: Millionen Menschen arbeiten auch in den Industrieländern für Niedriglöhne, ihr Einkommen und damit ihr Wohlstand stagniert oder sinkt sogar, während das Vermögen eines Hundertstel, ja Tausendstel gigantisch wächst (ca. 60% seit 2008) und damit nur diejenigen vom Wachstum profitieren, die das Geld am wenigsten brauchen. Gleizeitig hat sich für viele arme Menschen und nahezu alle anderen Lebewesen (Pflanzen und Tiere) die Situation verschlechtert, da die natürlichen Lebensgrundlagen immer mehr erodieren.
Wohlstand im globalen Norden
Es ist erschütternd, dass selbst die steigende westliche Armut schon als weltweiter Luxus durchgehen muss. Alle Einkommensgruppen in den europäischen Ländern zählen nämlich zu den reichsten 20 Prozent der Welt – selbst das einkommensschwächste Zehntel etwa der norwegischen Bevölkerung zählt global noch zu den wohlhabendsten 10 Prozent. Doch was ließe sich allein schon durch eine etwas gerechtere Weltwirtschaft erreichen, in der zumindest ein bisschen umverteilt wird – national von Reich zu Arm in den Industrieländern und global von Norden nach Süden?! Dabei wäre es doch so einfach. Aber Geiz ist eben oft stärker als Mitmenschlichkeit.
Die dreckige Seite des Kapitalismus
Kapitalismus, das hat vor Marx schon Goethe erkannt, ist eben nie nur Tausch, nur Marktwirtschaft, sondern immer auch Raub: „Krieg, Handel und Piraterie“ sind für Goethe „dreieinig“ und „nicht zu trennen“. Dieser Widerspruch, der mit dem Kolonialismus und der Industrialisierung offenkundig wurde, sollte durch die Soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards zumindest regional abgemildert werden. Der nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene und bis Mitte der 80er Jahre vorherrschende sozial gebändigte Kapitalismus aber war immer nur ein Kompromiss, auf den die wirtschaftlichen und politischen Eliten des Westens sich eingelassen hatten, um im Wettstreit der Systeme nicht ins Nachsehen zu geraten. Sogar die Konservativen waren ja damals dafür. Den Schwenk zurück – einen Richtungswandel zu Kapitalismus pur, der heute als Neoliberalismus bekannt ist – leiteten Reagan in den USA und Margret Thatcher dann in der ersten Hälfte der 80er Jahre ein, als es schon erste Anzeichen für die Auslösung des Ostblocks gab. Die Bundesrepublik folgte ein Jahrzehnt später.
Der Neoliberalismus als Nachfolger der sozialen Marktwirtschaft
Heute tritt der soziale Ausgleich wieder in den Hintergrund. Die produktive Seite des Kapitalismus ging größtenteils verloren, während heute Gier und Renditejagd ausschließlich destruktiv wirken. Das zeigt sich in den Finanzmärkten, die Krisen auslösen, in Monopolen und Lobbyismus. Und in den im vorherigen Absatz genannten sozialen Folgen. Denn dieses System nützt nur noch einem Prozent der Bevölkerung, dem vermögens- und einkommensseitig obersten, während sich die Lebensbedingungen großer Teile der Bevölkerung permanent verschlechtern. In den Zeiten des Neoliberalismus sind Zocker sowie Reiche und Superreiche, Banken, Hedgefonds, Versicherungen und Großkonzerne die einzigen, die wirklich von steigender Wirtschaftsleistung profitieren. Millionen von Kindern müssen hingegen in Hartz IV-Haushalten aufwachsen.
Über Jahrzehnte ist auch die Arbeiterschaft den Verlockungen der neoliberalen Leistungs-, Flexibilitäts- und Eigenverantwortungsideologie verfallen. Folgen waren nicht nur sinkende Reallöhne und die Aushöhlung des Sozialstaats. Standard ist heute die Shareholder Value-Doktrin, die gesellschaftspolitisch zutiefst asozial ist, weil Investoren nur an kurzfristiger Gewinnmaximierung statt einer langfristigen Unternehmensentwicklung interessiert sind. Durch eine ungerechte Besteuerung wird Reichtum nicht mehr erarbeitet, sondern vererbt. TTIP und Ceta setzen diese Entwicklung fort, indem sie die Demokratie aushöhlen, Gewinne unumkehrbar in Privateigentum überführen, aber Verluste sozialisieren, Umwelt- und Verbraucherschutzstandards senken und mit ihrem globalen Konkurrenzdenken die Umverteilung von Arm zu Reich noch weiter ankurbeln.
Vermögensungleichheit in Deutschland
Angesichts dieser von der politischen Führung gewollten Entwicklung dürfen die Benachteiligten aber keinesfalls die Hoffnung verlieren, sich nicht den Menschenfeinden von Rechtspopulisten bis Nazis zuwenden. Auch Goethe verfiel während der zu seiner Zeit beginnenden Industrialisierung nicht in eine zynisch-pessimistische Weltsicht, sondern hielt an dem Anspruch und der Zuversicht fest, dass der Mensch nicht auf Dauer eine Gesellschaft akzeptieren wird, die seine wertvollsten Eigenschaften – Mitgefühl, soziale Verantwortung, Liebesfähigkeit und Sehnsucht nach Würde und Schönheit – verkümmern lässt und seine unsympathischsten – Habgier, Egoismus und soziale Ignoranz – an die Spitze des gesellschaftlichen Wertekanons setzt. Da heute als Folge der Verelendung in den Industrieländern immer mehr soziale Bewegungen entstehen, könnte man meinen, dass dieser Optimismus obsiegt. Dass ein Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft alle Probleme lösen würde. Das glauben viele. Doch so einfach ist es leider nicht. Denn alles sind nur Maßnahmen, das immer mehr stagnierende Wirtschaftswachstum immer neu zu stimulieren. Dies führte auch zum Crash von 2008: der Markt wurde durch das Wachstum selbst zerstört. Wachstum schafft immer neue soziale Ungleichheit und ökologische Verwüstungen, beseitigt aber kaum welche. Es reicht also nicht aus, das kapitalistische System nur zu reparieren.
