Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 11.03.2016
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Privatisierungsschwindel in Griechenland
Der Hafen von Piräus zählt zu den zentralen griechischen Privatisierungsobjekten. © reuters/John Kolesidis |
Privatisierungsschwindel in Griechenland
von Niels Kadritzke
Seit Jahrzenten rollte über Europa eine Privatisierungswelle hinweg. Die hat viele Investoren, Banken und Beraterfirmen reich, aber nur wenige Bürger glücklich gemacht. Denn das große neoliberale Versprechen, privatisierte Versorgungsunternehmen könnten ihre Kunden billiger bedienen – mit Wasser, Strom, Verkehrsangeboten –, hat sich regelmäßig als Trug und oft genug auch als Lug erwiesen.
Die neueste Studie des Transnational Institute (TNI) über das Wirken der „Privatisierungsindustrie“ kommt zu dem Schluss, es gebe „keinen Beleg dafür, dass privatisierte Firmen effizienter arbeiten“. Dagegen habe die Privatisierungswelle die Lohnstruktur unterspült, die Arbeitsbedingungen verschlechtert und die Einkommensunterschiede vergrößert.(1)
Ein Sonderfall in Sachen Privatisierung ist Griechenland. Im Zuge der Schuldenkrise wird das Land von seinen Gläubigern gezwungen, möglichst viele öffentliche und halböffentlichen Unternehmen zu verkaufen oder zu verpachten – mit dem alleinigen Ziel, die staatliche Schuldenlast abzutragen.
Zwangsverkauf ohne wirtschaftlichen Nutzen
Diese Veräußerung öffentlicher Werte ist der absurdeste Aspekt der „Rettungsprogramme“, die den Athener Regierungen seit 2010 von der sogenannten Troika aufgebrummt wurden und der griechischen Wirtschaft eine siebenjährige Rezession beschert haben.(2) Einen bankrotten Staat mitten in der Krise zur Privatisierung staatlicher oder halbstaatlicher Unternehmen zu zwingen, ist auch marktwirtschaftlich gesehen grober Unfug. Es bedeutet stets einen „Verkauf zu Discountpreisen“, konstatieren die TNI-Autoren.(3) Selbst das berühmte „Tafelsilber“ ist in einer tiefen Rezession zu einem fairen Preise nicht loszuschlagen, sein Verkauf erfüllt den Tatbestand der Untreue.
Das gilt ganz unabhängig von der Abwägung der gesellschaftlichen Vor- und Nachteile eines „öffentlichen Sektors“. Die ist im Fall Griechenland freilich komplizierter als anderswo, denn hier lassen sich durchaus Argumente für bestimmte Privatisierungsvorhaben finden. Etwa bei staatlichen Unternehmen, die traditionell als „Versorgungsbetriebe“ der besonderen Art dienen, weil sie nicht nur ihren Kunden unentbehrliche Leistungen (wie Strom oder Verkehrsverbindungen) bieten. Ihr sekundärer Daseinszweck besteht darin, die Klientel der jeweils herrschenden Regierung mit gut bezahlten, sicheren und häufig bequemen Posten versorgen – auf Kosten der Kunden und der Steuerzahler.
