Das sind die Panama Papers – Das System – die Recherche – die Daten – die Kooperation – die Entstehung – die Firma – im Mittelpunkt „der Deutsche“ Jürgen Mossack

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 03.04.2016

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Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: http://panamapapers.sueddeutsche.de/articles/56ff9a28a1bb8d3c3495ae13/

Das sind die Panama Papers

Von Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Vanessa Wormer und Wolfgang Jaschensky

Vor über einem Jahr kontaktierte eine anonyme Quelle die Süddeutsche Zeitungund übermittelte auf verschlüsseltem Weg interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca. Eine Firma, die weltweit anonyme Briefkastenfirmen verkauft, mit deren Hilfe sich wiederum so ziemlich alle Geschäfte verschleiern lassen. Auch die schmutzigen.

Aber es blieb nicht bei ein paar Dokumenten. Es wurden über die Monate mehr, bis am Ende rund 2,6 Terabyte Daten im Besitz der SZ waren: Das größte Leak, mit dem Journalisten je gearbeitet haben. Die Quelle verlangte dafür kein Geld und keine Gegenleistung, außer ein paar Maßnahmen zur Sicherheit.

Die Daten geben einen seltenen Einblick in eine Welt, die eigentlich nur im Verborgenen existieren kann. Sie belegen, wie eine globale Industrie, angeführt von großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars in aller Verschwiegenheit verwaltet.

Die Kooperation

Die Süddeutsche Zeitung hat sich dafür entschieden, die Dokumente gemeinsam mit dem International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) auszuwerten. Das ICIJ hatte zuvor bereits die Recherchen an Projekten wie Offshore-Leaks, Lux-Leaks und Swiss-Leaks koordiniert, an denen die SZ auch beteiligt war. Panama Papers ist die größte bislang dagewesene grenzüberschreitende Zusammenarbeit dieser Art: Rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern recherchierten in den vergangenen zwölf Monaten in den Dokumenten. Darunter waren zum Beispiel Teams des Guardian und der BBC in England, von Le Monde in Frankreich und La Nación in Argentinien. In Deutschland arbeiteten Journalisten von SZ, NDR und WDR mit, in der Schweiz die Sonntagszeitung, in Österreich das Wochenmagazin Falterund der ORF. Das genaue Vorgehen wurde bei mehreren Treffen in Washington, München, London und Lillehammer abgestimmt.

Die Entstehung

Die Daten

Die Panama Papers umfassen 11,5 Millionen Dokumente – mehr als die von Wikileaks veröffentlichten Botschaftsdepeschen, Offshore-Leaks, Lux-Leaks und Swiss-Leaks zusammen. Hauptsächlich handelt es sich um E-Mails, PDFs und Fotodateien sowie Auszüge aus einer internen Datenbank von Mossack Fonseca. Die Daten reichen von den 1970er-Jahren bis ins Frühjahr 2016.

Panama Papers, SZ
Panama Papers, SZ

Die Süddeutsche Zeitung überprüfte die Authentizität auf vielfache Weise, etwa durch den Vergleich mit öffentlichen Registern, Zeugenaussagen und Gerichtsurteilen. Hinzu kommt: Bereits vor gut zwei Jahren hatte ein Whistleblower den deutschen Behörden interne Daten von Mossack Fonseca verkauft. Dieser Datensatz ist wesentlich älter und erheblich kleiner – es handelt sich offenbar um Daten zu lediglich ein paar hundert Offshore-Firmen. Dadurch war es den SZ-Journalisten aber möglich, einen Teil der Dokumente abzugleichen.

Aufgrund der von den Behörden gekauften Daten durchsuchten Fahnder im vergangenen Jahr die Wohnungen und Büros von etwa 100 Personen, auch bei der Commerzbank fand eine Razzia statt. In der Folge erklärten sich die Commerzbank, die HSH Nordbank sowie die Hypovereinsbank wegen der Geschäfte mit Mossack Fonseca zu Strafzahlungen in Millionenhöhe bereit. Mittlerweile haben auch andere Länder Daten aus jenem kleineren Fundus erworben, etwa die USA, Großbritannien und Island.

Das System

Die Struktur der geleakten Daten sieht so aus: Für jede Briefkastenfirma hat sich Mossack Fonseca einen Arbeitsordner angelegt. Darin befinden sich E-Mails, Verträge, Abschriften, eingescannte Dokumente und weitere Schriftstücke, die mit der jeweiligen Offshore-Firma in Verbindung stehen. Manchmal mehrere tausend Seiten. Um den Berg an Dokumenten überhaupt durchsuchen zu können, mussten die Dateien zuerst indiziert, also systematisch erfasst werden. Die Süddeutsche Zeitung nutzte hierfür das Programm Nuix, mit dem auch internationale Ermittlungsbehörden arbeiten. Auf hochleistungsfähigen Rechnern brachten die Süddeutsche Zeitung und das ICIJ Millionen Dokumente in eine maschinenlesbare – und vor allem leicht durchsuchbare – Form. Dieser Prozess nennt sich „optical character recognition“ (OCR), optische Zeichenerkennung. Aus Bildern – eingescannten Ausweise, unterschriebenen Verträge – wurde recherchierbarer Text. Dieser Schritt war wichtig, damit die Journalisten einen möglichst großen Teil der Daten ähnlich wie bei Google über eine einfache Suchmaske durchforsten konnten.Durch die digitale Aufbereitung war es möglich, die Daten mit Hilfe von Listen zu durchsuchen – wichtige Politiker, internationale Verbrecher, bekannte Sportstars. Die Liste „Parteispenden-Affären“ umfasste am Ende 130 Namen, die UN-Sanktionsliste mehr als 600. In wenigen Minuten glich der mächtige Such-Algorithmus die Listen mit den 11,5 Millionen Dokumenten ab.

Panama Papers, SZ
Panama Papers, SZ

Die Recherche

Mit jedem gefundenen Namen begann eine aufwändige Recherchearbeit: Welche Rolle spielt die Person in dem Firmengeflecht? Woher kommt das Geld? Wohin fließt es? Ist das Konstrukt legal?Generell gilt nämlich: Der Besitz einer Offshore-Firma ist für sich nicht illegal. Es gibt auch eine Reihe von Geschäften, für die es logisch erscheint, zu einer Offshore-Firma zu greifen. Aber wer sich in den Panama Papers umsieht, stellt sehr schnell fest, dass es in der überwältigen Zahl der Fälle vor allem um eines geht: die Verschleierung der wahren Inhaber der Firmen. Das erschwerte auch die Arbeit der Journalisten. Oftmals halten die Vermittler der Offshore-Firmen – Banken, Anwälte, Vermögensberater – den Namen der Kunden nämlich geheim oder setzen Strohmänner ein. Tausenden Spuren gingen die Journalisten innerhalb der internationalen Kooperation nach und prüften Belege, studierten Verträge und sprachen mit Experten.

Tatsächlich finden sich unter den teilweise kriminellen Kunden Mossack Fonsecas Mitglieder diverser Mafia-Banden, Spuren zu Bestechungsskandalen und korrupten Staats- und Regierungschefs. Der spektakulärste Teil der Unterlagen ist der über die mutmaßlichen Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs – sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Daneben finden sich fast 130 weitere Politiker aus der ganzen Welt unter den Kunden der panamaischen Kanzlei, darunter viele Minister.

Die Firma

Die Firma im Zentrum aller Geschichten ist Mossack Fonseca, der panamaische Offshore-Dienstleister, der in Dutzenden Büros auf der ganzen Welt, etwa in Zürich, London oder Hongkong, seine Briefkastenfirmen verkauft. Für gar nicht mal so viel Geld, oft nur 1000 Dollar, bekommt man eine anonyme Firma, die zu diesem Zeitpunkt nur eine bloße Hülle ist. Gegen Aufpreis stattet Mossack Fonseca diese Firma mit sogenannten Scheindirektoren aus und verschleiert auf Wunsch auch den wahren Inhaber der Aktien dieser Firma. So bekommt man eine Offshore-Firma, deren Sinn und Eigentümer von außen nicht festzustellen sind. Mossack Fonseca hat Zigtausende dieser Firmen gegründet, verkauft und verwaltet. Die Dokumente geben ein detailliertes Bild davon ab, wie Mossack Fonseca Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt.

Die Firma

Von Hans Leyendecker, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Vanessa Wormer

Der Anblick ist schon aus der Ferne gewaltig: Dutzende Wolkenkratzer, säuberlich aufgereiht am Rande des Pazifiks. Stumme Zeugen eines Reichtums, der auch aus dem Geschäft mit dem geheimen Geld stammt. Landeanflug auf Panama City. Unten, vor der Küste, liegen die Containerschiffe, die auf die Einfahrt in den Panamakanal warten, am Horizont ist der Urwald zu erahnen. Irgendwo dazwischen, knapp hinter den Hochhäusern, liegt der Finanzdistrikt. Dort ist der Hauptsitz der Kanzlei Mossack Fonseca, die nicht nur Premierministern und Diktatoren geholfen hat, ihre Gelder zu verstecken, sondern auch Drogenkartellen, Mafia-Clans, Betrügern, Waffendealern und verbrecherischen Regimen wie Nordkorea oder Iran. Vielleicht kann man es so zusammenfassen: Mossack Fonseca half und hilft einigen der größten Schurken dieser Welt, ihre Machenschaften zu tarnen.

Im Mittelpunkt: die Kanzlei des Deutschen

Ihren Gründer Jürgen Mossack, 68, nennt dort unten im Finanzdistrikt kaum einer beim Namen. Er ist „der Deutsche“.

 

Er und seine Kanzlei verkaufen seit fast 40 Jahren anonyme Briefkastenfirmen, meist ausgestattet mit Scheindirektoren, um zu verschleiern, wer sich dahinter verbirgt. Mossack Fonseca ist einer der weltweit größten Anbieter dieser Dienste, und jetzt steht die Firma im Mittelpunkt der Panama Papers, eines Projekts, das bei der Süddeutschen Zeitung seinen Anfang nahm.