Ungleichheit Der Kapitalismus ist immer hungrig auf Profit, wie ein gieriger Wolf, der selbst weiter frisst, wenn er schon satt ist. Milliarden Menschen spüren das täglich. Was nun?
Die Mär vom grünen Wachstum
Damit sind wir bei einer grundsätzlichen Diskussion angekommen. Selbst viele Progressive, seien es Sozialdemokraten, Grüne oder Linke, können sich vom Wachstumsfetischismus nicht loslösen. Doch die Idee eines nachhaltigen Wachstums ist ein Widerspruch in sich. Denn wie vorher schon erwähnt kann es auf einem begrenzten Planeten kein unbegrenztes Wachstum geben. Jedwede Einsparung beim Verbrauch wird durch erhöhten Konsum mehr als aufgefressen. Die Warenproduktion wird also ausgedehnt und der Energieverbrauch stinkt nicht etwa, sondern steigt. Nehmen wir den Reiseverkehr: Geld, welches beim Kraftstoff für das Auto gespart wird, wird dann eben für eine Flugreise ausgegeben. Wer ein Hybridauto hat, fährt mit gutem Gewissen mehr. Deutschland produziert heute zwar kohlenstoffärmer als früher, im Gegenzug verzeichnen aber die neuen Werkbänke der Welt, allen voran China, einen rasant steigenden Ausstoß an schädlichen Klimagasen. Dieser sogenannte „Rebound- bzw. Bumerang-Effekt“ äußert sich somit darin, dass trotz Effizienzgewinnen der Ausstoß weiter zunimmt. Das ist so bekannte Realität seit den 1970ern. Ein zweites Beispiel: Mittlerweise gibt es die erste Jeans-Kollektion aus recyceltem Plastik aus dem Pazifik. Doch auch diese vermeintlich nachhaltige Ozean-Jeans täuscht darüber hinweg, dass mehr und mehr Plastik produziert, konsumiert und weggeworfen wird und der Müllteppich im Meer deshalb nicht schwinden, sondern wachsen wird.
Das Problem der Industrie ist ja nicht, dass es nicht genug nachhaltige Rohstoffe gäbe. Sondern dass in immer kürzeren Abständen immer größere Mengen hergestellt werden, dass absichtlich mangelhafte Waren möglichst schnell kaputt gehen sollen und neu gekauft werden müssen (Obsoleszenz) – was nicht nur zu großen, eigentlich vermeidbaren ökologischen Schäden führt (die wir nach Afrika und Asien auslagern, indem wir unseren giftigen Elektroschrott dort ablagern), sondern auch zu miserablen Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken (hier wird übrigens auch die meeresrettende Jeans hergestellt). Selbst die effizientesten Unternehmen müssen immer schneller immer neue Produkte auf den Markt bringen, um dort bestehen zu können. Und auch die Konsumenten gieren nach immer neuen Produkten, wobei der Grund hierfür nicht nur in der notwendigen Versorgung mit materiellen Gütern liegt, sondern es auch um Selbstbehauptung im Kampf um Statusprodukte geht. Damit haben wir auch ein psychologisches Problem.
Es gilt also: Wachstum ist immer verbunden mit Rohstoff- und Energieverbrauch, ganz egal, wie innovativ es gemacht ist. Beides ist nicht ohne Naturzerstörung zu haben. Wäre eine Entkopplung von Verbrauch und Emissionen von Wirtschaftswachstum wirklich möglich, wäre dies ein echtes Wunder. Das wachstum- und konsumorientierte System, das für die ökologischen und sozialen Schäden verantwortlich ist, ist nicht die Lösung, es müssen nicht ein paar Fehler korrigiert werden, es ist das Problem. Das System drängt uns gnadenlos dazu, immer unnahaltiger zu handeln. Deshalb scheiterten auch alle bisherigen Initiativen der reichen Länder für eine nachhaltige Entwicklung und auch ein „Green New Deal“. Die Politik klammert sich weiter unbeirrt an eine Illusion. Um es klar auszudrücken: Ein grüner Daniel Düsentrieb wird uns nicht retten! Die Universalantwort der Volkswirtschaftslehre, die Effizienzverbesserung, zeugt mittlerweile von ökologischem Analphabetismus. Alles andere zu glauben wäre naiv und zynisch.
Es braucht einen Mentalitätswandel
Wir dürfen jetzt angesichts vieler Hiobsbotschaften nicht in Besitzstandswahrung, in eine „Diktatur der Gegenwart“, verfallen, sondern müssen das Weltelend, die dem Kapitalismus innewohnende fortwährende Ungerechtigkeit, aus der er erst entstanden ist, bekämpfen. Der Klimawandel bedroht nicht ein funktionierendes System, er ist vielmehr systemimmanent. Die Devise „kein Verzicht, keine Einschränkungen, Ende der Schuldgefühle“ ist zum Scheitern verurteilt. Aber was nun? Nur wenn es gelingt, den sozialen und ökologischen Fortschritt von den Zwängen der Kapitalakkumulation und des Wachstums zu trennen, ist eine erstrebenswerte Zukunft möglich. Bürger und Staat müssen sich von der Allmacht des Kapitals befreien und die Solidarität der Völkergemeinschaft stärken. Wir müssen lernen, Dinge zu teilen und von dem zu leben, was wir haben. Und es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben, wenn das Erdklima nicht explodieren soll.