Der klientelistische Missbrauch öffentlicher Unternehmen durch die politische Klasse stellt im Grunde ebenfalls eine „private“ Nutzung“ dar. Das erklärt, warum die Veräußerung öffentlicher Dienstleister bei vielen Griechen keineswegs unbeliebt war. Eine große Mehrheit hat die frühere Teilprivatisierung der Telefongesellschaft OTE oder der nationalen Fluglinie Olympic Airways durchaus begrüßt und findet, dass die OTE und die Olympic seitdem besser und kundenfreundlicher funktionieren.(4)
Die alte Regierung hat vor allem ihre Klientel bedient
Speziell die Olympic war ein staatliches Unternehmen, das krass zu Lasten der Allgemeinheit funktionierte: Trotz riesiger Defizite, die aus dem Staatshaushalt beglichen werden mussten, konnten die Gewerkschaften mithilfe ihrer Patrone in der Regierung die Privilegien der Beschäftigten immer weiter ausbauen. Am dreistesten trieben es die Piloten, die per Streik sogar die Forderung durchsetzen wollten, ihren Sprösslingen einen festen Prozentsatz der Ausbildungsplätze für Nachwuchspiloten zu reservieren. Solche abschreckenden Beispiele machen verständlich, warum drei von vier Griechen noch im April 2011 Privatisierungen „generell für notwendig“ erachteten.(5)
Bestärkt wird diese Meinung durch den liederlichen Umgang des griechischen Staates mit seinen Immobilien. Das äußert sich zunächst in der Tatsache, dass die Häuser und Grundstücke im öffentlichen Besitz bis heute nicht lückenlos erfasst sind. Es zeigt sich aber vor allem darin, dass bis zum Beginn der Krise noch jede Athener Regierung den staatlichen Grundbesitz (der bis heute nicht lückenlos erfasst ist) zur Bedienung ihrer Gefolgschaft genutzt hat, etwa durch preisgünstige Verpachtung von Häusern oder Grundstücken.
Vielerorts hat der Staat auch schlicht die Kontrolle über seine eigenen Werte verloren. Als die Inspektoren der Privatisierungsbehörde im Sommer 2012 im peloponnesischen Hafenstädtchen Katakolo den staatlichen Grundbesitz taxieren wollten, erlebten sie eine böse Überraschung: Von 2000 Hektar öffentlicher Flächen waren nur 200 Hektar ungenutzt. Den Rest hatten Einheimische mit Häusern, Geschäften oder Pensionen überbaut (meist ohne Baugenehmigung). Durch diese illegale „Privatisierung“ wurde der Staat um Millionen Euro geprellt.(6)
Ein weiterer Aspekt, der die Akzeptanz von Privatisierungen erhöht, ist die Ebbe in der Staatskasse. Wenn der Verkauf öffentlicher Unternehmen mit Investitionen einhergeht, für die der griechische Staat kein Geld hat, finden viele Griechen das gar nicht schlecht. Zum Beispiel sind zwei Drittel der Bevölkerung für die Privatisierung der staatlichen Eisenbahn ESA, die dringend erforderliche Investitionen verspricht. Und die Bewohner der Insel Skiathos haben nichts dagegen, dass die Ruine eines Xenia-Hotels, das vor 50 Jahren von dem längst bankrotten Staatsunternehmen errichtet wurde, von privaten Investoren gekauft und reaktiviert wird.
Die Privatisierungsproblematik ist in Hellas also komplizierter als anderswo. Zwar wollen auch die meisten Griechen, dass lebenswichtige Dienstleistungen sozial verträglich gestaltet und nicht dem Profitmotiv unterworfen sein sollen. Aber sie stellen sich die Frage, ob die öffentliche Hand ihre Unternehmen auch effizient und kundenfreundlich betreibt. Und ob der bankrotte Staat das Geld dafür hat, inklusive der nötigen Investitionen.
Sinn und Unsinn von Privatisierungsvorhaben
Daraus ergeben sich drei Kriterien, um Sinn und Unsinn von Privatisierungsvorhaben zu ermessen. Zu fragen ist erstens, ob der Erlös für den verkauften Anteil des Unternehmens in einem vernünftigen Verhältnis zu den Gewinnen steht, die der öffentlichen Hand durch die Veräußerung entgehen? Zu fragen ist zweitens, ob die Privatisierung mit neuen Investitionen verbunden wird und wie verbindlich diese garantiert werden. Und drittens kommt es darauf an, welchen Einfluss der Staat in dem veräußerten Unternehmen behält, vor allem bei Entscheidungen über Fragen von strategischer Bedeutung und nationaler Reichweite.
Anhand dieser Kriterien sollen hier drei zentrale griechische Privatisierungsprojekte untersucht werden:
– der Verkauf von 67 Prozent Anteilen der Hafengesellschaft von Piräus (OLP) an das chinesische Staatsunternehmen Chinese Ocean Shipping Company (Cosco);
– die Übernahme des Betriebs von 14 Flughäfen durch ein privates Konsortium unter Führung des deutschen Unternehmens Fraport;
– die Teilprivatisierung der staatlichen Lottogesellschaft Opap zugunsten einer privaten Unternehmergruppe.
