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13.03.20 06:49
AFGHANISTAN
Kriegsverbrechen in Afghanistan: Internationaler Strafgerichtshof nimmt Ermittlungen gegen USA auf
Der Internationale Strafgerichtshof prüft Beteiligung der USA an Kriegsverbrechen in Afghanistan. Eine konkrete Verfolgung wird allerdings schwierig.
- Der Internationale Strafgerichtshof nimmt Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Afghanistan auf
- Untersucht werden sollen mögliche Kriegsverbrechen amerikanischer und afghanischer Streitkräfte sowie der Taliban
- Die Regierung der USA verweigern die Kooperation
Den Haag – Ein Jahr lang sah es so aus, als gäbe es keine Gerechtigkeit für die vielen Opfer der Gewalt in Afghanistan und als blieben die Verbrechen gegen Menschlichkeit, Würde, Leib und Leben ungesühnt. Noch im Frühjahr vergangenen Jahres hatte der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) es abgelehnt, Ermittlungen in Afghanistan aufzunehmen, weil, so die Begründung, diese der Justiz nicht dienlich seien. Sowohl die amerikanische als auch die afghanische Regierung würden die Kooperation verweigern, Ermittlungen seien zum Scheitern verurteilt.
Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Afghanistan: US-Regierung verweigert Kooperation
Nun hat die Berufungskammer diese Entscheidung revidiert und Chefanklägerin Fatou Bensouda das Mandat erteilt, die Kriegsverbrechen der Taliban, der afghanischen und amerikanischen Streitkräfte und die von Mitarbeitern des Geheimdiensts CIA zu untersuchen. Zehn Jahre sind vergangen, seit die Staatsanwaltschaft des IStGH begann, Beweise im Fall Afghanistan zu sammeln. Laut Unama, der UN-Organisation für Afghanistan, sind in diesen Jahren mehr als 100 000 Zivilisten getötet oder verletzt worden.
Ein Drittel dieser Toten sind Kinder, fast ein weiteres Drittel Frauen. Sie starben durch Luftangriffe oder bei Selbstmordanschlägen, die meisten durch Angriffe der Taliban.
Statement of #ICC Prosecutor #FatouBensouda following the Appeals Chamber’s decision authorising an investigation into the Situation in #Afghanistan https://www.icc-cpi.int/Pages/item.aspx?name=200305-otp-statement-afghanistan …
Statement of ICC Prosecutor, Fatou Bensouda, following the Appeals Chamber’s decision authorising…
Earlier today, the Judges of the Appeals Chamber of the International Criminal Court („ICC“ or the „Court“) unanimously decided to authorise my Office to commence an investigation into alleged crimes…
icc-cpi.int
Kriegsverbrechen in Afghanistan: Mehr als 100 000 Zivilisten getötet
Abzug der US-Truppen
Die US-Streitkräfte haben nach dem Abschluss des Abkommens mit den Taliban vor mehr als einer Woche ihren schrittweisen Abzug aus Afghanistan eingeleitet. Innerhalb der nächsten 135 Tage wolle man die Truppenstärke auf 8600 Mann reduzieren, teilte ein Sprecher am späten Montagabend mit. Die US-Streitkräfte seien aber weiterhin in der Lage, ihre Anti-Terror-Missionen gegen Al-Kaida oder die Terrormiliz Islamischer Staat fortzuführen, hieß es in der Mitteilung. Außerdem wolle man weiterhin die afghanischen Sicherheitskräfte unterstützen.
Für ihr Abkommen mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan wollen sich die USA die Unterstützung des UN-Sicherheitsrats sichern. Washington beantragte für Dienstag nach Angaben von Diplomaten eine Abstimmung über eine Resolution, die das Ende Februar geschlossene Abkommen „begrüßt“ und auf Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban dringt. dpa/afp
Auch das US-Militär und die afghanischen Streitkräfte nahmen im Verlauf des Kriegs immer weniger Rücksicht auf sogenannte Kollateralschäden. Doch Bensouda will mehr, als nur den Tod von Zivilisten durch Militärschläge ahnden. Schon im vergangenen Jahr gab sie bekannt, genügend Beweise dafür zu haben, dass Angehörige des US-Militärs folterten, unnötige Grausamkeit anwandten, vergewaltigten und andere Sexualverbrechen begingen. 2003 und 2004 zunächst in Afghanistan, danach in Geheimgefängnissen des CIA in Polen, Russland und Litauen.
Kriegsverbrechen in Afghanistan: Internationaler Gerichtshof braucht Einwilligung der USA
Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass amerikanische Bürger für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen würden. Dass es je so weit kommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Die USA haben das Gründungsdokument des Gerichtshofs, das Statut von Rom, nicht unterschrieben und stehen somit außerhalb von dessen Einfluss. Das bedeutet, selbst wenn der Gerichtshof einen Schuldspruch abgibt, hat er keine legalen Mittel, die Täter zu verhaften. Und ohne die Einwilligung der USA können die Staatsanwälte auf amerikanischem Boden auch niemanden verhören oder Beweise sammeln.
Ermittlungen zu Kriegsverbrechen: Afghanistan mit eigenem Komitee
Nach dieser Entscheidung ist mit einer ganzen Reihe von Aktionen von Seiten der Amerikaner zu rechnen, angefangen bei Einreiseverweigerungen für ermittelnde Richter, dem Einfrieren von persönlichem Vermögen und Druck auf andere Staaten, wie Litauen, Rumänien und Polen, sich dem IStGH zu widersetzen und keine Beweissammlungen gegen amerikanische Staatsbürger zuzulassen. Auch die afghanische Regierung, gegen die ebenfalls Foltervorwürfe vorliegen, will nicht kooperieren. Sie hat ein eigenes Komitee begründet, das Kriegsverbrechen aufdecken und die Täter zur Rechenschaft ziehen soll.
Kriegsverbrechen in Afghanistan: Verurteilungen sehr unwahrscheinlich
Das Urteil des IStGH kam nur wenige Tage nachdem die Amerikaner einen Deal mit den Taliban unterzeichneten. Nach zwei Jahrzehnten Krieg will Trump seine Soldaten nach Hause holen. Zurück bleibt ein Land, das im Machtpoker der umliegenden Länder Iran und Pakistan schon jetzt zerschlissen und das ohnehin bereits zu 60 Prozent von den Taliban kontrolliert wird.
Zu dieser Ausgangslage kommt eine wachsende Gruppe von Warlords, Drogenbaronen und anderen gewaltbereiten Akteuren, ein geschwächter Präsident, wirtschaftlich unverkraftbares Bevölkerungswachstum und unendlich viele unbeglichene Rechnungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es der afghanischen Regierung gelingt, auch nur einen Kriegsverbrecher zu verurteilen, ist verschwindend klein