Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 05.09.2016
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„Das Schachbrett des Teufels“
Interview mit dem Allen-Dulles-Biographen David Talbot
Nur wenige Menschen haben den Verlauf der Geschichte im 20. Jahrhundert nachhaltiger beeinflusst als der Wallstreet-Anwalt und CIA-Chef Allen Dulles. Selbst im Ruhestand rangierte der mächtige Strippenzieher im US-Establishment noch über dem Vizepräsidenten. Historiker ziehen es überwiegend vor, das in vielfacher Hinsicht unangenehme Thema auszulassen, obwohl Dulles’ Intrigen zum Verständnis der 40er, 50er und 60er Jahre und dem Geheimdienstwesen der USA unerlässlich sind.
Nun erschien im Westend-Verlag eine deutsche Fassung der beeindruckenden Biographie Das Schachbrett des Teufels – Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung, die weder die Verstrickungen des Intriganten mit den Nazis noch dessen zentrale Rolle beim Kennedy-Attentat auslässt. Autor David Talbot ist Gründer der unabhängigen journalistischen Plattform Salon.com und fungierte u.a. als Herausgeber des linksliberalen Magazins „Mother Jones“. Talbots gefeierte Biographie „Brothers“ (2008) über die Kennedys wurde ein Bestseller. Während er in „Brothers“ die Attentate auf die beiden Brüder nur am Rande behandelte, löst Talbot mit seiner Dulles-Biographie überzeugend alle wesentlichen Rätsel des Kennedy-Puzzles.
Allen Dulles beeinflusste den Verlauf des Zweiten Weltkriegs, bereitete den Kalten Krieg während des heißen vor und bescherte Westdeutschland mit der Organisation Gehlen einen obskuren Geheimdienst. Sind Sie überrascht, dass der für die deutsche Geschichte so bedeutende Dulles hierzulande praktisch unbekannt ist?
David Talbot: Ja! „Die Vergangenheit ist niemals tot“, wie uns William Faulkner gesagt hat. „Sie ist nicht einmal Vergangenheit“. Dies ist sehr wahr im Fall von Allen Dulles, der, wie Sie sagten, nicht nur bei der Erschaffung der Organisation Gehlen half, sondern auch von Deutschlands Geheimdienst-Establishment. Die äußerst paranoide Sicht auf Russland, die Männern wie Allen Dulles und Reinhard Gehlen zu eigen war, behauptet sich mal wieder auf der Bühne der Welt. Und viele der Sicherheitstechniken die heute eine hitzige Debatte provozieren – inklusive Entführung, Folter, politischer Mord, „Black Site“-Lager und Massenüberwachung aller Bürger – haben ihre Ursprünge in der Dulles-Ära. Die Vergangenheit ist niemals tot, in der Tat.
In den wenigen deutschen Publikationen, die Allen Dulles überhaupt erwähnen, etwa im Zusammenhang mit Fritz Kolbe, wird er als „Meisterspion“ gefeiert. Zu Recht?
David Talbot: Nein. Dulles war als amerikanischer Top-Spion im kontinentalen Europa während des Zweiten Weltkriegs ein Desaster. Er nutzte seinen Posten im schweizerischen Bern, um seine eigene Politik voranzutreiben – nämlich einen Separatfrieden mit Nazi-Emissären auszuhandeln, im direkten Widerspruch zur von den Alliierten verlangten bedingungslosen Kapitulation. In mehrfacher Hinsicht hatte Dulles mehr mit dem Nazi-Regime gemein als seinem eigenen obersten Dienstherrn, Präsident Franklin Roosevelt. Denn die von ihm und seinem Bruder John Foster Dulles geleitete Wallstreet-Kanzlei hatte seit vielen Jahren Geschäfte mit Mitgliedern von NS-Staatsfirmen gemacht, und Allen hielt diese Kanäle während des Krieges weiterhin offen. Die Dulles-Brüder sahen in der Sowjetunion den Hauptfeind des Westens – eine Sichtweise, die von vielen ihrer Deutschen Partner geteilt wurde.