In den nächsten Jahren wird immer mehr Menschen klar werden, dass Leben auf Pump in den totalen Kollaps führt. Auch noch so ambitionierte Nachhaltigkeitsprogramme der Vereinten Nationen werden aber keinen großen Erfolg versprechen. Sie verändern nichts am Grundsatz, dass unsere Lebensweise so viel Leid verursacht. Die Zahl der Menschen, die auf der ganzen Welt Hunger leiden, hat nicht abgenommen, sondern nimmt Tag für Tag zu.
Nur ein dauerhafter Wachstumsverzicht der reichsten Gesellschaften verbunden mit einer temporären Wachstumsstrategie für die ärmsten (keine Nachholung der Industrialisierung, sondern moderne Subsistenzwirtschaft) würde in eine bessere Welt führend. Deshalb ist nahezu kein Ziel wirklich erreicht worden. Millionen Kleinbauern werden in die Slums der Städte fliehen, weil sie keine Perspektive haben. Weil sie keine Infrastruktur haben, weil wir uns gegen faire Preise wehren. In den Städten werden diese Menschen dann ausgebeutet. Das darf nicht sein! Es bräuchte auch dringend Verhütung. Denn gibt es auf der Erde 10 Milliarden Menschen, werden die Ressourcen nimmer reichen, um allen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Bis 2100 soll etwa Afrika 4,4 Milliarden Menschen beherbergen – so viele, wie 1980 auf der gesamten Erde wohnten. Und das ausgerechnet dort, wo der vom Westen ausgelöste Klimawandel am stärksten auftritt und Nahrung verknappt.
Die Wachstumsökonomie führt zu Ausbeutung und Verelendung der Subsistenz (Hausarbeit, globaler Süden, Natur) und steigert die (weibliche) Reproduktion exponentiell. Frauen müssen endlich weltweit sowohl rechtlich als auch bei Chancen gleichgestellt werden. Das erfordert womöglich auch die verstärkte Ausbreitung eines liberalen Atheismus. Man muss kein Orakel befragen, um zu ahnen, dass die heutigen Flüchtlingsströme nur Vorboten künftiger Migrationswellen sind. Was passiert erst, wenn 2050 über 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben? Der globale Migrationshebel wird gerade von aus auf an gedreht. Diese Menschen, die sich auf eine gefährliche Reise machen, wollen ihr Stück vom Wohlstand, den wir seit Jahrhunderten auf ihre Kosten geschaffen haben. Das ist absolut berechtigt. Wir müssen daher sofort umdenken: Es braucht einen langfristigen Plan zur Umgestaltung der Gesellschaft und Wirtschaft, damit diese Menschen erst gar nicht ihre Heimat verlassen müssen. Unser heutiges Verhalten, sei es Ausbeutung oder Klimasünde, ist nicht systemextern, es ist ein Teil des Problems.
Für Verzicht und Nachhaltigkeit
Dafür brauchen wir endlich das Bewusstsein, dass es ohne Verzicht nicht gehen wird. Allein ein Flug von Frankfurt nach New York stößt 4,2 Tonnen CO2 pro Person aus, ein Flug nach Sydney sogar 14,5 Tonnen – jeder Erdbürger darf aber höchstens 2,7 Tonnen jährlich ausstoßen, um das 2°C-Ziel immerhin noch im Blick zu behalten. Auch hier scheitert wieder die Idee einer decarbonisierten, aber weiter wachstumsbasierten Weltwirtschaft. Wie wäre es mit anderen Ansätzen? Wir wäre es, endlich die Tatsache positiv zu nutzen, dass man ab einem Jahreseinkommen von 60.000 Euro nicht mehr glücklicher wird? Das wäre durch eine gerechte Vermögensverteilung auf alle Menschen mittelfristig möglich.
Mit dem ständigen Kampf um mehr und mehr Statusprodukte wird niemand sein Leben wirklich verbessern. Die zunehmende Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche führt nur zu Resignation, sie stellt den Profit vor den Menschen. Doch das Gemeinwohl muss im Zentrum allen wirtschaftlichen Strebens stehen. Das Geld soll uns dienen, es darf nicht regieren! Die Menschheit, die doch einen so wundervollen Planeten hätte, darf nicht zum Sklaven der Wirtschaft und der Finanzwelt verkommen. Doch dass es immer noch schlimmer kommen kann, ist allein schon daran zu erkennen, dass der Mensch selbst mittlerweile als Konsumgut angesehen wird, das man benutzen und dann wegwerfen kann. Die Schönheitschirurgie ist da ein Stichwort. Sklaverei, Feudalismus und Kolonialismus haben wird nicht etwa abgeschafft, nein, wir haben sie von der politischen auf die ökonomische Ebene befördert und nahezu komplett in die Entwicklungsländer verlagert. Im Kongo etwa müssen die Menschen unter schlimmsten gesundheitlichen Bedingungen seltene Metalle abbauen, die an ausländische Unternehmen verkauft werden. Alle Profite fahren lokale Kriegsherren ein, zu denen Armeen mit Drogen vollgepumpter Kinder gehören. Die Rohstoffe finden sich dann in unseren Handys und Laptops. Kaum einen Verbraucher, geschweige denn ein Unternehmen geniert das. Hauptsache billig. So geht menschliche Grausamkeit im 21. Jahrhundert!