Alle drei Projekte wurden schon vor Amtsantritt der Regierung Tsipras durchgezogen (Opap) oder fest vereinbart. Im Fall der OLP und der Flughäfen versuchte die Syriza-Regierung, die Verträge noch zu annullieren oder nachzubessern. Das aber lehnten die Gläubiger (EU, EZB, IWF) strikt ab.
Vorweg ist eine Gemeinsamkeit fast aller Privatisierungsverfahren hervorzuheben. Mit Ausnahme des Flughafenprojekts blieb am Ende des langwierigen Bieterverfahrens nur ein einziger Interessent übrig. Den Zuschlag erhielt also nicht der „meistbietende“ Bewerber, sondern ein monopolistischer Interessent, der außer dem Preis auch eine Latte zusätzlicher Bedingungen diktieren konnte.(7)
Besonders klar wird dies bei der Teilprivatisierung der Hafengesellschaft von Piräus (OLP). Der Kauf von 67 Prozent der OLP (in zwei Etappen) verschafft dem chinesischen Staatskonzern die weitgehende Kontrolle über den größten griechischen Hafen, denn eine Cosco-Tochter betreibt schon seit 2008 zwei der drei Container-Terminals von Piräus (der Pachtvertrag läuft über 35 Jahre).
Ein einziger Bieter für ein großes Stück Piräus
Die Cosco zahlt für ihren OLP-Anteil 368,5 Millionen Euro. Wie sich dieser Preis erklärt, bleibt völlig intransparent. Die griechische Privatisierungsbehörde Taiped hatte das erste Cosco-Angebot für unzureichend erklärt, aber wie viel die Chinesen am Ende draufgelegt haben, blieb ebenso geheim wie die Summe, die Gutachterfirmen als „fairen Preis“ ermittelt hatten.
Stattdessen rechnet die Taiped den „Gesamtwert“ des Deals auf 1,5 Milliarden Euro hoch. Wie sie auf diese Summe kommt, ist ein interessantes Beispiel für kreatives Rechnen. Addiert werden zum einen die geschätzten Abgaben an den griechischen Staat, deren Höhe von den Gewinnen der Cosco abhängt, die heute kein Mensch voraussagen kann. Und zum anderen die zugesagten Investitionen von 350 Millionen Euro, die aber nur fließen werden, wenn die Cosco-Rechnung aufgeht.
Was den ersten Posten betrifft, so ist die Rechnung gezinkt. Bisher bezog die OLP von der Cosco-Tochter für deren zwei Container-Terminals eine jährliche (umsatzabhängige) Pachtsumme von zuletzt 35 Millionen Euro. 67 Prozent dieser Gelder fließen künftig an den OLP-Mehrheitseigner Cosco, wandern also von einer Cosco-Tasche in die andere. Damit entgehen dem griechischen Staat bis zum Ende der Pachtzeit mindestens 700 Millionen Euro. Diese verlorene Summe ist natürlich vom „Gesamtwert“ der OLP-Privatisierung abzuziehen.
Logistischer Umschlagplatz für China
Noch dreister ist die Kalkulation der vereinbarten Investitionssumme: Hier sind auch die EU-Gelder eingerechnet, mit denen der Ausbau des Kreuzfahrtschiff-Anlegers subventioniert werden soll. Die etwa 115 Millionen Euro aber wären natürlich auch an eine rein staatliche OLP geflossen. Zudem ist die Realisierung der zugesagten Investitionen keineswegs garantiert. Der Kaufvertrag enthält im Gegenteil eine Klausel, wonach Cosco fünf Jahre lang vor Sanktionen geschützt ist, falls sie irgendwelche vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt.(8)
Diese windige Berechnung eines fiktiven „Gesamtwerts“ ist den Griechen durchaus bewusst. Deshalb verweisen Athener Banken- und Börsenkreise gern auf die langfristigen volkswirtschaftlichen Effekte, die von dem chinesischen Hafen in Piräus ausstrahlen. Der logistische Umschlagplatz, den die Chinesen für ihre europäischen Export errichten, werde jährlich Einnahmen von 5 Milliarden Euro gerieren und 125 000 Arbeitsplätzen schaffen.(9)
Solche vollmundigen Voraussagen basieren freilich auf ungesicherten Annahmen: Zum einen geht man davon aus, dass die Chinesen auch das griechische Eisenbahnnetz aufkaufen, für das sie sich in der Tat interessieren. Zum andern wird unterstellt, dass der chinesische Exportboom in Richtung Europa ungebrochen anhält. Beide Annahmen werden in letzter Zeit zunehmend brüchig. Zudem muss man sich fragen, ob Griechenland gut beraten ist, das Filetstück seiner logistischen Infrastruktur nicht nur außer Hand, sondern in dieselben, nämlich chinesischen Hände zu geben.