Das Buch von David Talbot über Allen Dulles ist eben im Westendverlag erschienen: Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung.
Während des Kalten Krieges unterminierten Dulles‘ ideologische Ansichten weiterhin seine geheimdienstlichen Einschätzungen, bis hin zur katastrophalen 1961er CIA-Invasion auf Kuba in der Schweinebucht, vor der Dulles Präsident Kennedy versichert hatte, das wäre eine ruhige und einfache Sache. In Wirklichkeit wusste Dulles, dass die CIA-unterstützte Brigade von Exil-Kubanern keine Herausforderung für Fidel Castros Militär war – aber er dachte, dass sich der junge amerikanische Präsident in der Hitze des Gefechts dazu genötigt sähe, die volle Kraft der US Air Force und der Marines zu entsenden. Dieses Mal klappte Dulles‘ Schachzug nicht. Kennedy gab dem Druck nicht nach, und so war Dulles Karriere vorbei – zumindest offiziell.
Wie reagierte die US-Öffentlichkeit darauf, dass Dulles Roosevelt den Holocaust verschwieg und mit Nazideutschland anrüchige Geschäfte gemacht hatte?
David Talbot: Das amerikanische Volk wurde hierüber während des Kriegs grundsätzlich in Unkenntnis gelassen. Doch die Dulles-Brüder und ihre Gesinnungsgenossen in Zirkeln der Republikaner und der Wall Street wurden von der Roosevelt-Administration als Hochverräter angesehen. Wenn Roosevelt nicht in den letzten Wochen des Kriegs gestorben wäre, hätte die Roosevelt-Administration nachweislich die Dulles-Brüder und ihre Kumpanen wegen Verrats angeklagt.
1956 bot BND-Chef Gehlen seinem Förderer Allen Dulles für den Fall eines Wahlsiegs der Sozialdemokraten in Westdeutschland einen Staatsstreich von rechts an, wie er um diese Zeit in Griechenland, in etlichen Ländern in Afrika, Mittel- und Südamerika, sowie in Indonesien geschah. Wie realistisch wäre eine solche Option aus US-Sicht gewesen?
David Talbot: Ich glaube, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass dies passiert wäre. Bedenken Sie, dass die Dulles-Brüder die Außenpolitik unter Präsident Eisenhower dominierten, mit John Foster als Außenminister und Allen als CIA-Direktor. Westdeutschland wurde als Frontlinie im Kalten Krieg gesehen und die Dulles-Brüder demonstrierten wiederholt, wie weit sie gehen würden, um US-Interessen zu schützen, selbst wenn dies eine aggressive Störung der Souveränität eines ausländischen Partners bedeutet hätte.
Wie ich im „Schachbrett des Teufels“ geschrieben habe, war ein paar Jahre später der französische Präsident Charles de Gaulle überzeugt, dass Dulles’ CIA hinter dem französischen Militärstaatsstreich stand, der ihn als Präsident stürzen sollte – ein anderer dramatischer Moment in der europäischen Geschichte, während dem die französische Demokratie nur überlebte, weil die populäre Unterstützung für de Gaulle überwältigend in den Straßen von Paris gezeigt wurde.
Der Militärgeheimdienstler Fletcher L. Prouty deutete an, der Abschuss der U2 könne von Allen Dulles forciert worden sein, um ein vorzeitiges Ende des Kalten Kriegs zu verhindern. Plausibel?
David Talbot: Erneut: ja. Prouty – ein Verbindungsmann zwischen der U.S. Air Force und der CIA – war in einer guten Position, um dies zu überschauen. Er arbeitete eng mit Dulles und wusste, wozu dieser fähig war. Die Dulles-Brüder waren entschlossen, rücksichtslos den Druck auf Moskau aufrecht zu erhalten und sahen jede diplomatische Anstrengung in Richtung Entspannung als ein Zeichen von Schwäche. Gegen Ende seiner Präsidentschaft war Dwight Eisenhower gewillt, Schritte in Richtung Frieden mit dem Chruschtschow-Regime zu gehen, und er sah das Gipfeltreffen in Genf mit den Sowjets als seine letzte Chance dazu.