Hunger und Not sind auch heute noch Alltag
Umfassender betrachtet heißt das dann: Weltweit müssen mehr als 1,2 Milliarden Menschen von weniger als 1,25 Dollar pro Tag leben, in Slums, in Minen, in Ruinen, in Ausbeutungsbetrieben, die oft als Konzentrationslager organisiert sind. Sich von 33 Euro im Monat zu ernähren, sich damit zu kleiden, seinen Kindern eine Schulbildung zu finanzieren, sprengt jede Vorstellungskraft. Und die Menschen müssen das trotzdem schaffen, jeden Tag. Auf der anderen Seite entfallen auf die reichsten 10 % der Menschheit etwa 85 % des weltweiten Vermögens. 3,5 Milliarden Menschen haben weniger als 1 % des weltweiten Reichtums. Über 50 % der Weltbevölkerung müssen von weniger als 2 US-Dollar am Tag leben. Occupy Wall Street hatte mit seinen Slogans vollkommen Recht.
Armut im globalen Süden
Bei Flüchtlingen geht es leider sogar noch schlimmer. Menschen in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon, in Jordanien erhalten momentan pro Tag nur 0,50 Euro an Unterstützung. Das reicht nicht einmal, um sich mit ein bisschen Nahrung zu versorgen. Und warum geschieht das? Weil die EU Anfang des Jahres die Mittel für das UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als halbiert hat. Von den Folgen wusste man – bereits damals lebten 4 Millionen Syrer in den Unterkünften. Diese Entwicklungen kann doch eigentlich kein mitfühlendes Wesen gutheißen? Leider doch. Geiz ist geil. Viel zu oft. Nicht nur in der Politik. Da wird über Nacht eingesprungen, wenn Banken oder die Industrie anklopfen. Geht es um Menschen, dauert es Monate, wenn nicht Jahre. Auch vor Ort in Syrien. Auch bei der Zusammenarbeit mit brutalen Diktatoren. Mit dem Apartheid-Regime in Südafrika haben viele Staaten ach so fröhlich zusammengearbeitet, davon profitierte ja die Wirtschaft. Da ist sie wieder – die so vielbeschworene „Westliche Wertegemeinschaft“.
Die gescheiterte Strategie der Entwicklungshilfe
Diese Gemeinschaft scheitert schon an so einfachen Dingen wie der Entwicklungshilfe. Bereits 1970, also vor 45 Jahren, haben sich alle UN-Staaten dazu verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür aufzuwenden. Jetzt ist es schon ein großes Merkel’sches Versprechen, wenn Deutschland dieses Ziel bis 2030 erreichen will. Aktuell sind wir bei gerade einmal 0,4% oder 12,5 Milliarden – das sind 10 Milliarden Euro zu wenig. Und die EU-Hilfen für afrikanische Staaten südlich der Sahara, der ärmsten Region der Welt, wurden sogar zurückgefahren, von 18 auf 12 Milliarden Dollar pro Jahr – ein Rückgang um ein volles Drittel. Die Gelder für die Erdbebenopfer in Nepal sind nach einen halben Jahr immer noch nicht angekommen. Viel reden, nichts tun. Das ist eine wahre Schande!
Die Methode der Entwicklungshilfe ist aber auch ein Problem. Sie will die Entwicklungsländer auf eine Entwicklung trimmen, die die Menschheit schon heute in die Krise geführt hat. Es zeigen sich die gleichen Resultate wie früher bei uns: Zu großen Teilen hat sich die Situation der Menschen nicht verbessert. Im Gegenteil: Die Zahlungen fließen meist an die herrschende Elite, an korrupte Diktaturen, die damit ihre Macht missbrauchen. Die ärmeren Bevölkerungsgruppen hingegen haben am wirtschaftlichen Gewinn kaum Anteil. Sie müssen weiter mit Armut, Hunger und auch hoher Kindersterblichkeit leben. Wie gigantisch dieser Missbrauch ist, sehen wir an einer einfachen Zahl: Durch Schwarzgeldtransfers ins Ausland entgehen den Entwicklungsländer jährlich 991 Mrd. Dollar. Das ist mehr als die gesamte Entwicklungshilfe. Investitionen in Bildung bleiben aus. Damit dreht sich der Teufelkreis der Armut immer weiter.
Die mit westlichem Engagement erzeugten hohen Wachstumszahlen sind aber auch ein Problem. Sie haben etwa in Afrika dazu geführt, dass die Umwelt massiv vergiftet, Flora und Fauna teils zerstört und viele Bauern niederkonkurriert wurden. Solchen Menschen wurde ihre Lebensgrundlage genommen, durch ölverseuchte Äcker und Flüsse, Wüstenbildung und Korruption. Sie müssen jetzt in bitterster Armut leben, ohne Arbeit, außerhalb jedweder Solidargemeinschaft. Rohstoffreichtum ist für viele Menschen oft mehr Fluch als Segen.
Damit haben wir wieder die inneren Widersprüche des Kapitalismus: wir wollen helfen, zerstören aber. Dazu trägt auch die europäische Wirtschaft bei. Wir schicken Fischfangflotten an die Westküste Afrikas, fischen den Ozean leer, verkaufen die Tiere teuer – die heimischen Fischer, denen es über Jahrhunderte als Selbstversorger gut ging, verlieren ihre Existenzgrundlage. Oder die Exportpolitik: Europa liefert billigste Agrarprodukte an Afrikas Märkte, heimische Bauern, die von der traditionellen Landwirtschaft leben, können nicht mithalten, verarmen – und werden zur Flucht gezwungen. Der Anbau von Cashcrops, der sich kurzfristig lohnt und der von den Industriestaaten teils bewusst gefördert wird, führt zu Desertifikation und Hungersnöten. Die traditionelle nachhaltige Subsistenzwirtschaft wird dabei zerstört. Das ist leider auch ein erklärtes Ziel der Entwicklungspolitik.