Beginnend vor etwas mehr als einem Jahr wurden der SZ über Monate hinweg interne Daten von Mossack Fonseca zugespielt – insgesamt 2,6 Terabyte. In diesem riesigen Datenhaufen recherchierten in den vergangenen zwölf Monaten rund 400 Investigativ-Reporter aus mehr als 80 Ländern, von mehr als 110 Medien, koordiniert von der SZ und dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ) in Washington.

Man tut sich schwer, die spektakulärsten Fälle zu nennen. Ist es die Spur, die offenbar zu Wladimir Putins innerstem Zirkel führt – und zu Hunderten Millionen US-Dollar? Sind es die Offshore-Firmen des aktuellen Premierministers von Island und zwei seiner Minister? Ist es das Treiben der korrupten Fifa-Funktionäre, oder ist es die Briefkastenfirma von Barcelonas Superstar Lionel Messi?

Es geht aber nicht nur um die Kunden. Aus den Unterlagen geht auch hervor, dass sich Mossack Fonseca, kurz Mossfon, mutmaßlich bisweilen nicht an Gesetze gehalten hat: Unter dem Schutz von Mossfon wurden offenbar Sanktionen gebrochen, Beihilfe zur Hinterziehung geleistet und mit Geldern aus illegaler Herkunft gearbeitet. Belege dafür, dass Mossfon-Mitarbeiter über ihre zweifelhaften Kunden Bescheid wussten, finden sich an etlichen Stellen. Dafür sorgen die mehr als elf Millionen Dokumente des Leaks, darunter alleine rund fünf Millionen E-Mails.

Mossack Fonseca hat durch dieses Leak das verloren, was die Firma im Innersten ausmacht: absolute Geheimhaltung.

Eine Spurensuche in Panama-City

Die Fahrt vom Flughafen in den Finanzdistrikt der Stadt ist eine Fahrt durch die Extreme, die Panama prägen. Nur wenige hundert Meter von den enggedrängten Hütten der Slums ragen die in der Sonne glitzernden Fassaden der Wolkenkratzer in die Höhe, verkantet, schräg oder eingedreht. Der Sitz von Mossack Fonseca, ein verglastes, dreistöckige Gebäude, wirkt neben den futuristischen Hochhäusern wie aus der Zeit gefallen.Vor dem Eingang patrouillieren Wächter, und am Empfang – das geht aus internen E-Mails hervor – liegt eine Liste von unerwünschten Personen aus. Journalisten sind gerade besonders unerwünscht.

Auch die Süddeutsche Zeitung bekommt kein Interview mit Jürgen Mossack. Eine Sprecherin erklärt, die Partner der Kanzlei gäben grundsätzlich nie Interviews. Auf einen Brief mit Fragen, der an seine Privatadresse geht, antwortet Jürgen Mossack per E-Mail: Die Antwortfrist sei zu kurz bemessen. Man erklärt ihm, er könne sich auch mehr Zeit nehmen, kein Problem. Es kommt keine Antwort.

Jürgen Mossack, Christoph Zollinger und Ramón Fonseca (von links)
Jürgen Mossack, Christoph Zollinger und Ramón Fonseca (von links)

Seine Kanzlei Mossack Fonseca lässt rund 50 konkrete Fragen zu ihrem Tun unbeantwortet. Sie verschickt lediglich ein Statement mit Allgemeinen Aussagen, und der Erklärung, Mossack Fonseca halte sich stets an alle Gesetze.

Es ist kein Zufall, dass die Kanzlei „des Deutschen“ ausgerechnet in Panama floriert. In keinem anderen Land dieser Welt ballen sich die Offshore-Dienstleister derart wie in Panama, das wie eingeklemmt zwischen Costa Rica und Kolumbien genau da liegt, wo der amerikanische auf den lateinamerikanischen Kontinent stößt. Hier, in den Tropen, schlägt das Herz der Offshore-Welt.

Jürgen Mossack wird 1948 Tausende Kilometer entfernt geboren, im Fürther Rathausstift. Seine Familie, die Mutter Verkäuferin, der Vater Maschinenbauer, verlässt Deutschland Anfang der Sechzigerjahre in Richtung Panama. Hier geht Jürgen Mossack zur Schule und studiert anschließend Jura. Nach dem Examen arbeitet er bei Kanzleien in Panama und in London, bevor er 1977 in Panama-Stadt seine eigene Kanzlei gründet: die Jürgen Mossack Lawfirm.

Zu dieser Zeit herrscht eine Militärjunta unter dem korrupten General Omar Torrijos, die 1983 abgelöst wird von Diktator Manuel Noriega. Für Mossacks Anwaltskanzlei, die sich auf Briefkastenfirmen spezialisiert, laufen die Geschäfte dennoch. Tatsächlich wurde Panama unter Noriega – der auf dem Gehaltszettel diverser Drogenhändler stand – zum Bankenzentrum des kolumbianischen Medellín-Kartells. Eben weil man dort ganz hervorragend seine Geschäfte fernab der Öffentlichkeit abwickeln konnte, verlässlich und sicher.

Mindestens einer der großen Drogenbosse dieser Zeit, der Mexikaner Caro Quintero, war unter Jürgen Mossacks Kunden. Quintero ließ 1985 einen US-Agenten entführen, foltern und töten, daraufhin starteten die USA eine wütende Jagd auf ihn. Im April 1985 wurde Quintero verhaftet – nur ein paar Tage zuvor hatte ein Mittelsmann bei Mossacks Kanzlei eine Firma gründen lassen, in die Vermögen von Quintero floss, eine Villa in Costa Rica etwa. Als Scheindirektor fungierte Jürgen Mossack.

In einem internen Mail-Verkehr, in dem es um besagte Villa geht, schreibt Jürgen Mossack:

Jürgen Mossack, 21. März 2005, 12:28 Uhr

Verglichen mit R. Caro Quintero war Pablo Escobar ein Säugling. Ich möchte nicht zu denen gehören, die er besuchen wird, wenn er aus dem Gefängnis kommt.

Über die Jahre erwirbt sich „der Deutsche“ in Panama einen gewissen Ruf. Er sei nicht sonderlich wählerisch, was seine Kunden angehe, heißt es, und im Umgang sei er eher direkt, aufbrausend, durchsetzungsstark. Kein Freund großer Worte, aber einer der schnellen Entscheidungen. Besser, man habe ihn auf seiner Seite, sonst könne es unangenehm werden. Derjenige, der das erzählt, hat beide Erfahrungen hinter sich.

Im Frühjahr 1986 tat sich Mossack mit dem panamaischen Anwalt Ramón Fonseca Mora zusammen, es entstand die Kanzlei Mossack Fonseca. Heute ist Ramón Fonseca, 64, in Panama ein politisches Schwergewicht: Er war Berater mehrerer Präsidenten, ist stellvertretender Vorsitzender der Regierungspartei Panameñista und hat derzeit einen Sitz im Kabinett des aktuellen Präsidenten Juan Carlos Varela inne.

Auch Ramón Fonseca bekam Mitte März eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung zu allen Vorwürfen. Auch Fonseca beantwortete die Fragen nicht. Aber einige Tage später erklärte er, seine Posten als Präsidentenberater und Vize-Chef der Regierungspartei vorläufig ruhen zu lassen. Fonseca, der auch ein preisgekrönter Schriftsteller ist, führte auf Twitter aus, er tue dies, um „seine Firma und seine Ehre zu verteidigen“.

Die Kommentarspalten panamaischer Webseiten bebten von der Wut seiner Verehrer auf all die, die gegen das angeblich so saubere Offshore-Geschäft agitierten.

In offiziellen Stellungnahmen erklärt Mossack Fonseca immer wieder, die Firma würde nicht direkt mit Endkunden arbeiten. Sondern nur mit den Vermittlern, also Banken oder Vermögensverwaltern. Tatsächlich stattet Mossfon ihre Endkunden, wenn gewünscht, sogar mit anonymen E-Mail-Adressen aus, unter Tarnnamen wie „Winnie Pooh“ und „Harry Potter“, „Kämpfer“ oder „Azkaban“, „Vater“, „Tochter“ oder „Sohn“. Das klingt dann selbt in förmlichen Wendungen so:

Von: Mossfon Trust Corporation An: Winnie Pooh, Mitwoch, 30. April 2008

Sehr geehrter Herr, wir beziehen uns auf unser Meeting mit Harry Potter und unseren Anruf vor zwei Tagen.

Ist das jetzt eine normale Kundenbeziehung?

Tatsächlich hört man über die „Firma des Deutschen“, dass sie die Regeln und Vorschriften der Branche wohl nicht ganz so streng umsetzt, wie sie vorgibt. So sei es kein Wunder, dass Mossack Fonseca in den vergangenen Jahren immer wieder in Skandale verwickelt wurde.

Das Prinzip von Mossack Fonsecas Geschäftsmodell ist einfach: Für oft nur 1000 Dollar bekommt man eine anonyme Firma. Gegen Aufpreis stattet Mossfon diese Firma mit sogenannten Scheindirektoren aus und verschleiert damit den wahren Inhaber. Nach außen ist die Firma eine Black Box, niemand sieht, was drinnen vorgeht.

 

Generell gilt: Der Besitz einer solchen Offshore-Firma ist für sich nicht illegal. Es gibt auch eine Reihe von Geschäften, für die es eine logische Wahl zu sein scheint, zu einer Offshore-Firma zu greifen. Aber wer sich in den Panama Papers umsieht, stellt sehr schnell fest, dass es in der überwältigen Zahl der Fälle vor allem um eines geht: zu verschleiern, wem die Firma in Wahrheit gehört. 

Sie belegen, wie die globale Offshore-Industrie im Verbund mit großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, in aller Verschwiegenheit die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars verwaltet. 

Igor Angelini, Chef der Finanzermittlungseinheit von Europol, erklärt, dass Briefkastenfirmen auch eine „wichtige Rolle bei Geldwäsche-Aktivitäten im großen Maßstab“ spielen. Gleiches gelte für Korruption: Offshore-Firmen würden besonders genutzt, „um die Bestechungsgelder weiterzuleiten“. Mossfon hat in den fast 40 Jahren seiner Existenz Hunderttausende solcher Firmen gegründet, verkauft und verwaltet, in Panama, auf den Britischen Jungferninseln oder in anderen Steueroasen. 