Doch der Abschuss des U2-Spionageflugzeugs kurz vor dem Treffen ruinierte diese letzte Hoffnung auf Frieden. Eisenhower war wütend auf Dulles, der Eisenhower zur Genehmigung des Flugs gedrängt hatte, trotz der Bedenken des Präsidenten, wobei Dulles Eisenhower versicherte, das die hochfliegende Maschine außer Reichweite der sowjetischen Raketen sicher sei. Prouty argwöhnte, dass das Flugzeug manipuliert gewesen sei, um es verwundbarer zu machen. In jedem Fall ruinierte der Absturz das Gipfeltreffen und Eisenhower beklagte sich bitter über Dulles, der ihm ein „Erbe aus Asche“ hinterlassen habe.
Warum stellte sich keiner der mächtigen Dulles-Brüder jemals selbst zu einer Wahl?
David Talbot: Tatsächlich haben das beide getan, allerdings mit desaströsen Ergebnissen. Allen wurde schwer geschlagen, als er sich 1938 für den Kongress im Manhattan-Bezirk aufstellen ließ, von einem Gegner, der den Wählern erzählte, dass Dulles in der Tasche der Wall-Street-Interessen stecke. Sein Bruder John Foster verlor 1949 seinen eigenen Wahlkampf für den Senat. Mit ihren patrizierhaften und rechthaberischen Empfindungen fehlte den Brüder klar das Fingerspitzengefühl für das Populäre, das Gerangel demokratischer Politik.
Warum protegierten die Dulles-Brüder, die normalerweise ihre Millionärsfreunde unterstützten, den aus einfachen Verhältnissen stammenden Richard M. Nixon?
David Talbot: Nixon bewies sich als nützliches Werkzeug der Dulles-Brüder: Ein rücksichtslos ambitionierter und gerissener Politiker, der nur allzu willig war, als ihr Ausputzer für die verbliebenen Mitglieder von Rossevelts New Deal zu fungieren. Nixon wurde ein führender Kalter-Kriegs-Inquisitor, der politische Gegner der Dulles-Brüder als kommunistische Verräter brandmarkte und aus dem öffentlichen Leben beförderte.
John Foster Dulles gewann Nato-Chef Dwight D. Eisenhower für eine Kandidatur mit dem Versprechen, den Ostblock atomar anzugreifen. Auch Militärs wie Curtis LeMay und Lyman Louis Lemnitzer wollten einen Dritten Weltkrieg beginnen, als die CIA die fehlende Zweitschlagskapazität der Sowjets erkannte. Wäre das Pentagon für eine Beseitigung der insoweit unkooperativen Kennedys auf Dulles angewiesen gewesen?
David Talbot: Die Arroganz der Kalten-Kriegs-Elite war wahrhaft beängstigen in der Zeit, als Kennedy Präsident wurde, und viele hochrangige Pentagon- und CIA-Leute waren überzeugt, dass die Vereinigten Staaten einen Atomkrieg mit der Sowjetunion „gewinnen“ könnten. Die Aussicht auf so einen Krieg erschreckte JFK, und er war entschlossen, einen Weg zum Friedensschluss mit Chruschtschow zu finden, insbesondere nach der kubanischen Raketenkrise im Oktober 1962, welche die Welt an den Rand des Atomkriegs brachte.
Tatsächlich gab es einen breiten Konsens, nicht nur in diesen Washingtoner Zirkeln, sondern auch in solchen der Wall Street, dass Kennedy ein schwacher Präsident sei und die Nation in Gefahr bringe. Ich glaube, dass Allen Dulles – der als „Vollstrecker“ der amerikanischen Machtelite gesehen wurde – der Auftrag gegeben wurde, Kennedy gewaltsam aus dem Amt zu entfernen. Anschließend übernahm Dulles die Führung, um das Cover Up des Verbrechens zu arrangieren, aus seiner praktischen Position in der Warren Kommission, dem offiziellen Untersuchungsausschuss.