Attraktive Flughäfen für Deutschland
Diese Frage stellt sich auch bei einer weiteren großen Privatisierung, die bereits abgeschlossen ist. Das deutsche Unternehmen Fraport hat – zusammen mit einem griechischen Oligarchen (10) – für 40 (optional 50) Jahre die Lizenz zum Betreiben und Ausbau von14 griechischen Flughäfen erworben. Dafür zahlt das Konsortium einmalig 1,23 Milliarden Euro, hinzu kommt eine jährliche Pachtsumme und eine Gewinnabgabe, die dem griechischen Staat in 40 Jahren knapp 8 Milliarden Euro einbringen kann.
Allerdings können die Gegner des Projekts eine Gegenrechnung aufmachen. Schon heute machen die 14 Flughäfen jährliche Gewinne von 150 Millionen Euro, die sich über die gesamte Pachtzeit auf 6 Milliarden Euro summieren würden. Fraport-Finanzchef Zieschang geht davon aus, dass ab 2017 die Erträge seines Unternehmens „allein durch die griechischen Flughäfen […] um gut 100 Millionen Euro“ zulegen werden.(11) Aber diese Summe wird beträchtlich steigen. Das Pachtkonsortium sieht ein hohes Wachstumspotenzial, vor allem bei den Flughäfen populärer Touristenziele wie Rhodos, Kos, Mykonos, Santorini und Korfu, die bereits 2014 und 2015 einen Passagierzuwachs von jeweils fast 20 Prozent erlebt haben.
Wie dieser Deal zustande kam, ist eine Geschichte für sich. Bei der Vergabe der Pachtlizenzen waren bis zum Schluss immerhin drei Interessenten im Rennen, was für griechische Privatisierungsvorhaben die absolute Ausnahme ist. Aber hat sich das deutsche Unternehmen wirklich nur „dank eines überzeugenden Angebots gegen starke Konkurrenz durchgesetzt“, wie Fraport-Chef Schulte behauptet hat?(12)
Eine unanständige Entscheidung der Troika-Zentralmacht
Zwei Besonderheiten des Verfahrens stechen ins Auge. Zum einen die Ausschreibung des Pachtvertrags für 14 Flughäfen, die durchweg hochprofitable Objekte sind. Bis Anfang 2013 war noch ein anderes Verfahren geplant: Die 37 Flughäfen waren in zwei Gruppen aufgeteilt, wobei beide eine Mischung von profitablen und defizitären Anlagen darstellten. Somit hätte der Käufer mit einem Teil seiner Gewinne defizitäre Flugplätze auf entfernteren Inseln subventionieren müssen. Dieses ausgewogene Design, das ein „Rosinenpicken“ verhindern sollte, wurde auf Betreiben der Troika verworfen. Deshalb wurden in das erste Privatisierungspaket nur 14 hochprofitable Objekte gepackt.