Auch die Filialen und Partnerbüros von Mossack Fonseca verteilen sich über die ganze Welt.

 

Die Welt der Offshore-Geschäfte ist eine eigene Welt mit speziellen Vorgehensweisen. In den Panama Papers finden sich verschiedene Dokumente, die einen detaillierten Einblick in die Geschäfte mit Briefkastenfirmen geben. Aus Millionen dieser Dateien und Dokumente ergibt sich ein interessantes Bild.

Ein Beispiel: Einzelne von Mossack Fonseca eingesetzte Personen fungierten etwa als Scheindirektoren Hunderter oder Tausender Firmen. Diese Personen unterschrieben Blanko-Vorlagen für Dokumente oder Verträge, mutmaßlich ohne zu wissen was mit ihrer Unterschrift und diesen Dokumenten später passieren würde. Je nach Vorhaben des Mossfon-Kunden im Hintergrund wurden die Dokumente später mit dem passenden Vertragstext ausgestattet.

So sehen diese Blanko-Dokumente aus:

Zuletzt wurden vor wenigen Wochen mehrere Mitarbeiter des brasilianischen Mossfon-Büros vorübergehend festgenommen. Sie sollen in den sogenannten Lava-Jato-Skandal verwickelt sein, einen der größten Korruptionsskandale Lateinamerikas. Mehrere Milliarden US-Dollar sollen in dunklen Kanälen verschwunden sein. Eine Mitarbeiterin soll Dokumente vor der Polizei versteckt und schließlich vernichtet haben. Ein brasilianischer Staatsanwalt erklärte, es gebe Beweise dafür, dass Mossack Fonseca eine „riesige Geldwaschanlage“ sei.

Auch in Deutschland wird nach SZ-Informationen schon länger gegen die Verantwortlichen von Mossack Fonseca ermittelt. Deutsche Fahnder hatten vor einiger Zeit interne Mossack-Fonseca-Daten von einem Whistleblower gekauft. Dieses Material enthält zwar nur einen Bruchteil der Panama Papers – aber schon das reichte aus, um eine Razzia bei der Commerzbank durchzuführen und rund hundert Hausdurchsuchungen bei Endkunden und Bankern. Die Commerzbank willigte am Ende ein, 17 Millionen zu bezahlen, damit das Verfahren eingestellt wurde.

Die Prognose fällt nicht schwer: Es wird weitere Verfahren geben, nach den Veröffentlichungen in mehr als 80 Ländern.

Einer, der davon möglicherweise auch betroffen sein wird, ist der Schweizer Christoph Zollinger. Er fungierte etliche Jahre als dritter Partner der Kanzlei, zog sich aber vor einiger Zeit weitgehend aus der Firma zurück. Der Grund dafür sei gewesen, behauptet er nach rund 15 Jahren bei Mossack Fonseca, dass er sich „nicht mit dem Offshore-Business als solches identifizieren“ könne.

Wer in diesen Tagen in Panama in Cafés und Büros mit Leuten aus der Finanzbranche redet, mit Anwälten, Konkurrenten oder ehemaligen Geschäftspartnern von Mossack Fonseca, der trifft auf viel Verständnis. Und auf den Stolz der Branche, auf das Gefühl, als winziges Land viel erreicht zu haben. Dass Panama weltweit als Steueroase gilt, noch immer auf der schwarze Liste der EU steht, und gerade erst von der grauen Liste der OECD gestrichen wurde? Dass Mossack Fonseca schon vor den Enthüllungen der Panama Papers mit den Helfern von Diktatoren in Verbindung gebracht wurde? All das wird auf den Neid und die Missgunst anderer Länder geschoben. Die panamaische Elite ist eine kleine, eingeschworene Gesellschaft.

In dieser Gesellschaft ist Jürgen Mossack eine Autorität. Er ist zwar – anders als Ramón Fonseca – niemand, der den öffentlichen Auftritt zelebriert. Aber auch er weiß die Insignien der Macht zu schätzen. Etliche Jahre war er im „nationalen Rat für Außenbeziehungen“ der panamaischen Regierung, er ist angesehenes Mitglied im Rotarier-Club und diversen Berufsverbänden, er legte sich einen Helikopter zu, eine Yacht, stattliche Karossen.

Insignien des Reichtums: Helikopter und Chevrolet Tahoe
Insignien des Reichtums: Helikopter und Chevrolet Tahoe

Das Offshore-Geschäft ist für Menschen wie ihn ein äußerst einträgliches, Jürgen Mossack, „der Deutsche“, ist offenkundig vielfacher Millionär.

Wer durch die Straßen des Villenviertels Altos de Golf kreuzt, in dem Jürgen Mossack hinter einer hohen Mauer in einer schicken Villa lebt, hat das Gefühl, er sei hier durchaus standesgemäß untergekommen. Vor den Häusern stehen grobschlächtige Geländewagen und teure Limousinen, von den Ecken der Grundstücksmauern beobachten Kameras die Besucher, Stacheldraht, Elektrozäune und Wachleute sollen Eindringlinge abhalten. Zwei ehemalige panamaische Präsidenten wohnen nicht weit von ihm, auch Diktator Manuel Noriega hatte in den Achtzigern hier residiert.

Waffen-SS, CIA, BND

Als Jürgen Mossack in Panama zum erfolgreichen Geschäftsmann avanciert, ist seine Familie längst wieder in Deutschland. Die Eltern kehrten offenbar Anfang der Siebzigerjahre zurück, ebenso seine Schwester und sein Bruder, der inzwischen Honorarkonsul der Republik Panama in Wiesbaden ist. Die Eltern zogen wieder nach München, wo der Vater, Erhard Mossack, direkt nach dem Zweiten Weltkrieg von US-Truppen festgesetzt worden war. Mossack, ein Waffen-SS-Mann, der im Krieg als Rottenführer in einem Totenkopf-Regiment gedient hatte, soll eine Liste von NS-Widerstandskämpfern gehabt haben.

 

Und damit nicht genug: Eine SZ-Anfrage zu Erhard Mossack kommt vom Bundesnachrichtendienst ohne Auskunft zurück. Dort lägen zwar Dokumente vor, diese könnten jedoch „das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder“ gefährden.

Und welche Ironie, dass auch der Sohn dieses Mannes mit allen Seiten Geschäfte macht: Die geleakten Dokumente zeigen CIA-Leute ebenso wie BND-Mitarbeiter, Waffenschmuggler, Drogenhändler oder Helfer des nordkoreanischen oder des iranischen Regimes: Rami Makhlouf, den Cousin des syrischen Diktators Baschar Al-Assad. Makhlouf gilt als Finanzier des Regimes, deswegen steht er seit Jahren auf so gut wie allen Sanktionslisten. Er bringt den Panama Papers zufolge – auch über Offshore-Firmen von Mossfon – Geld heran, mit dem Assad dann Giftgas herstellen, Foltergefängnisse unterhalten kann. Makhlouf ist schon fünfzehn Jahre Kunde, als die Mossfon-Compliance-Abteilung Anfang 2011 warnt und dafür wirbt sich von ihm zu lösen. Die Partner sind nicht beeindruckt. Christoph Zollinger, der Schweizer, antwortet und wischt die Bedenken beiseite. Er schreibt, er sehe keine Fakten, nur Gerüchte. Zollinger sagt heute, diese Entscheidung sei ein Fehler gewesen.

Im Frühjahr 2015 fragt der Schweizer Tagesanzeiger Mossack Fonseca, warum man mit dem Assad-Cousin Geschäfte gemacht habe. Eine Sprecherin antwortet:

 

„Mossack Fonseca WUSSTE NICHT, dass Herr Makhlouf oder irgendwelche andere Assad-Verbündete indirekt unsere Dienstleistungen nutzen oder missbrauchen!“

Wissentlicher Sanktionsbruch, das könnte für Jürgen Mossack zum Problem werden. Denn „der Deutsche“ besitzt, soweit man weiß, noch immer die deutsche Staatsbürgerschaft. Damit drohen ihm, sollte er tatsächlich geholfen haben, UN-Sanktionen zu umgehen, mehrere Jahre Haft. Nicht sein einziges Problem in diesen Tagen.

Die Stellungnahmen von Mossack Fonseca zu diesen Recherchen dokumentiert die Süddeutsche Zeitung hier  

Doppeltes Spiel

Von Thomas Kistner, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Mauritius Much

Es war ein hartes Jahr für die Fifa: Ermittlungen der US-Bundespolizei FBI, Verhaftungen, Sperre für Sepp Blatter – eine Menge Arbeit auch für die scheinbar letzte Bastion der Aufrechten im Fußball-Weltverband, die Fifa-Ethikkommission. Das Gremium suspendierte den Präsidenten, zog Uefa-Chef Michel Platini, Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke sowie etliche weitere Spitzenfunktionäre aus dem Verkehr. Auch um Franz Beckenbauer, Chef des Organisationskomitees der WM 2006, und dessen Sommermärchen-Kombattanten hatten die Ethiker sich zu kümmern.

Die Glaubwürdigkeit der Kommission lebt vor allem von der persönlichen Integrität ihrer führenden Köpfe. Der Schweizer Jurist Cornel Borbély etwa hat schon einige harte Ermittlungsverfahren geführt, und der deutsche Chef der Spruchkammer, Hans-Joachim Eckert, war Strafrichter am Landgericht München. Man könnte erwarten, dass auch die Mitglieder der beiden Kammern handverlesen sind, als Korrektiv im angeschlagenen Verband. Manche der 14 Mitglieder wurden zu Blatters Zeiten berufen, drei sind seit Kommissionsgründung am 23. Oktober 2006 dabei. Einer von ihnen: Juan Pedro Damiani.