Vor dem Attentat in Dallas besuchte John F. Kennedy Italien und segnete dort eine Koalition zwischen den Sozialisten und den Christdemokraten ab, wodurch er Dulles Politik konterkarierte. Waren den Kennedys die Manipulationen der CIA wie die Finanzierung und Protektion der italienischen Christdemokraten in Italien unbekannt?
David Talbot: Ich glaube, dass Kennedys Kreise von den verdeckten Aktivitäten in Italien wussten. Kennedys Berater Arthur Schlesinger Jr. war teilweise über die italienische politische Szene informiert, und er war verantwortlich, Kennedy für die Unterstützung einer sogenannten „Offenheit zu den Linken“ überzeugt zu haben. Davon, dass die Sozialistische Partei mit den Christdemokraten eine Links-Mitte-Einheitspartei bilden kann – ein Plan, der, wie Sie sagen, von Dulles‘ CIA erbittert abgelehnt wurde.
JFK versuchte ein Gegengewicht zu den CIA-Zahlungen an die Christdemokratische Partei zu schaffen, indem er finanzielle Unterstützung aus den USA von linksliberalen Quellen wie der Gewerkschaft United Auto Workers Union arrangierte. Kennedys Ziel war die Stärkung der nicht-kommunistischen Linken in Italien – aber selbst das betrachtete Dulles‘ Bande als Verrat.
Zu den dreistesten Aspekten des Kennedy-Attentats gehört die Tatsache, dass man zur Aufklärung ausgerechnet Dulles und seine Freunde in die Warren-Kommission (1963) und die Rockefeller-Kommission (1975) berief. Lag Dulles mit seiner Einschätzung richtig, dass das US-amerikanische Volk nicht liest?
David Talbot: Nein, Dulles lag falsch mit seiner paternalistischen Attitüde gegenüber dem amerikanischen Volk. Zu seinem großen Entsetzen wurde der Warren-Report von der Öffentlichkeit mit zunehmender Skepsis aufgenommen, und frühe Kennedy-Verschwörungs-Bücher wie „Rush to Judgment“ und Edward Jay Epsteins „Inquest“ wurden Bestseller. Wie ich in meinem Buch geschrieben habe, versuchte Dulles hartnäckig die Medienberichterstattung über die Ermordung und die zweifelnden Kritiker am Warren Report wie Lane oder den Bezirksstaatsanwalt von New Orleans Jim Garrison zu manipulieren.
Doch für den Rest von Dulles‘ Leben setzte sich die öffentliche Kontroverse um den Warren-Report und seine Alleintätertheorie immer weiter fort. Gegen Ende seines Lebens wurde Dulles an der Universität von Kalifornien in Los Angeles face-to-face von einem Ingenieursstudenten damit konfrontiert, der den Kennedy-Fall sehr genau studiert hatte. Die Fragen die ihm der Student in einem öffentlichen Forum stellte, und der fotographische Beweis, den er ihm vor Augen führte, hinterließen den alten Mann schwer getroffen. Der Student, David Lifton (der dann seinen eigenen Bestseller über die Ermordnung schrieb – „Best Evidence“), erzählte mir, dass er sich während der Begegnung mit Dulles in der „Gegenwart des Bösen“ gefühlt habe.
Das Church-Komitee verhörte 1975 den Leiter des CIA-Mordteams, William King Harvey, der aus seiner Todfeindschaft gegen die Kennedys keinen Hehl machte. Massive Indizien sprechen für den Verdacht, dass Harvey das Attentat in Texas vorbereitet hatte. Wieso ließ man Harvey ungeschoren?