Es ist ein naheliegender Verdacht, dass diese Entscheidung auf die Zentralmacht der Troika, die deutsche Regierung, zurückgeht. Dieser Verdacht wird durch eine zweite Besonderheit des Verfahrens bestärkt: Zum „technischen Berater“ des Bieterverfahrens berief die Taiped die Lufthansa Consulting GmbH – die Tochter just jenes Unternehmens, das direkt an Fraport beteiligt ist (mit 8,45 Prozent). Hier liegt natürlich ein schwerwiegender Interessenkonflikt vor, der allen Regeln des Anstands – und der EU – für solche Auktionsverfahren zuwiderläuft. Das monieren auch die Autoren der zitierten TTI-Studie, die auf einen weiteren wunden Punkt verweisen.
Die Aktienmehrheit der Fraport AG gehört dem Bundesland Hessen und der Stadt Frankfurt (zusammen 51,35 Prozent), was bedeutet: Dank der Privatisierung öffentlichen Eigentums in Griechenland fließt ein Großteil der Gewinne aus den 14 profitabelsten griechischen Flughäfen 40 Jahre lang in öffentliche Haushalte des Gläubigerlands Deutschland. Damit geht dem griechischen Staat eine langfristige Einnahmequelle verloren, die für die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen viel wichtiger wäre als einmalige Privatisierungserlöse, die in die kurzfristige Schuldentilgung fließen.
Die Fraport aber wird ihre Chancen nutzen und ihre griechischen Gewinne ständig maximieren. Dabei setzt sie nicht nur auf steigende Passagierzahlen. Wie Finanzchef Zieschang angekündigt hat, wird vor allem eine „deutliche Vergrößerung und Optimierung der Handelsflächen“ angestrebt, um „recht zügig zusätzliche Umsätze zu generieren“.(13)
Für den Erfolg dieses Konzepts hat sich der Pächter optimale Bedingungen geschaffen, die im Kleingedruckten des Übernahmevertrags festgelegt sind. Zum Beispiel kann sie auf ihren Flughäfen allen alten Vertragspartnern und Mietern kündigen und neue Lizenzen vergeben, muss aber die hinausgeworfenen Firmen, Geschäfte oder Restaurants nicht entschädigen. Die Vertragsstrafen hat der griechische Staat zu zahlen. Und nicht nur das.
Die Griechen müssen auch Angestellte abfinden, die von der Fraport entlassen werden; sie müssen die Opfer von Arbeitsunfällen entschädigen, die auf Versäumnisse „eines der Vertragspartner“ zurückgehen, auch wenn diese „Vertragspartner“ der Pächter Fraport ist; sie müssen die Umweltgutachten finanzieren, die bei der Erweiterung eines Flughafens nötig werden. Ja, sie müssen sogar zahlen, wenn sich Ausbauarbeiten wegen archäologischer Funde verzögern.(14)
Ein absolut kontraproduktiver Deal
Diese kleingedruckte Abwälzung von Kosten auf den griechischen Staat ist nicht nur bodenlos zynisch, sie spricht auch den Prinzipien Hohn, die von der EU-Kommission selbst verkündet werden. „Die Privatisierung öffentlicher Unternehmen“ erklärte die Brüsseler Kommission im Oktober 2012, „trägt zur Reduzierung von Subventionen, anderen Transferleistungen oder Staatsgarantien für öffentliche Unternehmen bei“.(15)
Im Fall Fraport gilt das Gegenteil: Der Pächter der 14 Flughäfen hat sich den Anspruch auf umfangreiche Subventionen, Transferleistungen und Garantien des verarmten griechischen Staats gesichert. Und natürlich ist er von allen Immobilien- und Gemeindesteuern befreit und generell vor künftigen finanziellen Belastungen geschützt.
Die griechische Seite wiederum hat bei Entscheidungen, die ein wichtiger Parameter für den wichtigsten griechischen Wirtschaftszweig sind, nicht mehr mitzureden. Zum Beispiel bei den Landegebühren, die für die touristische Entwicklung einer Insel entscheidend sein können.
Die Verteidiger des Fraport-Deals machen geltend, dass die Sanierung von maroden und kundenfeindlichen Flughäfen – etwa in Korfu und Santorini – ohne ausländische Investitionen nicht zu finanzieren ist. Das stimmt und gilt unter den heutigen Bedingungen für die griechische Wirtschaft insgesamt.