Voruntersuchung gegen Juan Pedro Damiani

Damiani, ein einflussreicher Anwalt aus Uruguay, ist einer der reichsten Männer seines Landes und Präsident des dort beliebtesten Fußballklubs, Peñarol Montevideo. Er sitzt in Eckerts Kammer über mutmaßlich korrupte Fifa-Mitglieder zu Gericht. Nun hat er selbst ein Problem: Die Ethikkommission hat wegen der Panama Papers eine Voruntersuchung gegen ihr eigenes Mitglied eingeleitet.

Denn zu Damianis Spezialitäten zählt offenbar auch das Verwalten von Briefkastenfirmen. Seine Kanzlei J. P. Damiani ist ausweislich der Panama Papers einer der wichtigeren Kunden des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca (Mossfon): Rund 400 Firmen wurden oder werden von ihr betreut, darunter etliche, die in Skandale involviert waren. Ausgerechnet der Fifa-Ethiker Damiani war demnach auch Verwalter von Firmen, über die womöglich Fifa-Leute bestochen wurden.

Die Panama Papers zeigen, dass sich unter den Briefkastenkunden seiner Kanzlei auch drei Angeklagte im Fifa-Skandal befinden: sein Landsmann Eugenio Figueredo, ehemaliger Fifa-Vizepräsident, sowie die argentinischen TV-Rechtehändler Hugo Jinkis und dessen Sohn Mariano.

Vater und Sohn Jinkis sollen, so der Vorwurf der Ermittler der US-amerikanischen Bundespolizei FBI, Millionen an Schmiergeld für hohe Fifa-Funktionäre gezahlt haben, um günstig Fernsehrechte zu bekommen, die mit hohem Gewinn weiterveräußert werden sollten – zum Beispiel die Rechte für die Copa América, das südamerikanische Pendant zur Europameisterschaft. Als Vehikel für verdeckte Zahlungen sollen die Jinkis Briefkastenfirmen genutzt haben. Das US-Justizministerium erhob im Mai 2015 Anklage gegen sie und zwölf andere Personen, im Dezember 2015 gegen weitere 16, die auch mit Korruptionsvorwürfen zu tun haben sollen.

In den US-Anklagepapieren taucht immer wieder der Firmenname Cross Trading auf. Etliche Schmiergeldtransfers für die TV-Rechte-Deals sollen demnach über Cross-Trading-Konten gelaufen sein. Die Panama Papers zeigen nun: Hugo und Mariano Jinkis haben drei Briefkastenfirmen bei Mossfon gründen lassen, alle mit dem identischen Namen – Cross Trading. Sie sitzen in drei verschiedenen Steueroasen: auf der Insel Niue im Südpazifik, im US-Bundesstaat Nevada und auf den Seychellen. Die Firmen auf Niue und in Nevada verwaltete die Kanzlei J. P. Damiani.

Laut US-Anklage sollen zum Beispiel am 17. Juni 2013 fünf Millionen US-Dollar auf das Konto einer der drei Cross-Trading-Firmen bei der Hapoalim Bank in Zürich überwiesen worden sein. Das Jinkis-Duo hatte zuvor, gemeinsam mit anderen in den USA angeklagten Vermarktern, eine Agentur namens Datisa gegründet und darüber die Rechte der Copa-América-Turniere von 2015 bis 2023 sowie der Copa Centenario, des panamerikanischen „Jahrhundert-Turniers“, für 317 Millionen US-Dollar erworben. Im Gegenzug sollten insgesamt 110 Millionen Dollar an die Verantwortlichen zahlreicher Lateinamerika-Verbände fließen. 40 Millionen sollen schon gezahlt worden sein, als die Schweizer Polizei am 27. Mai 2015 auf Antrag der USA in Zürich sieben Fifa-Funktionäre festnahm. Die fünf Millionen für Cross Trading stuft das FBI als Ausgleichszahlung zwischen den beteiligten Schmiergeldfirmen ein.

Ein anderer Deal, bei dem die Briefkastenfirmen laut US-Anklage genutzt worden seien, soll so gelaufen sein: Im Herbst 2011 laden Vater und Sohn Jinkis die Verbandschefs von Honduras, Panama und ein Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees in ein Haus in Uruguay ein. Die drei Funktionäre sichern den Rechtemaklern zu, bei der Beschaffung von Vermarktungsrechten zu helfen, etwa für den Gold Cup in den USA. Die drei werden dafür belohnt: Einer erhält rund 250 000 US-Dollar, die anderen beiden je 100 000. Auch diese 450 000 US-Dollar stammen offenbar von einem Konto einer der Cross-Trading-Firmen.

 

Auf Anfrage von SZ und ICIJ äußerten sich Hugo Jinkis und Mariano Jinkis nicht zu den Vorwürfen.

Die Panama Papers zeigen nun, dass Damianis Kanzlei von der Gründung der ersten Cross Trading im Jahr 1998 auf der Karibikinsel Niue bis zur Abwicklung jener Firma in Nevada 2015 involviert war. E-Mails legen nahe, dass er sich persönlich einmischte, wenn er die Vertraulichkeit von Kunden gefährdet sah: Als etwa Mossfon-Mitarbeiter einen Umschlag mit heiklen Dokumenten geöffnet hatten, der zu Händen einer Cross Trading geschickt worden war, ging prompt eine Beschwerde von Damiani an Mossack Fonseca.

Bei wichtigen E-Mails, die zwischen seiner eigenen Kanzlei und Mossfon gewechselt wurden, war Damiani als Empfänger in Kopie gesetzt. Er hätte also manches wissen können, was in den Firmen der Jinkis vor sich ging, weil etwa Vertragsunterlagen auch an seine Adresse geschickt wurden. Die Kundenberater bei Mossfon wussten auch, dass sie es mit besonderen Leuten zu tun hatten. In einer E-Mail heißt es über die Jinkis, es handele sich um Kunden, die „ein spezielles Konzept von Vertraulichkeit“ erwarteten. Diese Vertraulichkeit organisiert hat Juan Pedro Damiani.

Auch wenn man zu dessen Gunsten annimmt, dass er bis zur Anklage der US-Justiz im Mai 2015 nichts von den Geschäftspraktiken des Jinkis-Duos wusste: Spätestens dann hätte der Anwalt aus Uruguay seine Verstrickung gegenüber der Fifa offenlegen müssen. Nach SZ-Informationen hat Damiani genau das aber bis Anfang April 2016 nicht getan. Auf Anfrage nimmt die Fifa dazu keine Stellung. Damiani lässt die Frage nach seiner Tätigkeit für Hugo und Mariano Jinkis unbeantwortet.

Der Fall Damiani ist doppelt brisant, weil der uruguayische Anwalt tatsächlich auf beiden Seiten der Korruptionsaffäre involviert ist. Seine Kanzlei organisierte nicht nur Briefkastenfirmen für diejenigen, die angeklagt sind, Schmiergeld gezahlt zu haben, sondern auch für einen, bei dem Schmiergeld angekommen sein soll.

Aufgeschreckt durch die Verhaftung

So arbeitete Damiani seit Ende der 90er-Jahre auch für Eugenio Figueredo, 84, den ehemaligen Fifa-Vizepräsidenten. Figueredo steht in Verbindung zu elf Offshore-Firmen, die von Mossfon gegründet wurden – mitsamt Scheindirektoren, um die wahren Besitzer zu verschleiern. Die meisten der Firmen, sieben, wurden von Damianis Kanzlei verwaltet und besitzen eine Reihe von Immobilien. Noch im Februar 2015 organisierte die Kanzlei Damiani eine Vollmacht für Figueredos Frau, wodurch sie für eine der Firmen handeln konnte – eine Firma, die inzwischen von uruguayischen Ermittlern durchleuchtet wird.

Aufgeschreckt wurden die Helfer bei Mossfon und in Damianis Kanzlei erst, als Figueredo am 27. Mai 2015 in Zürich verhaftet wurde. Am nächsten Tag jagten, zeigen die Panama Papers, aufgeregte E-Mails hin und her; Mossfon ließ die Scheindirektoren von Figueredos Firmen zurücktreten und die Vollmacht für dessen Frau widerrufen. Wenige Tage später, im Juni 2015, überlegte die Leiterin der Mossfon-Compliance-Abteilung in einer internen Mail, ob man bei Figueredos Immobilien ausschließen könne, dass das Geld dafür „aus dem Thema Fifa stammt“. Sie fragte: „Haben wir dafür Beweise in den Unterlagen über die Gesellschaft?”

Ende 2015 soll Figueredo, der inzwischen nach Uruguay ausgeliefert worden war, bei einer Befragung zugegeben haben, Schmiergeld kassiert zu haben; das schrieb die uruguayische Wochenzeitung Busqueda, die nach eigenen Angaben Unterlagen aus Figueredos Befragung einsehen konnte. Die Höhe soll Figueredo demnach auf rund 50 000 Dollar pro Monat beziffert haben. Er soll auch dargelegt haben, wie er das Geld reinvestiert habe, nämlich indem er illegale und legale Einkünfte vermischt und damit vor allem Immobilien in Uruguay gekauft habe. Figueredo soll erklärt haben, für die Immobilienkäufe panamaische Gesellschaften benutzt zu haben, die er von Damianis Kanzlei erhalten habe.

Im Januar 2016 sagte Damiani zum Fall Figueredo in Montevideo vor Gericht aus. Er erwähnte jedoch nur drei Offshore-Firmen, die er vermittelt haben will – statt der sieben, die in den Panama Papers zu finden sind.  

Er sagte, seine Kanzlei habe nie Honorar von Figueredo erhalten und „niemals Güter versteckt“. Außerdem habe seine Kanzlei „die wenigen Informationen“, die man über die Firmen besessen habe, schon an die Ermittler weitergeleitet.

Wenige Informationen? Das erstaunt, weil seine Kanzlei ausweislich der Panama Papers auf Bitten von Mossfon eine ziemlich genaue Auflistung des Vermögens schickte, das ihres Wissens in den Briefkastenfirmen liege: eine Reihe Immobilien und ein Bankkonto. In dieser Mail vom 29. Mai 2015 ist auch von mehr als nur von drei Firmen die Rede.

Auf Anfrage von SZ und ICIJ im März erklärt ein Sprecher Damianis, wegen der laufenden Untersuchungen könne dieser nur beschränkt Auskunft erteilen. Damiani habe aber die Behörden und auch die Fifa-Ethikkommission informiert.