David Talbot: Harvey war tatsächlich ein Hauptverdächtiger im Kennedy-Fall – ein schießwütiger Kennedy-Hasser, den Dulles zum Leiter der Mordversuche gegen Fidel Castro gemacht hatte. Harvey hatte Zugang zu Waffen und Profikillern – und er hatte ein Motiv, um Kennedy zu ermorden, den er als schwachen und feigen Anführer betrachtete, der die Anti-Castro-Rebellen in der Schweinebucht betrogen hatte. Doch, wie er wahrheitsgemäß vor dem Church Committee aussagte, war Harvey der Typ von Mann, der Befehle ausführt – er hätte kein „eigenmächtiges“ Komplott zur Tötung des Präsidenten organisiert, wenn er nicht das Gefühl gehabt hätte, dass die ihm übergeordneten Beamten, eingeschlossen Leute wie Dulles, dies autorisiert hätten.
Dies ist der Grund, warum die Ermittler des Kongresses nicht alle Wege der Untersuchung beschritten haben – die politischen Figuren, die das Church Committee und später das House Select Committee on Assassinations betrieben, spürten, dass bei einer vertieften Durchleuchtung ihre Untersuchung in jedem Falle zur Spitze der CIA und darüber hinaus führen würde. Dies war dicht vermintes Gebiet.
Jedenfalls starb Harvey 1976 an einem Herzschlag, womit er der CIA jegliche Befürchtung ersparte, bei einer vertieften Untersuchung freier zu sprechen. Tatsächlich lebte in dieser Zeit eine Reihe an Hauptzeugen im Kennedy-Fall bequemerweise ab, wenn die Ermittler damit begannen, endlich Licht in die Ermordung zu bringen.
Der australische Historiker Greg Poulgrain sieht die Morde an Dag Hammarskjöld und John F. Kennedy u.a. in Zusammenhang mit Interessen von Dulles Freund und Mandanten Rockefeller an Bodenschätzen in Indonesien. Was halten Sie von der These?
David Talbot: Mir sind diese Verdächtigungen bekannt, aber ich habe keine eigene Untersuchung angestellt, so dass ich das nicht kommentieren kann. Jedenfalls aber kann ich sagen, dass Zentralafrika, wo Hammarskjöld bei einem verdächtigen Flugzeugabsturz starb, voller Geheimdienst-Intrigen war. Der UN-Generalsekretär versuchte im Auftrag von Patrice Lumumba, dem charismatischen Anführer des Kongo, zu intervenieren. Der forderte mit der Kontrolle seiner jungen Nation an an den Bodenschätzen starke westliche Interessen heraus, inklusive die der American Metal Climax (jetzt: AMAX), die von der Rechtsanwaltskanzlei der Dulles-Brüder repräsentiert wurde.
Die CIA arrangierte die Gefangennahme und Exekution Lumumbas im Januar 1961, um sicher zu gehen, dass die Ermordung vor der Inauguration Kennedys als Präsident erledigt sei, denn wie Hammarskjöld versuchte JFK, den kongolesischen Politiker vor seinem ultimativen Schicksal zu bewahren. Nachdem er den brutalen Mord an Lumumba arrangiert hatte, verheimlichte Dulles die Nachricht von dessen Tod vor Kennedy mehrere Wochen.
Ich möchte auch noch anmerken, dass die Rockefeller-Brüder – namentlich der Bankier David Rockefeller und der Politiker Nelson Rockefeller – eng mit den Dulles-Brüdern verbandelt waren. Und die Rockefellers teilten Allens tiefe Ablehnung von JFK. (John Foster war während der Präsidentschaft Kennedys bereits tot.) Ich glaube, dass 1963 in den Industrie- und Sicherheitszirkeln, welche die Rockefellers und Dulles dominierten, ein Konsens darüber erwuchs, dass Kennedy ein Problem sei, das gelöst werden müsse.
Die einflussreiche Illustrierte DER SPIEGEL, die in ihren ersten Jahrzehnten vom BND gesteuert wurde, zieht noch heute Zweifel an der offiziellen Version des Kennedy-Attentats ins Lächerliche. Hat Dulles gewonnen?