Von „Entwicklungszusammenarbeit“ kann oft keine Rede sein. Denn Subsistenz wurde zum Synonym für Unterentwicklung. Dabei bedeutet sie nicht Armut, Knappheit und schlechtes Leben. Subsistenz bedeutet ein ausgeglichenes leben in Einklang mit der Natur. Das nicht aber keiner wahr. Gleichzeitig werden in Deutschland jährlich über 10 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen, nur 1 Prozent aller gehandelten Lebensmittel ist fair gehandelt. Wobei man doch eigentlich damit zig Millionen Menschen ernähren könnte und bessere Lebensbedingungen der Menschen vor Ort nur wenige Cent mehr kosten würden.
Oder auch Rohstoffkriege. Den meisten Staaten der Erde geht es bei Kriegen doch nicht um Menschenrechte, um Demokratie. Sie kämpfen um Rohstoffe. So hat die völkerrechtswidrige US-Invasion im Irak dem dortigen Volk nichts gebracht, weder Demokratie noch Wohlstand. Nein, der Krieg ließ den relativen gesellschaftlichen Frieden erodieren und führte zum Aufstieg des IS. Die Verfeuerung des Öls hatte einige Jahre später weitreichende Folgen für die Region: Eine jahrelange Dürre als Folge des Klimawandels trug erheblich zum Ausbruch der Revolution in Syrien bei. Diese Linie zieht sich durch die gesamte Politik. So hält das ölreiche Saudi-Arabien, das exakt die gleichen Strafen anwendet wie islamische Terroristen, dieses Jahr schon mehr Menschen geköpft hat als ISIS und gerade einen 21-jähringen Oppositionellen köpfen und öffentlich kreuzigen will, den Vorsitz der wichtigsten Beratergruppe des UN-Menschenrechtsrats. Nun kann das saudische Königshaus den Posten bequem für seine Propaganda nutzen: Wenn selbst die UNO Saudi-Arabien eine solche Position anvertraut, muss das Land doch ein Vorreiter auf dem Gebiet der Menschenrechte sein! Reformbemühung versickern damit vollständig: Mehr Rechte für Frauen, mehr Humanität – Fehlanzeige. Wir kaufen das Öl aus dem Nahen Osten, ignorieren aber vollständig die desolate Menschenrechtslage. Na ja, zumindest läuft für den Westen das Geschäft. Der Gewinn aus diesen Verkäufen landet dann bei Königen und Oligarchen, die Bevölkerung bekommt kaum etwas ab. In China geht es der Mittelschicht zwar wesentlich besser, die große Unterschicht muss aber von menschenunwürdigen Dumpinglöhnen in Slums leben.
Die Globalisierung führt eben nicht zu Wohlstand für alle, sondern zu sinkenden Löhnen und Arbeitsplatzverlust, niedrigeren Sozialleistungen, zunehmender Ungleichheit und Umweltverschmutzung. Jean Jaurès hat es passend ausgedrückt: „Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.“. Drohen etwa zeugen von absoluter menschlicher Grausamkeit. Es ist die Gier nach Reichtum, nach Rohstoffen, koste es, was es wolle. Seit Jahrhunderten.
Kapitalismus und Moral – ein großer Widerspruch
Das Problem des Kapitalismus ist, dass er umso besser funktioniert, je weiter er sich von ethisch-moralischen Werten und der Demokratie entfernt. Siehe China. Wir kämpfen bis zu den Zähnen bewaffnet für den Frieden und wundern uns über unsere Erfolglosigkeit. Wir vergasen männliche Küken und begehen damit millionenfachen Mord. Wohlstand für wenige, der mit Umweltzerstörung, Tierquälerei und Ungerechtigkeit erkauft wird, ist aber keine Grundlage für eine zivilisierte Gesellschaft. Das sieht zum Glück auch die Mehrheit der Deutschen so. Die Hoffnung auf die Vernunft und die Lernfähigkeit von Menschen ist also nicht unbegründet. Laut Enmid sind 80 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass wir eine neue Wirtschaftsordnung brauchen. Das die Mehrheit für eine moralisch unabdingbare globale Umverteilung überall im Westen noch fehlt, ist aber leider eine traurige Tatsache.
Ungleichheit Der Kapitalismus ist immer hungrig auf Profit, wie ein gieriger Wolf, der selbst weiter frisst, wenn er schon satt ist. Milliarden Menschen spüren das täglich. Was nun?
Für einen neuen globalen Ansatz
Es ist somit mehr denn je Zeit für einen Aufschrei, für einen neuen globalen Ansatz, getragen von mitmenschlichen Werten. Eine andere, bessere Welt ist möglich! Alle Menschen müssen hier und jetzt im Interesse der 90, ja fast 99 Prozent umdenken: weg von Billigklamotten, rauschendem Konsum mit Luxusgütern, Verschwendung, Freihandel – hin zu Nachhaltigkeit, Recycling, fairem Handel mit gerechten Löhnen – einer regionalen Kreislaufwirtschaft. Weg von Deregulierung, Privatisierung, niedrigen Millionärssteuern – hin zu einer ausgeglichen Gesellschaft, zu einer globalen Umverteilung (bei der die reichsten Personen und Länder die Hauptlast tragen müssen), zu Wiederverwenden und weiternutzen. Weg von reiner Profit- und Machtmaximierung, weg vom Kapitalismus, hin zur Gemeinwohlökonomie, die jeder und jedem ein Leben in Würde ermöglicht und die nicht auf ein immer mehr einer immer kleineren Schicht von Privilegierten setzt. Hin zu einer Gesellschaft, in der das Wohl aller an oberster Stelle steht. Einer Gesellschaft, in der Menschenwürde, Menschenrechte und die ökologische Verantwortung wirklich zählen. Eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung, Hass und Rassismus, ohne religiösen Fanatismus. Eine Gesellschaft der Mitmenschlichkeit und der Toleranz. Das muss das oberste Ziel sein!