Ein Sprecher der Fifa-Ethikkomission bestätigt das auf Anfrage – allerdings habe Damiani das Gremium am Abend des 18. März 2016, einen Tag nach der Anfrage der SZ an ihn, über seine Geschäftsverbindung zu Eugenio Figueredo informiert. Daraufhin habe die Ethikkommission am nächsten Tag eine Voruntersuchung eingeleitet, um die Sachlage zu klären.

Die Kanzlei Mossack Fonseca erklärt, sie hätte nicht das geringste Anzeichen dafür, dass die von J. P. Damiani verwalteten Firmen mit irgendwelchen Unregelmäßigkeiten zu tun hätten.

Der Ethikhüter Juan Pedro Damiani: Nun ist er ein Fall für seine Kollegen.

Mitarbeit: Catherine Boss, Marcos García Rey

Putins beste Freunde

Von Petra Blum, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Der russische Musiker Sergej Roldugin ist ein Rätsel. Er hat eine ordentliche Künstlerbiografie, ist ausgebildeter Cellist, offenbar ein recht guter sogar: Geschult am Konservatorium von Leningrad, spielte er später im Sankt Petersburger Mariinski-Theater das erste Cello und gab Konzerte in vielen Ländern, auch in Deutschland. Dann leitete er das Sankt Petersburger Konservatorium. Er bekam Auszeichnungen, 1980 etwa den dritten Preis beim Internationalen Prager Frühlings-Festival. Heute führt er das von ihm gegründete Music House in Sankt Petersburg, eine Eliteschule für russische Solomusiker. Eben ein ordentliches, aber auch kein besonders aufregendes Künstlerleben.

Würde Sergej Roldugin nicht, wie er in einem Interview der New York Times erzählte, gelegentlich interessante Privatkonzerte geben: bei Wladimir Putin zu Hause.

Wäre er nicht ein enger Freund des russischen Präsidenten.

Wäre er nicht wahrscheinlich sogar: Putins bester Freund.

Schon ohne die Verbindung des Cellisten zu Putin wäre der Fund in den Daten der Panama Papers zumindest erstaunlich. Ein Geschäftsmann, sagte Roldugin einmal, sei er nicht. Und doch taucht sein Name in den Dokumenten immer wieder in Verbindung mit gleich mehreren Firmen auf. Er wird als Eigentümer genannt, man findet eine Kopie seines Passes in den Unterlagen, mehrere Dokumente tragen offensichtlich Roldugins Unterschrift.

Die Daten zeigen auch, dass offenbar viele Millionen US-Dollar an Roldugins Briefkastenfirmen geflossen sind, die im Zentrum eines Netzes von Offshore-Firmen sitzen. Die Firmen in diesem Netzwerk besaßen demnach Aktienoptionen für einige der wichtigsten Konzerne Russlands, über sie flossen offenkundig Kredite in dreistelliger Millionenhöhe, und es wurden seltsame Geschäfte abgewickelt. Binnen weniger Jahre wurden, das zeigen die Daten, rund zwei Milliarden Dollar durch dieses Offshore-Geflecht geschleust.

Der Künstler, der Staatschef und das versteckte Geld: Was es damit auf sich hat, ist wohl die spektakulärste Geschichte, die sich in den 2,6 Terabyte Daten des Offshore-Providers Mossack Fonseca (Mossfon) finden lässt.

Schon seit Jahren wird spekuliert, dass Putin über ein geheimes Vermögen verfügen könnte. Doch noch nie führte die Spur des Geldes so nah an Putin heran wie durch die Panama Papers.

Das Foto

Patenonkel Sergej Roldugin, Musiker und Offshore-Netzwerker, bei der Taufe von Ljudmila und Wladimir Putins erster Tochter Maria; daneben eine unbekannte Frau (v. r.).
FOTO: SZ/PRIVAT
Patenonkel Sergej Roldugin, Musiker und Offshore-Netzwerker, bei der Taufe von Ljudmila und Wladimir Putins erster Tochter Maria; daneben eine unbekannte Frau (v. r.).

Die Aufnahme ist schwarz-weiß und etwas pixelig, deswegen auch irgendwie anrührend. Das Familienfoto von 1985 zeigt eine Taufszene aus einer Kirche in Sankt Petersburg, das damals noch Leningrad hieß. Russland war noch Teil der Sowjetunion und wurde regiert von Michail Gorbatschow. Sergej Roldugin, schwarzer Anzug, gestreifte Krawatte, volles Haar und fester Blick, posiert für die Kamera mit zwei Frauen und einem hageren Mann, der etwas misstrauisch schaut und ein Kind im Arm hält. Dieser andere Mann war zu jener Zeit ein unbedeutender KGB-Offizier. Sein Name: Wladimir Putin. Das Foto zeigt die Taufe seiner ersten Tochter Maria.

Der Musiker Roldugin ist Taufpate von Maria. Er ist ein enger Freund Putins, seit fast vierzig Jahren und wohl bis heute – laut Newsweek sogar sein „bester Freund“.

Der rätselhafte Cellist – kein Oligarch, kein Politiker – steht im Zentrum einer atemberaubenden Geschichte, die in den internen Unterlagen des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca, den Panama Papers, versteckt liegt. Sie legen nahe, dass ein großes Vermögen in ein Netz von geheimen Offshore-Firmen geflossen ist, und, dass Millionen aus diesem Topf nicht nur an Wladimir Putins engsten Zirkel gingen, sondern offenbar auch dessen Familie davon profitierte. So spricht viel dafür, dass mit einem Teil dieses Geldes die Immobilie finanziert worden ist, in der im Februar 2013 die pompöse Hochzeit von Putins zweiter Tochter Katerina stattgefunden haben soll.

Die Putin-Clique

Die Anfänge dieser Geschichte aber liegen im Jahr 1985. Der junge Familienvater Wladimir Putin wird kurz nach der Taufe Marias vom sowjetischen Geheimdienst KGB als Agent in die DDR versetzt, nach Dresden. Dort kommt Katerina zur Welt. Erst nach dem Untergang der Sowjetunion kehrt Putin nach Sankt Petersburg zurück, und zwar, wenn man seinen westlichen Biografen glauben darf, traumatisiert durch die Tatenlosigkeit, mit der das neue Russland seinen Bedeutungsverlust akzeptiert.In Sankt Petersburg beginnt sein Aufstieg: Aus dem KGB-Mann wird der Assistent des Bürgermeisters, dann dessen Stellvertreter, dann der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, dann der Premier. Im Jahr 2000 wird Putin Präsident. 16 Jahre später herrscht er mächtiger denn je.

Im Januar dieses Jahres hat Adam Szubin, im US-Finanzminsterium für Terrorismus und Finanzermittlungen zuständig, Putin in einem Interview mit der BBC als „korrupt“ bezeichnet. Tatsächlich ging schon Putins politischer Aufstieg einher mit ähnlichen Vorwürfen. Als Putin Anfang der 1990er-Jahre Vizebürgermeister von Sankt Petersburg war, warf ihm ein Ausschuss des Stadtrats vor, Freunden und Bekannten Ausfuhrlizenzen erteilt zu haben – ohne dass vereinbarte Gegenleistungen erbracht worden wären. Wegen einer Firma, die er für einen befreundeten Oligarchen gegründet haben soll, kam es angeblich zu derart heftigen Auseinandersetzungen mit kriminellen Gangs, dass Putin seine Töchter Maria und Katerina in Sicherheit brachte, nach Deutschland.

Gegen mehrere Mitarbeiter einer Immobilienfirma wiederum, in deren Beirat Putin bis 2000 saß, wurde später von deutschen und Liechtensteiner Behörden ermittelt. Wie der Spiegel 2003 berichtete, sollen nach Einschätzung der deutschen Fahnder Gewinne aus Schutzgelderpressung, Menschenhandel und Autoschiebereien über ausländische Konten, Stiftungen sowie Briefkastenfirmen geschleust worden sein. Als das ganze Ausmaß aufflog, war Putin schon Präsident. Das letzte deutsche Ermittlungsverfahren deswegen wurde 2009 wegen Verjährung eingestellt.

Im Sog von Putins steilem Aufstieg in der russischen Politik mehrte sich auch der Reichtum einer kleinen Gruppe bis dahin eher unbedeutender Leute: Kameraden, die beim KGB mit ihm gedient hatten, politische Gefährten aus der Verwaltung von Sankt Petersburg, entfernte Familienmitglieder – vor allem aber jene sieben Männer, mit denen er Mitte der 1990er-Jahre eine Genossenschaft zum Bau einer Ferienhaussiedlung vor den Toren von Sankt Petersburg gegründet hatte: die Datschen-Kooperative Osero. Dort teilten sie eine Kasse und ein Konto. So etwas schweißt zusammen.

Die Osero-Mitglieder von einst sind heute die wohl mächtigste Clique Russlands. Die meisten von ihnen sind Milliardäre.

Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman beschrieb Russland unter Putin einmal als „extreme Variante des Kapitalismus der Kumpane“. Das Land sei „eine Kleptokratie, in der loyale Anhänger gigantische Summen abschöpfen“ könnten. Der Moskauer Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew sagt, Russland sei zu einem neofeudalistischen System geworden: Ganz oben stehe Putin, darunter seine Freunde, die seit Beginn seiner langen Regentschaft Reichtümer anhäuften, zu Lasten des Staates. Und unten das Volk. Die US-Politikwissenschaftlerin Karen Dawisha nannte ihr 2014 erschienenes Buch zum Thema, eine detailreiche Studie, „Putins Kleptokratie“. Das US-Außenministerium sprach intern gar von einem „Mafia-Staat“, wie aus Botschaftsdepeschen hervorgeht, welche die Enthüllungsplattform Wikileaks 2010 veröffentlicht hat.