David Talbot: Ja, wenn man Erfolg daran misst, wie die Industrie-Medien an ihren Glauben an den Warren-Report festhalten – dann hat Dulles in der Tat gewonnen. Der 50. Jahrestag von Kennedys Ermordung, im November 2013, war eine widerwärtige Zurschaustellung der Medienkonformität und Feigheit. Mit sehr wenigen Ausnahmen haben die Medien einfach die Gelegenheit zur Wiederholung jahrzehntelanger Lügen und Fabrikationen über den „Alleintäter“ Lee Harvey Oswald genutzt. In dieser Lawine von Desinformation war jeder Hinweis auf die Arbeit des Church Committee oder des House Select Committee on Assassinations verloren, obwohl sogar das HSCA zu dem Schluss kam, dass Kennedy als Ergebnis einer Verschwörung starb. Dazu kommt die Arbeit von Hunderten hochrespektierten Journalisten und Wissenschaftlern, die gähnende Löcher in die offizielle Version bohrten.
Sie schreiben, dass Dulles mehrmals die Woche mit einflussreichen Zeitungsverlegern, Radiochefs und prominenten Journalisten speiste, was einen ausgesprochen freundlichen Umgang der US-Medien mit der CIA bewirkte. Wie reagierten die US-Medien auf das Erscheinen Ihres auch insoweit unbequemen Buchs?
David Talbot: Ja, Dulles war ein Meister im Manipulieren seiner Freunde in der Presse, zum Teil Familien, denen so führende Medieninstitutionen wie die New York Times, die Washington Post, Time-Life und CBS gehörten. Die Industriemedien setzten hier höchste Ehrerbietung gegenüber dem nationalen Sicherheitsestablishment fort, wie etwa das fast vollständige Ausblenden meines Buchs in der Presse bewies, obwohl es fantastische Besprechungen in den Zeitungen und Zeitschriften anderer Verleger und in den unabhängigen Medien erhielt. Ich bin erfreut, zu sagen, dass mein Buch trotz der Art, wie es von der New York Times ignoriert wurde, nichts weniger als ein New-York-Times-Bestseller wurde. Zum Glück kann die Kunde von Büchern wie meinem durch soziale Medien und progressive Plattformen wie die Fernsehsendung Democracy Now, Salon und Pacifica Radio die Runde machen.
Dulles-Biograph Peter Grose erwähnt zwei Aspekte in Dulles Leben, die man positiv bewerten könnte. So wirkte Dulles an der Entlarvung der „Protokolle der Weisen von Zion“ als Fälschung mit und bewies Haltung im Fall der Mississippi Civil Rights Workers‘ Murders. Warum haben Sie beides nicht erwähnt?
David Talbot: Ich teile Grose’s Interpretation dieser Vorfälle nicht. Als junger Diplomat, der in der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg stationiert war, spielte Dulles eine verwerfliche Rolle bei der Verbreitung der „Protokolle“, indem er ein Exemplar des skurrilen Traktats, das er in einem Buchladen erstanden hatte, nach Washington brachte, als ob es sich um ein wichtiges Geheimdienst-Dokument über die Enthüllung einer dunklen jüdischen Verschwörung gehandelt hätte.
Wenn er auch nicht ein offener Antisemit war, so teilte Dulles sicherlich die damals üblichen Vorurteile seiner weißen, anglosächsisch-protestantischen Kaste (WASP). Er hatte kein Mitleid mit den in Notlage geratenen Juden während des Zweiten Weltkriegs, und als amerikanischer Topspion in der Schweiz saß er auf essentiellen Berichten, die Aufschluss über den anwachsenden Holocaust gaben – Berichte, welche die Roosevelt-Administration dazu hätte bewegen können, intensivere Maßnahmen gegen die Lager und Bahnlinien zu ergreifen.