Eine zukunftsfähige Postwachstumsgesellschaft müsste nicht mehr um jeden Preis wachsen, um sich zu stabilisieren. Unternehmen und Volkswirtschaften wären nicht zu Expansion, Akkumulation und Produktionssteigerung verdammt; besonders ressourcenintensive Branchen würden zurückgebaut, um die ökologischen Grenzen nicht vollends zu überlasten, während Bereiche wie Gesundheitsversorgung und Altenpflege weiter ausgebaut werden sowie Biolandwirtschaft und erneuerbare Energien konventionelle Methoden ersetzen könnten. Bei der Nahrungsmittelversorgung oder der Definition dessen, was Wohlstand und Gerechtigkeit bedeuten, stünden die konkreten Bedürfnisse im Vordergrund – und nicht Profit, Kaufkraft oder abstrakte Kennziffern wie das BIP, das eine intakte Umwelt nicht berücksichtig, aber die Beseitigung von Umwelt- und Gesundheitsschäden schon. Mit anderen Worten: Das Wachstumsmodell begreift auch den wachstumsorientierten Abbau von Rohstoffen und die Zerstörung der natürlichen Umwelt als erstrebenswerten Fortschritt. Beispielsweise ist ein Singvogel rein materiell 3,10 Euro wert, sieht man ihn aber im ökologischen Zusammenhang, sind es mehr als 300 Euro. Vorsorge spielt im Kapitalismus eben keine Rolle.
Die Problematik des BIP
Ein hohes BIP führt also nicht zwingend zu Lebenszufriedenheit, eher ist das Gegenteil der Fall: Die Lebenszufriedenheit ist in vielen afrikanischen Staaten und sonstigen ärmeren Ländern höher als in den Industrieländern, wo Unzufriedenheit sogar zunimmt. Geld kann man eben nicht essen. In Großbritannien verdoppelten sich die Einkommen seit den 70ern Jahren, aber die Zufriedenheit der Menschen nahm ab (Scheidungsraten etc.). Es braucht also ein neues Maß für dauerhaften Wohlstand, das auch Daten erfasst wie Lebenserwartung, Bildungsteilhabe, Teilhabe am öffentlichen Leben. Es braucht auch eine Neudefinition des Verhältnisses von Gesellschaft und Natur. Die Wirtschaft sollte dem Wert des Lebens und nicht der Verwertung des Kapitals dienen; es braucht die Dekommerzialisierung der Natur und der Gemeingüter, die Dezentralisierung des Produktionsapparats sowie die Umverteilung von Reichtum und Macht. Anstatt die Trennung von Natur und Mensch aufrechtzuerhalten, gilt es ihre Wieder-Annäherung zu ermöglichen, die Trennung aufzuheben, die einst gewaltsam zerschlagen wurde. Möglich wird dies nur, indem wir, neben den Menschenrechten, auch die Rechte der Natur im globalen Maßstab einfordern. Wir müssen für ausreichende Ernährung, für eine angemessene Lebenserwartung und gesellschaftlicher Teilhabe aller Menschen in einer endlichen Welt sorgen.
Ein Modell für nachhaltigen Wandel
Doch wie könnte dieser Wandel konkret gelingen? Zuerst müssen Privateigentum und Gewinnstreben eingeschränkt werden. Die globalen Wachstumstreiber, der westliche Konsumstil (KonsumentInnen verbrauchen überproportional viel Umweltraum) auf der individuellen und Fremdversorgung und Arbeitsteilung auf globalisierten Märkten (die über lange Wertschöpfungsketten Wachstum erzwingen, verstärkt auch durch Zinsen), müssen überwunden werden. Dafür braucht es drastische Einschnitte für die globalen Märkte. Doch das reicht nicht aus. Große Unternehmen, wo Manager oft weit mehr als 100 Mal so viel verdienen wie eine normale Mitarbeiterin oder ein normaler Mitarbeiter, kennen oft nur ihr eigenes Gesetz. Das merken wir gerade im VW-Skandal. Schon Adam Smith, der Begründer des Wirtschaftsliberalismus, hat diese Problematik erkannt. Wir merken die Gier und Brutalität auf den Weltmärkten. Wir merken die Koste-es-was-es-wolle-Profitmaximierung, die in einem solchen Gebilde am größten ist. Daher müssen wir gerade in diesem Bereich ansetzen. Solche Betriebe müssen wir als erste vergesellschaften, in Gemeineigentum überführen, und in kleinere Firmen umwandeln. Demokratisch gewählte Vertreter könnten etwa die Funktion der Aktionäre übernehmen. Die Renditen werden dann nach einem sozial ausgewogenen und nachhaltigen Konzept erwirtschaftet und fließen in den öffentlichen Haushalt. Durch strikte Regulierung könnten die Profite gerechter verteilt werden. Mit einer langfristigen Aufspaltung könnte unsere Wirtschaft schrittweise regionalisiert werden.