Die Panama Papers spiegeln all diese Beschreibungen wider. In den Dokumenten finden sich die Briefkastenfirmen von vielen Männern, die mit Putin in die russische Machtelite aufgestiegen sind. Der Milliardär Gennadij Timtschenko etwa, der parallel zu Putins Karriere zu einem der weltweit größten Rohstoffhändler wurde und der den Judoclub Yawara-Newa finanziert, dessen Ehrenpräsident Putin ist. Gegründet wurde der Judoclub von Arkadij Rotenberg, der wie sein Bruder Boris ein enger Putin-Freund ist. Die beiden haben aus ein paar Sankt Petersburger Tankstellen einen milliardenschweren Bau- und Industriekonzern gemacht.

Sie tauchen in den Panama Papers in Verbindung mit mehreren Offshore-Firmen auf den Britischen Jungferninseln und Zypern auf. Andere Briefkastenfirmen stehen demnach in Verbindung zu früheren KGB-Kollegen Putins, zur Ehefrau seines Pressesprechers, zu einem seiner Cousins, zu ihm nahestehenden Oligarchen.

Und all das, obwohl der russische Präsident das Offshore-System seit 2011 bei verschiedenen Gelegenheiten öffentlich als „unpatriotisch“ gegeißelt hat.

Das Vermögen

Die Gerüchte über Putins persönlichen Reichtum kursieren, seit er in Sankt Petersburg in die Politik ging. 2014 verdiente das russische Staatsoberhaupt offiziell 7,65 Millionen Rubel im Jahr – damals umgerechnet knapp 143 000 Euro. So jedenfalls stand es in seiner öffentlichen Einkommenserklärung.Journalisten, Historiker und Ökonomen, die sich mit der Frage nach Putins Vermögen intensiver befassen, glauben indes, dass der Präsident den Kreml dereinst als vielfacher Milliardär verlassen wird. Die Schätzungen erscheinen absurd hoch: Sind es 40 Milliarden Dollar, 70 Milliarden oder gar 200 Milliarden? Diese höchste Zahl stammt von Bill Browder. Der Amerikaner war Manager von Hermitage Capital Management, einem Fonds, der einst als größter ausländischer Investor in Russland galt. Er lebte zehn Jahre im Land. Spätestens, seitdem sein Anwalt Sergej Magnitskij 2009 in einem Moskauer Gefängnis starb, ist Browder ein scharfer Putin-Kritiker. 2014 schrieb er ein Buch über sein Verhältnis zu Putin und behauptete, der Präsident sei der reichste Mann der Welt. Dem US-Sender CNN sagte Browder: „Er ist der größte Oligarch von allen.“

Die Suche nach Indizien dafür wird akribisch betrieben. Nach Recherchen des britischen Bureau of Investigative Journalism etwa wurde Putin bisher mit Uhren im Gesamtwert von 200 000 Euro fotografiert; manche Anti-Korruptionsaktivisten sprechen gar von mehr als 600 000 Euro. Bei offiziellen Anlässen trägt er etwa eine Patek Philippe Perpetual Calendar, die allein rund 60 000 Euro kostet. Ob die Uhren wirklich dem Präsidenten gehören, ob sie ihm der Kreml zur Verfügung stellt, ob er sie sich geliehen hat – das ist öffentlich nicht bekannt.

Die Vermutungen, wie Putins angeblicher Reichtum sich zusammensetzen könnte, ähneln sich: Meist heißt es, er soll über Mittelsmänner Anteile an wichtigen russischen Firmen besitzen und von Oligarchen und Staatsbanken regelmäßig schwarze Kassen befüllen lassen. Vor einiger Zeit wurde berichtet, dass in der Nähe von Sotschi am Schwarzen Meer ein Anwesen entstand, das heute bekannt ist als „Putins Palast“. Ein protziges Bauwerk im Italianate-Stil. Finanziert wurde es laut einer Recherche der Nachrichtenagentur Reuters vom Putin-Freund Nikolai Schamalow, einem seiner Datschenfreunde.

Bis heute bestreitet der Kreml, dass es sich bei dem Anwesen um Putins Besitz handelt. Als aber Umweltaktivisten versuchten, auf das Anwesen vorzudringen, weil sie annahmen, dass beim Bau des Palasts Vorschriften missachtet worden seien, wurden sie nach eigener Auskunft von Beamten der Federalnaja Sluschba Ochrany Rossijskoj Federazii (FSO) aufgehalten: dem Wachdienst der Regierung.

Den Palast haben auch der russische Aktivist Leonid Martynjuk und der im Jahr 2015 ermordete Oppositionelle Boris Nemzow in einem Report von 2012 erwähnt. Er trägt den Titel „Das Leben eines Galeeren-Sklaven“ und spielt auf eine frühere Aussage Putins an, er schufte wie ein Sklave auf einer Galeere. In Wirklichkeit, so der Schluss von Martynjuk und Nemzow, lebe Putin jedoch im Überfluss. Er verfüge über Dutzende Villen, Flugzeuge und Schiffe. Allein die Toilette in einem Flugzeug kostete angeblich ungefähr halb so viel, wie Putin in einem Jahr offiziell verdient.

Und dann wäre da auch noch die Olympia, der „Diamant der Kreml-Flotte“, eine mit edlem Mahagoniholz ausgestattete Yacht mit Whirlpool und Marmorbadezimmer. Sie soll Putin nach Medienberichten von Oligarchen um Roman Abramowitsch geschenkt worden sein – als Geste der Loyalität.

Abramowitsch hat dies stets bestritten. Laut Recherchen der russischen Zeitung Nowaja Gazeta wird die Olympia ebenfalls vom FSO bewacht.

Berichte über sein angebliches Vermögen tut Putin regelmäßig als Geschwätz ab. Auf eine detaillierte Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten zu den Panama Papers antwortete er nicht. Stattdessen trat kurz nach dem Eingang der Fragen sein Sprecher Dmitrij Peskow am vergangenen Montag vor russische Journalisten und erklärte, „in einer Verhörmanier verfasste Anfragen“ bekommen zu haben. Diese seien Teil einer „Informationsattacke“. Es werde versucht, die Familie des Präsidenten „informationsseitig zu treffen“. Von einer Menge Offshore-Firmen werde die Rede sein, von Unternehmern, die Putin nie persönlich gesehen habe. Peskow vermutete, nicht nur Journalisten würden hinter der „Attacke“ stecken, sondern auch „Vertreter von Spezialdiensten und anderen Organisationen“. Falls „erlogene Fakten“ veröffentlich würden, seien Klagen und Gerichtsverfahren wegen Verleumdung nicht ausgeschlossen.

Auch wegen solcher Reaktionen meiden viele russische Medien das Thema. Unter russischen Journalisten ist bekannt, dass man sich Ärger einhandeln kann, wenn man über Putins Geld schreibt. Es drohen unangenehme Steuerprüfungen, Einbrüche und Ähnliches. Der Guardian-Journalist Luke Harding, der auch an dieser Geschichte mitrecherchiert hat, führt seine Ausweisung aus Russland im Jahr 2011 auf Recherchen in diesem Bereich zurück.

Sollte Putin tatsächlich einen derart sagenhaften Reichtum angehäuft haben, wird daran kaum sein Namensschild angebracht sein. Offiziell dürften die Gelder Leuten gehören, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, unauffälligen Mittelsmännern, denen er uneingeschränkt vertraut. Sergej Roldugin wäre so ein Mann. Dieses Muster ist Finanzexperten und Fahndern bei hochrangigen Politikern schon lang bekannt. Auch in den Panama Papers taucht der Name Putin im Zusammenhang mit den genannten Firmen nicht auf.

Der Cellist

Roldugin und Putin lernten sich, wie in mehreren Büchern nachzulesen ist, Mitte bis Ende der 70er-Jahre kennen. Roldugin erzählte in einem 2000 veröffentlichten Interviewbuch über Putin, sein ein Jahr jüngerer Freund sei wie ein Bruder für ihn gewesen. Nachts seien sie durch Sankt Petersburg gezogen, hätten gesungen und sich mit anderen jungen Leuten geschlagen. Laut den Putin-Biografen Brenda Lange und Charles J. Shields machte Roldugin seinen Freund Putin auch mit dessen späterer Ehefrau Ljudmila bekannt, von der Putin mittlerweile geschieden ist. Eine Aeroflot-Stewardess, mit der Roldugin sich getroffen habe, habe eine blonde Kollegin mitgebracht, die Roldugin im Auto bei Wolodja – Koseform für Wladimir – platziert habe. Putin heiratete Ljudmila 1983. Als zwei Jahre später Maria zur Welt kam, habe Roldugin Putins Frau und Kind vom Krankenhaus abgeholt.Die Freundschaft der beiden Männer scheint bis heute gehalten zu haben. Roldugin ist der Einzige, dem der russische Präsident es offenbar gestattet, Journalisten Privates über ihn zu erzählen. Er machte in einem Interview nicht nur das Rückenleiden Putins öffentlich, der sich für gewöhnlich als kraftstrotzender Draufgänger inszeniert, sondern erzählte auch noch, dass Putin inzwischen Großvater sei. Offiziell wurde dies bislang nicht bestätigt.

Putin vertraut Roldugin offenbar sehr – so sehr, dass er hinter dessen unauffälliger Künstlerbiografie sogar ein mögliches Vermögen verstecken würde?

Der New York Times erklärte Sergej Roldugin im September 2014, er sei sicherlich „kein Geschäftsmann“, er besitze „keine Millionen“. Zumindest Letzteres dürfte nicht stimmen, das legen die Daten aus den Panama Papers nah.

Als Sergej Roldugin demnach im Mai 2014 im Namen einer seiner Offshore-Firmen ein Konto bei der Schweizer Gazprombank in Zürich eröffnet, fragt die Bank in einem Formular auch ab, wie viel Geld der neue Kunde besitze. Die Antwort: mehr als zehn Millionen Schweizer Franken. Dazu ein jährliches Einkommen von mehr als einer Million Schweizer Franken, das vornehmlich aus Dividenden, Zinsen und Krediten resultiere.

Zum Papierkram gehört auch ein Anti-Geldwäsche-Fragebogen – ob man etwa „in einer Beziehung zu einem VIP“ stehe, oder zu „einer politisch exponierten Person“? Banken müssen solche Fragen mittlerweile standardmäßig stellen. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte hat gezeigt, dass viele Politiker ihre delikaten Konten eben nicht auf ihren eigenen Namen laufen lassen, sondern auf den eines Familienmitglieds oder Freundes.