Aber dann stellt sich die Frage, warum es nicht möglich sein soll, die griechischen Inselflughäfen mithilfe von Krediten der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu modernisieren. Das würde im Übrigen auch eine neutrale Fachaufsicht über die Planung und Kosteneffizienz des Programms garantieren. Solche produktiven Investitionen würden dem griechischen Staat sichere und wachsende Einnahmen verschaffen – statt der deutschen Fraport und einem griechischen Oligarchien die Bilanz zu sanieren.
Die Entscheidung, den Flughafen von Korfu an ein Frankfurter Unternehmen zu verpachten, hat den Bürgermeister der Insel fassungslos gemacht. „Unser Flughafen ist profitabel, also warum bitteschön sollte man ihn weggeben?“, fragte Kostas Nikolouzos. Gerade weil Griechenland so tief in der Krise steckt, dürfe man das Land nicht der Mittel berauben, „um Wohlstand und Profit zu schaffen, um die Schulden zurückzuzahlen, um wirtschaftlich voranzukommen“.(16)
Wie recht der Mann hat, lässt sich an dem Unternehmen zeigen, das als erster großartiger Privatisierungserfolg gefeiert wurde. Im Oktober 2013 wurden 33 Prozent des staatlichen Lotto- und Sportwettenanbieters Opap für insgesamt 712 Millionen Euro an das Konsortium „Emma Delta“ verkauft. Das Unternehmen, das dem Private-Equity-Fonds des Tschechen Jiri Smejc und dem griechischen Reeder Giorgos Melissanides gehört, war in der letzten Phase der einzige Bieter.
Der Opap-Skandal
Schon damals wurde der erzielte Preis von der Wirtschaftspresse als dürftiges Ergebnis bewertet. Das war stark untertrieben. 2012 hatte die schuldenfreie Opap einen Gesamterlös von 1,2 Milliarden Euro erzielt, in den Jahren zuvor lag der Gewinn noch höher. Gemessen an vergleichbaren Privatisierungsfällen hätte der Preis mindestens 3,5 Milliarden Euro betragen müssen.(17)
Inzwischen weiß man, dass der Deal noch aus anderen Gründen ein Skandal war. Wie die Zeitung Efimerida ton Syntakton aufdeckte, enthält der Kaufvertrag eine Vereinbarung über „spezielle Entschädigungen“ (specific indemnities) für den Fall, dass das Sportwetten-Geschäft mit Steuern oder Abgaben von mehr als 2 Millionen Euro belastet wird. Nachdem die Syriza-Regierung eine Abgabe von 5 Prozent pro Wettvorgang eingeführt hat, weigert sich die Opap, das Geld abzuführen. Zudem klagt sie gegen den griechischen Staat vor dem Londoner Internationalen Schiedsgericht auf Entschädigungszahlungen von 1 Milliarde Euro. Das ist der jährliche Gewinn, den sich das Unternehmen von der Einführung von Video-Lotterie-Terminals (VLT) versprochen hat, die sie durch neue staatliche Regelungen blockiert sieht.
Egal wie man zum Geschäft mit dem Glücksspiel steht – für den griechischen Staat wäre die weit bessere Lösung gewesen, die Opap-Anteile zu halten und die steigenden Erträge zu genießen. So steht es auch in einem Fachgutachten von 2010, das dem griechischen Staat empfahl, auf die Entwicklung weiterer Wettformate zu setzen, statt Unternehmensanteile zu verkaufen.
Im Sinne einer nachhaltigen Stabilisierung der Staatsfinanzen war der Opap-Verkauf also die schlechteste aller Optionen. Das gilt für die meisten Privatisierungsvorhaben, die in Griechenland unter Krisenbedingungen durchgezogen wurden oder noch geplant sind – mit Ausnahme der Veräußerung staatlicher Immobilien, die von privaten Investoren einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden.