Im letzten Schritt eines langfristigen, durch die Zivilgesellschaft vorangetriebenen Prozesses würde eine basisdemokratische Gesellschaft entstehen, in der die Wirtschaft dem Gemeinwohl dient, aber trotzdem unternehmerische Freiheit regional möglich ist. Zentrale Wirtschaftsbereiche sind vergesellschaftet, globale Marktmechanismen zurückgedrängt, Machtverhältnissen abgebaut und Frauen gleichgestellt. Wir hätten eine funktionierende, strikt regulierte Marktwirtschaft, in der das Verursacherprinzip uneingeschränkt gilt, ein System ausdrücklich ohne Profitgier. Ein System, das auch einige positive planwirtschaftliche Elemente enthalten sollte. Es wäre demokratisch, liberal, lokal nachhaltig und gerecht – all das mit regionalen Währungen. Eine Wirtschaft, in der nicht wie heute weniger als ein Prozent der größten Unternehmen über 66 Prozent aller Umsätze erwirtschaftet. Statt Machtmissbrauch und Gier stünden nun Commons (Gemeingüter, die gemeinschaftlich nach an Nachhaltigkeit und Fairness orientierten Regeln genutzt werden, um Übernutzung zu verhindern) und Solidarität im Mittelpunkt – während Wirtschaft und Staat voll der demokratischen Kontrolle unterlägen – in weltweiten Institutionen tätig und durch globale Kooperation vereint. Denn wenn sich Marktfreiheit nur im Sinne eines grenzenlosen Konsumismus ergibt, hat das nichts mit einem Gesellschaftsvertrag zu tun, der diesen Namen verdient. Denn Gesellschaften, die soziales und ökologisches Verhalten fördern, funktionieren wesentlich besser. Unsere Devise muss heißen: Global denken, regional wirtschaften. Wir müssen kapitalistische Finanz- und Eigentumsformen durch ein mit egalitären Werten vereinbares System ersetzen. Es muss endlich klar werden: Natur und Ressourcen sind nicht zum Nulltarif zu haben. Nicht Vereinzelung und der Hobbs’sche Kampf aller gegen alle, sondern eine stärkere Betonung des Miteinanders. Das durchzusetzen ist unser Weg in eine bessere Zukunft!
Global denken, regional wirtschaften
Unternehmenserfolg darf sich nicht mehr am größten Gewinn bemessen, sondern an Gemeinwohl-orientierten Werten wie Menschenwürde, Solidarität, Mitbestimmung & Transparenz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Im Ansatz finden wir das schon heute in örtlichen und gemeinschaftlichen sozialen Unternehmen wie kommunalen Energieprojekten und lokalen Bauernmärkten. Doch das reicht nicht aus. Es bedarf das Gemeineigentum eines Großteils der gesellschaftlichen Produktionsmittel, beispielsweise in regionalen Genossenschaften. Die Arbeitszeit könnten wir verkürzen und so Vollbeschäftigung schaffen, Grund- und Maximaleinkommen würden für eine gerechte Vermögensverteilung sorgen und Armut endgültig auslöschen. Gleichzeitig bliebe uns ein gerechtes Leistungsprinzip erhalten.
»Ein Sozialist kann Christ sein, ein Christ muss Sozialist sein.« – Adolf Grimme
Das Verhalten des Menschen wird durch seine Verhältnisse bestimmt. Im Kapitalismus wird man zum Egoisten erzogen, um zu überleben. Daher bedarf es einer Reform nahezu aller Lebensbereiche, um eine bessere Welt möglich zu machen. Der Klimawandel ist heute unaufhaltsam, weil er von allen herrschenden Institutionen gefördert wird. Daher brauchen wir auch eine grundlegende institutionelle Veränderung der heutigen Lebensverhältnisse. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Eine Wirtschaft, die sich auf die regionale Produktion langlebiger Produkte und Dienstleistungen konzentriert, ist die Zukunft. Daran muss sich auch die Politik anpassen. Aber auch die Architektur unserer Städte, mit wesentlich mehr Grün. Es hat sich gezeigt, dass mehr als 90 Prozent der Produktion und Distribution lokal besser ablaufen. Das ist anhand des ständigen Preiskampfes bei Löhnen, Umweltstandards und Preisen im wachstumsgierigen Kapitalismus ein Ding der Unmöglichkeit, für unsere Zukunft aber unausweichlich. Es ist, wie gesagt, eine Systemfrage.
Gutes Leben in einer endlichen Welt
Gutes Leben für alle in einer Gemeinschaft mit der Natur, für Gemeinsinn, Gleichheit, Teilen, Teilhabe, Tauschen und Nachhaltigkeit, für ein erfülltes Leben bei Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen – all das in einer vollendeten Kreislaufwirtschaft – würde uns den Weg in eine bessere Zukunft ebnen. Die Wirtschaft könnte gezielt schrumpfen, Wohlstand und Glück würden trotzdem zunehmen. Niemand müsste hungern, an heilbaren Krankheiten sterben oder den ganzen Tag arbeiten. Heute kaufen wir im Westen doch so viel mehr Dinge, als wir wirklich nutzen. Darauf können und müssen wir verzichten – wir haben die Ressourcen einfach nicht. Und dieser Luxus ist eh oft nur eine Sache der Eliten. Deutschlands ökologischer Fußabdruck muss eingeschränkt werden, denn wir überschreiten die Kapazität unseres Planeten, also die langfristige Reproduzierbarkeit der Ressourcen, bei weitem. Aktuell sind wir bei 4,6 Hektar, nachhaltig wären 1,8 Hektar. Diesem Wert müssen wir uns weltweit annähern. Denn der bisherige westliche Lebensstil ist so nicht länger aufrecht zu erhalten.