Der Fragebogen von Roldugin geht mit zwei Kreuzen bei „Nein“ zurück an die Bank. Der womöglich beste Freund von Wladimir Putin, der Taufpate seiner Tochter, soll in keiner Beziehung zu einer politisch exponierten Person stehen?

Das Netzwerk

Der Cellist Sergej Roldugin wurde von dem panamaischen Offshore-Dienstleister Mossack Fonseca – das belegen etliche Dokumente in den Panama Papers – als Eigentümer beziehungsweise Miteigentümer dreier Briefkastenfirmen geführt:

– der 2007 auf den Britischen Jungferninseln gegründeten Sonnette Overseas Inc.,

– der 2008 in Panama registrierten International Media Overseas S.A. und

– der 2012 auf den Britischen Jungferninseln aufgesetzten Raytar Limited.

Auf eine Anfrage der britischen Zeitung Guardian erklärte Mossack Fonseca, nicht gewusst zu haben, dass Roldugin Eigentümer der Sonnette Overseas und der International Media Overseas sei.

Über die Raytar Limited geht aus den Dokumenten nicht viel hervor. Zu den Firmen International Media Overseas und Sonnette Overseas jedoch sind in den Daten, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden, Dutzende E-Mails zu finden, außerdem Verträge, Unterlagen zu Aktiendeals und verschiedene Dokumente, die offenkundig Roldugins Unterschrift tragen. 

So findet sich eine Haftungsfreistellung von Mai 2008, die im Zusammenhang mit seiner Firma Sonnette Overseas steht, ebenso eine im März 2011 erteilte Vollmacht für zwei Mossfon-Mitarbeiterinnen. Sogar ein Pass des Musikers, ausgestellt am 5. November 2002 in Sankt Petersburg, ist enthalten.

Als russische Journalisten, die an dieser Recherche beteiligt sind, Roldugin nach einem Konzert im Moskauer Tschaikowski-Konservatorium in der vergangenen Woche darauf ansprachen, antwortete dieser, er habe mit solchen Geschäften vor der Perestroika zu tun gehabt, könne sich aber kaum erinnern und bat um schriftliche Fragen. Vor der Perestroika? Das wäre vor 1986 gewesen. Die Firmen aus den Panama Papers sind mehr als zwanzig Jahre später entstanden. Alle schriftlichen Fragen der SZ an Roldugin blieben unbeantwortet.

Roldugins Firmen International Media Overseas und Sonnette Overseas sind laut den Panama Papers eng mit zwei weiteren auf den Britischen Jungferninseln registrierten Briefkastenfirmen verbunden: mit der Sandalwood Continental Ltd. und der Sunbarn Limited. So hatten die Sonnette Overseas von Roldugin und die Sunbarn Limited zeitweise denselben Eigentümer, einen Geschäftsmann aus Sankt Petersburg. Der Eigentümer der Sandalwood Continental wiederum bekam den Panama-Papieren zufolge eine Vollmacht, mit der er für Roldugin Geschäfte tätigen und Dokumente unterschreiben hätte können. Bei diesem Mann handelt es sich ebenfalls um einen Sankt Petersburger Geschäftsmann. In einem auf Juli 2009 datierten Formular heißt es, dass er bis 2003 bei einer Strafverfolgungsbehörde gearbeitet habe.

Diese vier Offshore-Firmen könnte man das „Roldugin-Netzwerk“ nennen.

Auf das Gazprombank-Konto von Roldugins International Media Overseas sollen laut Dokumenten aus den Panama Papers Millionen-Dividenden einer weiteren Briefkastenfirma geflossen sein, die wiederum Anteile eines großen russischen Medienunternehmens namens Video International besitzt. Zur Kontoeröffnung rechneten die Verantwortlichen als Eingangszahlung mit 268,4 Millionen Rubel – umgerechnet etwa 5,6 Millionen Euro –, später sollte noch mehr kommen. Video International wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

Dieses Unternehmen war in den 1990er-Jahren von Michail Lessin gegründet worden. Lessin, der als Eigentümer einer auf den Britischen Jungferninseln gegründeten Briefkastenfirma in den Panama Papers auftaucht, war von 2004 bis 2009 Putins Medienberater. Am 5. November 2015 wurde er tot in einem Washingtoner Hotelzimmer aufgefunden.

Die Firmen aus dem Netzwerk, das geht aus den geleakten Daten hervor, handelten auch mit Kaufoptionen anderer Firmen, die wiederum Aktien an dem russischen Lada-Hersteller Avtovaz und dem Laster- und Panzerhersteller Kamaz halten. Sergej Roldugins Firma Sonnette Overseas konnte den Dokumenten zufolge, ohne Anteile an Kamaz zu besitzen, über ein komplexes Firmenkonstrukt bei wichtigen Entscheidungen des Unternehmens mitreden.

Kamaz ist für Russlands Kriegsmaschinerie fast unersetzlich. Dessen Lastwagen kamen im Ukraine-Krieg häufig zum Einsatz, etwa als weiße Trucks, die angebliche Hilfsgüter während der Krim-Annexion auf die Halbinsel transportierten. Auch in Syrien, wo russische Bodentruppen die Armee von Diktator Baschar al-Assad unterstützen, wurden Kamaz-Laster gesichtet.

Putin-kritische Journalisten und Analysten glauben, dass sich der Präsident regelmäßig Anteile von Russlands wichtigsten Firmen zuweisen lasse. So behauptete der umstrittene Politikwissenschaftler Stanislaw Belkowskij 2007, dass Putin 37 Prozent der Öl- und Gasfirma Surgutneftegaz kontrolliere, dazu 4,5 Prozent an Gazprom halte. Näher verifizieren ließ sich bisher nichts.

Leonid Berschidskij, Gründungschefredakteur der russischen Wirtschaftszeitung Wedomosti, schrieb in einer Kolumne für die Agentur Bloomberg über Putin: „Er hat das ganze Land auf Abruf.“ Putin nehme sich schlichtweg, was er wolle, sagt Russland-Expertin Karen Daisha.

„Putins Bank“

Mit Ausnahme höchstens der Raytar Limited wurden alle Firmen des Roldugin-Netzwerks ausweislich der Panama Papers von Mitarbeitern der Sankt Petersburger Bank Rossija gesteuert. Sie gilt unter US-Experten als „Putins Bank“, als Bank seines engsten Zirkels. Sie wurde deswegen 2014, nach der Krim-Annexion, von den USA mit Sanktionen belegt. Ihr Hauptsitz, ein gelbes Gebäude im Sowjetstil, liegt an einem der schönsten Plätze der Stadt, am Rastrelli-Platz nahe dem Fluss Newa. 1990 wurde sie mit Geld der Kommunistischen Partei gegründet, etwa zu jener Zeit, als Wladimir Putin aus der DDR zurückkehrte.

Mehrere der engsten Vertrauten Putins besitzen oder besaßen Anteile an der Bank, allein fast die Hälfte gehörte zumindest zeitweise Jurij Kowaltschuk und Nikolai Schamalow, die beide Gründungsmitglieder von Putins Datschen-Kooperative Osero sind. Aber auch Sergej Roldugin gehörten zumindest bis vor Kurzem mehr als drei Prozent der Anteile. Das wurde 2010 öffentlich, ohne allerdings große Aufmerksamkeit zu erregen. Wie die Panama Papers nun erstmals zeigen, gehörten auch einer Firma aus dem Roldugin-Netzwerk – der Sandalwood – zeitweise Anteile an dem Geldhaus. Gleichzeitig gilt die Bank als Sammelbecken für wichtige Beteiligungen. So hielt das Finanzhaus die Mehrheit am zweitgrößten russischen Versicherungskonzern Sogaz, der wiederum die Gazprom-Media-Gruppe kontrolliert. Zu Letzterer gehören unter anderem die Fernsehsender NTW und TNT sowie der Radiosender Echo Moskau.

Auf die Sanktionierung der Rossija-Bank reagierte Putin prompt: Er ordnete an, dass die russische Zentralbank das Institut stützen solle. Putin selbst eröffnete demonstrativ ein Rubel-Konto bei Rossija.

Die monatelangen SZ-Recherchen zeigen, dass zwei Angestellte dieser Bank eine besondere Rolle spielen: Sie hatten demnach in einigen Fällen das Recht, Unterlagen für Roldugins Firma International Media Overseas zu unterzeichnen – auch weil Roldugin oft nicht greifbar war, wie aus einer E-Mail hervorgeht.

Das überrascht nicht bei einem Musiker, der viel auf Konzertreisen ist. Von 2014 an verschickten Bank-Rossija-Mitarbeiter E-Mails, die Firmen aus dem Roldugin-Netzwerk betreffen, teils über Tarnadressen. Damit sollte möglicherweise verschleiert werden, dass die Banker für ein sanktioniertes Unternehmen arbeiten. Eine E-Mail von Roldugin selbst ist in den Daten nicht zu finden.

So liegt die Macht über das gesamte Roldugin-Netzwerk bei der Bank Rossija. Die wahren Entscheidungen aber fallen vermutlich an anderer Stelle. Möglicherweise sogar im Kreml? Eine entsprechende Anfrage beantwortete die Bank Rossija bis Sonntag nicht.

Die Kanzlei

Als Ansprechpartner und unauffällige erste Station beim Kontakt mit Mossack Fonseca dient den Mitarbeitern der Sankt Petersburger Bank eine zwischengeschaltete Schweizer Anwaltskanzlei. Auch in der Bank Rossija scheint klar zu sein, dass eine russische Bank mit im Ausland zweifelhaftem Ruf keine gute Adresse für internationale Geschäfte ist. Mit scharfen Kontrollen sämtlicher Deals wäre zu rechnen. Ganz anders die Schweizer Anwaltskanzlei nicht weit vom Züricher Paradeplatz, wo die großen Banken sitzen. Sie scheint ideal zu sein: renommiert genug, um international mithalten zu können, und klein genug, um kein Interesse zu wecken.Wer sich in Zürich nach dieser Kanzlei erkundigt, hört meist als Erstes von den vielen Russen, um die sie sich kümmere. Manche von ihnen seien nicht nur sehr reich, sondern auch sehr einflussreich. Tatsächlich zeigen schon vor einigen Jahren geleakte Dokumente, dass etwa der ehemalige Spitzenmanager des Erdöl-Konzerns Yukos, der Oligarch Alexeij Golubowitsch, in Geschäftskontakt mit der Kanzlei stand.