Das heißt keineswegs, die Konservierung des alten Zustands zu rechtfertigen. Die beste Lösung wäre vielmehr ein dritter Weg zwischen Privatisierung und Klientelwirtschaft. Die meisten öffentlichen Unternehmen Griechenlands bedürfen tatsächlich einer radikalen Reform, der Beseitigung von Strukturen, die vor der Krise vor allem eine privilegierte Klientel bedient haben. Wer dem Land wirklich helfen will, sollte den Aufbau effizienter und sparsamer Dienstleister ermöglichen, die den Anspruch, dem „öffentlichen Interesse“ zu dienen, gegenüber Kunden wie Steuerzahlern endlich einlösen würden.
1) Sol Trumbo Vila und Matthijs Peters, “The Privatisation Industry in Europe”, Transnational Institute, Amsterdam, Februar 2016, S. 7 (www.tni.org/files/publication-downloads/tni_privatising_industry_in_europe.pdf).
2) Die fatalen Wirkungen dieser „Rettungsprogramme“ in Gestalt von mittlerweile drei „Memoranden“ habe ich in den Analysen dargestellt, die zwischen Dezember 2010 und September 2015 auf der Website www.nachdenkseiten.de erschienen sind.
3) Vila und Peters (Anm. 1), S. 11.
4) Umfrage bei: www.publicissue.gr/1733/private-sector/.
5) Public-Issue-Umfrage (Anmerkung 4). Siehe auch meine ausführliche Analyse „Über die griechischen Privatisierungsbemühungen“ in der deutsch-griechischen Zeitschrift Exantas Nr. 19, Dezember 2013 (auch auf www.nachdenkseiten.de/?p=17985).
6) Bericht in Kathimerini, 18. Juli 2012.
7) Das gilt auch für den bislang größten Immobiliendeal (Verkauf des Geländes des früheren Athener Flughafens Ellinikon) und den vereinbarten Verkauf von 49 Prozent des Gaslieferunternehmens Desfa an den aserbaidschanischen Staatskonzern Socdar (der wegen der Krise auf dem Gasmarkt inzwischen auf Eis gelegt ist).
8) Die Klausel besagt, dass Cosco lediglich belegen muss, „alles versucht zu haben“, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Diese und andere Details des Cosco-Deals wurden vor Kurzem auf der griechischen Website The Press Project (TPP) enthüllt: www.thepressproject.gr/article/87990/Ti-pragmatika-prosferei-i-Cosco-gia-ton-OLP.
9) Kathimerini, 21. Januar 2016.
10) Juniorpartner Dimitris Copelouzos ist ein griechischer Oligarch, der seine besten Geschäfte (Energie- und andere Infrastrukturprojekte) seiner politischen Vernetzung in Athen verdankt, aber auch seinen Kontakten mit Gazprom. Die Athener US-Botschaft zählt ihn zu „den zehn Top-Businessmen, die Geschäfte in Griechenland betreiben und ergattern können“. Zitiert nach:https://wikileaks.org/plusd/cables/07ATHENS649_a.html.
11) Interview mit Matthias Zieschang in der Börsen-Zeitung vom 27. Februar 2016, unter dem Titel: „Griechische Airports tun Ergebnis von Fraport gut“.
12) Pressemitteilung auf www.fraport.de vom 25. November 2014 (http://www.fraport.de/de/presse/newsroom/archiv/2014/fraport-konsortium-erhaelt-zuschlag-fuer-griechische-regionalflu.html).
13) Interview Zieschang (Anmerkung 11).
14) Diese und andere Details dokumentiert die Website TPP (Anmerkung 8) vom 22. Februar 2016 (www.thepressproject.gr/article/88058/Auti-einai-i-sumbasi-me-tin-Frapor)
15) In der Antwort an NGOs, die gegen die Privatisierung von Wasserwerken protestiert hatten, zitiert bei Vila und Peters (Anmerkung 1), S. 7.
16) ARD-Magazin „Report“ vom 23. Juli 2015.
17) Als üblicher Preis in der Brache gilt das 5- bis 7-Fache des Jahresgewinns. Siehe die ausführliche Darstellung des Opap-Deals in: Efimerida ton Syntakton, 6. Februar 2016 (www.efsyn.gr/arthro/i-empisteytikotita-enos-xepoylimatos).
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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner
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“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man selbst nichts zu sagen hat.” Edward Snowden.