Degrowth (= die Rücknahme von Wachstum) führt in eine sozial gerechte und nachhaltige Gesellschaft
Es braucht einen grundlegenden Struktur- und Wertewandel! Wir sollten, nein wir müssen endlich merken, welche Vorteile die weltweite Kooperation doch hat. Gegen die entfremdete kapitalistische Überproduktion, die manche reich, aber nicht glücklich, die meisten jedoch arm und unglücklich macht, muss die sinnvolle kollektive Arbeit gesetzt werden. Das machen uns einige Unternehmen heute schon vor. Es gäbe so viele neue Möglichkeiten. Das Internet und die Informationstechnologie beispielsweise bekämen eine ganz andere Bedeutung. Eine Gesellschaft im Überfluss, ohne Erwerbsarbeit, in der sich jeder auf kreative und soziale Tätigkeiten konzentrieren könnte, ist als Endziel durchaus möglich. Ein neuer Fortschrittsbegriff, der nicht einfach heißt, immer mehr zu produzieren. All diese Ausführungen münden in einer einfachen Feststellung: Eine nachhaltige Welt braucht Suffizienz und Subsistenz – wir müssen zum Wohle aller weniger verbrauchen und weniger herstellen, aber weltweit gerechter und gleicher verteilen. Weniger wird mehr! So oder so ähnlich muss ein menschenwürdiges Wirtschaftssystem aussehen. Es ist ein Gegenentwurf zur ausbeuterischen Globalisierung, die immer das billigste, sei es bei Umwelt oder Arbeitskosten, zur Folge hat. Natürlich führt das zu einer Einschränkung der Freiheit, etwa beim interkontinentalen Reisen. Aber jegliche Freiheit unterliegt eben auch Beschränkungen, die uns die Endlichkeit der Ressourcen und die Größe der Weltbevölkerung auferlegen.
Weniger wird mehr!
Wie wäre eine Welt, in der Menschen auf der ganzen Welt in kleinen Dörfern und Städten leben, umgeben von grünen Gärten voller Blumen, Gemüse und Obst, umsäumt von Wald, Feldern und Wiesen, die kein Privateigentum sind, sondern der Allgemeinheit gehören. Eine Welt, in der man Mensch, Tier und die Umwelt wertschätzt und mit großer Zuneigung behandelt. Eine Welt ohne Krieg, Armut und Ausgrenzung. Wie erfüllend wäre es, die sozialen Strukturen kleiner Städte wiederzubeleben, weg von der Ökonomisierung und Beschleunigung. Wie schön wäre eine Menschheit, die einem grundlegenden moralischen Prinzip folgt: Wir leben miteinander von dem, was uns die Natur, in der wir leben, bietet. Ein glückliches Leben in Hülle und Fülle, ein Leben in Zufriedenheit. Es wäre ein goldenes Zeitalter, in dem Menschen mit anderen teilen und alle ein gutes Leben führen können. Ein Zeitalter, dominiert von Gesellschaften mit einer Wirtschaft des Gebens und Teilens. Wer würde da nicht Ja sagen?! Die Erde könnte doch so schön sein.
Ob man sich eine bessere Welt nun so oder so vorstellt, eine Einsicht bleibt am Ende immer gleich: Haben wir heute kein Verantwortungsbewusstsein, wird es uns in Zukunft nicht besser gehen als heute, sondern schlechter, haben wir heute keine Einsicht, wird eine gigantische globale Katastrophe eintreten. Der Wohlstand von heute zerstört den Wohlstand von morgen! Dann bräuchten wir einen neuen Planeten. Schon heute ist klar: Geflüchtete Menschen fordern zurecht unsere Solidarität. Auch sie wollen ein würdevolles Leben führen können – und verbessern gleichzeitig unser Leben. Die heutige Situation sollte unser Ansporn sein. Von einer solidarischen Menschheit würden alle profitieren, auch die Umwelt. Noch ist das eine Utopie. Doch waren nicht alle Ideen einmal eine Vision? Der Wandel wird schwierig, weil er weltweit stattfinden muss. Zwei große grundverschiedene Systeme, eines der Konkurrenz und des Wachstums, das andere der Kooperation und der Stagnation, können nicht parallel existieren. Aber noch ist es nicht zu spät, anzufangen. Gesellschaftliche Veränderungen sind immer erkämpft worden – nie erkauft – auch gegen eine selbstzufriedene Oberschicht. Dafür braucht es keine Schein-Reform à la Plastik-Jeans, sondern Mut, Solidarität, Entschlossenheit und den Glauben daran, dass wir, die Menschen, fähig sind, die Veränderungen bewirken zu können, die wir uns wünschen.
Gemeinsam für eine bessere Welt!
Ausbeutung und Armut sind nicht unausweichlich. Es braucht einen demokratischen Prozess hin zu einer gerechteren Welt. Einer Welt, die die Bedürfnisse aller Menschen nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung und Gesundheit deckt und allen ein Leben in Würde ermöglicht. Einer Welt, die auf Kooperation statt Konkurrenz setzt. Es gilt, einen neuen Sozialismus, einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, einen demokratischen Ökosozialismus zu entwickeln. Für Gemeinwohl und Volkssouveränität statt eines totalitären Systems wie dem Finanzkapitalismus.
Es braucht einen basisdemokratischen Umbruch! Für die langfristigen Interessen von Mensch und Umwelt statt für die kurzfristigen Ziele des Kapitals. Unus pro omnibus, omnes pro uno – Einer für alle, alle für einen!
Make Capitalism History! For a better world!
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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner
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“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man selbst nichts zu sagen hat.” Edward Snowden.