Einer der Partner der Kanzlei, die auf Anfrage nicht antwortete, reist angeblich regelmäßig nach Russland. Man hört, dass er danach gerne von der Wildschweinjagd erzählt und teuren Wodka mit nach Hause bringt. Er sei besonders stolz auf seine guten Kontakten nach Moskau, so wird es erzählt. Er habe dort Beziehungen zu Leuten vom Geheimdienst, soll er intern getönt haben, um dann hinzuzufügen: bis hoch zu Wladimir Putin.

Die Tricks

Der Sinn des Roldugin-Netzwerks scheint aber nicht nur darin zu bestehen, Beteiligungen und Aktienoptionen zu halten. Dem Anschein nach geht es auch ganz konkret darum, über die Offshore-Firmen Millionen-Summen zur Seite zu schaffen. Wichtig ist dabei, unauffällige Verwendungszwecke im Geldverkehr angeben zu können. Dafür gibt es laut Panama Papers mehrere Tricks.

Trick I: Rückdatierte Aktiengeschäfte.

Ein Beispiel aus den Mossfon-Dokumenten: Ein Rossija-Mitarbeiter bittet am 5. Juli 2011 Mossack Fonseca darum, dass die Direktoren für zwei der Firmen mehrere Aktiengeschäfte abzeichnen – ein in der Offshore-Welt an sich normales Vorgehen. Nur dass die Aktiengeschäfte bereits fünf Monate zuvor stattgefunden haben sollen, im Januar 2011. Die Direktoren sollen also rückwirkend zustimmen.Das Prinzip dahinter funktioniert offenbar so: Die betreffenden Firmen suchen sich rückwirkend Daten zwischen Verkauf und Rückkauf von Aktien, deren Kurse laut den Dokumenten zwischen diesen beiden Daten gefallen waren. Tatsächlich gehandelt wurden die Aktien offenbar nie, aber in der Bilanz entsteht ein Gewinn.

Dieses Muster ist in den Daten etwa ein Dutzend Mal zu sehen, insgesamt gewinnen zwei Firmen, die Sandalwood und die International Media Overseas, auf diese Weise innerhalb von drei Jahren mehrere Millionen Dollar. Die Bank Rossija, deren Mitarbeiter nach SZ-Recherchen im Hintergrund die Fäden zogen, antwortete nicht auf eine Anfrage.

Trick II: Angebliche Entschädigungen.

Eine der Offshore-Firmen im Netzwerk vereinbart mit einer anderen – offensichtlich eingeweihten – Firma ein Aktiengeschäft. Diese andere Firma „scheitert“ jedoch daran, diese Anteile bereitzustellen – und muss dafür eine „Entschädigung“ zahlen. Ein Beispiel aus den Panama-Papers ist ein Geschäft der Firma Sandalwood mit einer Briefkastenfirma auf Belize. Die Entschädigung an Sandalwood beträgt in diesem Fall knapp 800 000 Dollar. Durch einen Betreff wie „Entschädigung“ enthält die Überweisung einen scheinbar eindeutigen und unverdächtigen Verwendungszweck. Ohne einen solch schlüssigen Verwendungszweck wären involvierte Banken wohl stutzig geworden. Auch hierzu äußerte sich die Bank Rossija auf Anfrage nicht.

Trick III: Angebliche Beratungshonorare.

In den Jahren 2009 und 2010 erhält eine Briefkastenfirma aus dem Roldugin-Netzwerk laut Mossfon-Daten 30 Millionen Dollar für „Beratungsleistungen“: 15 Millionen von einer Offshore-Firma namens Jabiru Consultants, 15 Millionen von einer Offshore-Firma namens Pearl Kite.

Trick IV: Hohe Zinsen für kleines Geld.

Einen besonders einträglichen Deal schließt Roldugins Firma International Media Overseas im Februar 2011 ab: Sie bekommt alle Rechte an einem 200-Millionen-Dollar-Darlehen überschrieben – für den Preis von einem Dollar. Dabei generiert das Darlehen laut dem Vertrag, der sich in den Mossfon-Unterlagen findet, Zins-Zahlungen von 21 917 Dollar täglich, was im Jahr acht Millionen Dollar macht.

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Glossar

 

Bearer Share

Dies ist die Aktie einer Firma, die nicht auf den Namen einer Person ausgestellt ist, sondern dem Besitzer des Papiers gehört. Wer das Stück Papier in Händen hält, ist der offizielle Eigentümer des Firmenanteils. Der Eigentümer bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Über Bearer Shares lassen sich schnell und unkompliziert Geschäfte machen, allerdings öffnet dies auch Kriminellen allerlei Möglichkeiten. Geldwäsche zum Beispiel ist damit ein Kinderspiel.

Beneficial Owner

Der wirtschaftlich Berechtigte, der oftmals auch Ultimate Beneficial Owner genannt wird, ist der wahre Eigentümer einer Firma. Auf dem Papier mag zwar eine andere Person als Teilhaber agieren, sie tut dies jedoch nur zum Schein, deshalb nennt man sie auch Scheinanteilseigner.

Briefkastenfirma

Eine Briefkastenfirma ist ein Unternehmen, das an seinem offiziellen Firmensitz keine echten Angestellten hat, sondern lediglich einen Briefkasten. Dies führt zu der absurden Situation, dass in einem einzigen Gebäude in einer Steueroase oft Tausende Firmen ihren Sitz haben.

Endkunde

Mossack Fonseca behauptet gern, keine Geschäfte mit Endkunden zu machen. Man schließe lediglich Verträge als Vermittler mit Banken, Vermögensverwaltern oder Anwälten.

Holding

Dies ist ein Unternehmen, das vor allem den Zweck hat, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen. Hat eine Holding ihren Sitz in einer Steueroase, können die Gewinne der Tochterfirmen dorthin transferiert werden, um Steuern zu sparen. Durch das geschickte Verschachteln von Holding-Strukturen können auch die Besitzverhältnisse verschleiert werden.

Letter of Indemnity

Dies ist eine Haftungsfreistellung. Der Vermittler der Briefkastenfirma lässt sich solche Freistellungen insbesondere dann ausstellen, wenn nicht sicher ist, ob der Kunde womöglich illegale Geschäfte mit der Firma tätigt. Sollte es am Ende Probleme geben, wäre der Kunde verantwortlich für Schadensersatzansprüche.

Nominee Beneficial Owner

Dieser Scheineigentümer täuscht vor, der Ultimate Beneficial Owner (UBO), also der wirtschaftlich Berechtigte, zu sein. Fordert beispielsweise eine Bank den Namen eines UBO, um ihren Prüfpflichten nachzukommen, kann der wirkliche Eigentümer (RUBO) einer Firma einen solchen Schein-Eigentümer vorschicken. Dieser Scheineigentümer behauptet, dass ihm die Firma gehöre; damit wird nur seine Person überprüft. Der wirkliche Eigentümer bleibt im Verborgenen. Dieses Vorgehen hat einen Haken: Es ist vielerorts strafbar.

Nominee Director

Ein sogenannter Scheindirektor ist ein Strohmann beziehungsweise eine Strohfrau. Er oder sie wird dafür bezahlt, so zu tun, als würde er oder sie eine bestimmte Firma leiten. In Wirklichkeit geschiet dies oft nur auf dem Papier. Sämtliche Entscheidungen fällt tatsächlich der wahre Eigentümer. Müssen beispielsweise Verträge unterschrieben werden, legt er sie dem Scheindirektor lediglich zur Unter- schrift vor.

Nominee Shareholder

Der sogenannte Scheinanteilseigner tut so, als wäre er der Anteilseigner. Es kann sich bei einem Scheinanteilseigner um eine Person, aber auch um eine Firma handeln – in jedem Fall hält sie quasi treuhänderisch die Anteile an einer Firma. Ziel sind das Tarnen und Täuschen.

Offshore-Provider

Weltweit haben sich Dutzende Firmen darauf spezialisiert, Briefkastenfirmen zu verkaufen und zu vermitteln. In ihrem Portfolio haben sie neue Firmen und alte, meist auch aus verschiedenen Steueroasen, dazu allerlei Stiftungen. Bei vielen Offshore-Providern handelt es sich um Rechtsanwaltskanzleien. Mossack Fonseca ist eine der größten Anbieter.

Registered Agent

In den meisten Steueroasen kann man nicht ohne Weiteres selbst eine Briefkastenfirma gründen – man braucht dafür einen zugelassenen Dienstleister, einen sogenannten Registered Agent wie Mossack Fonseca. Dieser prüft, ob der gewünschte Firmenname noch verfügbar ist, erledigt den Papierkram mit den Behörden vor Ort und kümmert sich um die Zahlungen der jährlichen Gebühren.

Real Ultimate Beneficial Owner

Als wahren letztendlich, wirtschaftlich Berechtigten bezeichnet man in der Offshore-Welt denjenigen Eigentümer einer Firma, der sich hinter einem Strohmann versteckt, der wiederum aber behauptet, er sei der letztendlich wirtschaftlich Berechtigte (UBO). Um den Schein-UBO vom echten UBO zu unterscheiden, wurde der Begriff Real Ultimate Beneficial Owner eingeführt.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

Don´t be part of the problem! Be part of the solution. Sei dabei! Gemeinsam sind wir stark und verändern unsere Welt! Wir sind die 99 %! 

“Wer behauptet, man braucht keine Privatsphäre, weil man nichts zu verbergen hat, kann gleich sagen man braucht keine Redefreiheit weil man selbst nichts zu sagen hat.” Edward Snowden.

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