Im Fall der ermordeten Bürgerrechtler sehe ich ebenfalls keinen humanitären Impuls. Dulles erfüllte schlicht eine Aufgabe, um die ihn Präsident Johnson gebeten hatte – eine weitgehend zeremonielle Aufgabe, welche die Öffentlichkeit darüber beruhigen sollte, dass die führenden Männer in Washington die schockierenden Morde ernst nahmen. Und vergessen Sie nicht, dass Dulles bei Johnson in der Schuld stand, der eine Schlüsselrolle beim Cover Updes Kennedymords spielte, indem er Männer wie Dulles in die Warren-Kommission holte.
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Die magische Kugel des Allen Dulles
Dulles-Biograph David Talbot sieht den sinistren CIA-Direktor als Mastermind des Kennedy-Mords
Wohl nur wenige Menschen haben die Weltpolitik im 20. Jahrhundert so wie Allen Welsh Dulles geprägt – dennoch machen Historiker möglichst einen Bogen um den mächtigen Spionagechef. Während des Zweiten Weltkriegs manipulierte Dulles die Informationslage der USA, machte weiterhin Geschäft mit Nazis und bereitete den Kalten Krieg vor. Im Nahen Osten und in Südamerika erledigte er für die Öl- und Agrarindustrie die Drecksarbeit und legte damit den Grundstein für die dort feindselige Haltung gegen die USA. Als im eigenen Land ein Präsident dem Establishment nicht mehr patriotisch genug war, griff Dulles offenbar ein weiteres Mal in den Lauf der Geschichte ein.
Tabu-Thema Allen Dulles
Als der Autor dieser Zeilen 2007 zu seiner Telepolis-Biographie über Allen Dulles recherchierte, war insbesondere in deutscher Sprache nur wenig zu finden. Auch Tim Weiner fasste in seinem 2008 auch auf deutsch erschienenen Werk CIA – Die ganze Geschichte Dulles nur mit Samthandschuhen an und streifte das Kennedy-Attentat allenfalls am Rande. Als David Talbot in seinem gefeierten WerkBrothers den erbitterten Stellungskrieg zwischen den Kennedys und dem damals ultrarechten Pentagon nachzeichnete, sparte auch Talbot die Kennedy-Morde und die Personalie Allen Dulles weitgehend aus – wohl, um nicht in den Ruch eines Verschwörungstheoretikers zu geraten.
Diese Auslassungen füllt Talbot nun in The Devil‘s Chessboard mit einer Biographie über den Mann, den er aufgrund einer beeindruckenden Indizienkette für das Mastermind hinter dem Kennedy-Mord hält: Allen Dulles. Das umfangreiche Buch besteht jeweils zu einem Drittel aus Dulles‘ Kriegsabenteuern, seiner Rolle bei Aufbau und Leitung der CIA und dem Kennedy-Mord. Von der Fülle der bislang nicht oder kaum bekannten Details soll hier nur ein geringer Teil aufgegriffen werden.
Der Spion, der seine Präsidenten betrog
Allen Welsh Dulles (1893-1969) stammte aus einer angesehenen Ostküstenfamilie. Sowohl sein Großvater als auch sein Onkel fungierten jeweils als US-Außenminister. Seine Karriere als Diplomat in Europa krönte der Princeton-Absolvent bei den Verhandlungen zu den Versailler Verträgen. Danach trat er in die von seinem Bruder John Foster Dulles geführte Industriebank Sullivan&Cromwell ein, über welche die Wallstreet praktisch das gesamte Außenhandelsgeschäft abwickelte. Sullivan&Cromwell warb für Anleihen zur Refinanzierung des Deutschen Reichs und vertrat deutsche Firmen, fungierte etwa als US-Generalrepräsentant für das Chemiekartell IG Farben. Dulles wurde Schatzmeister der Republikanischen Partei. Besonders gut mit den Dulles-Brüdern verstanden sich die Rockefellers (Standard Oil), der Nazi Henry Ford und der Unternehmer Prescott Sheldon Bush.
Die tief in das Deutschlandgeschäft verstrickte Bank verwandte sich gegen einen Kriegseintritt der USA, ebenso der auch im Rüstungsgeschäft operierende Börsenspekulant Joseph Kennedy. Nachdem ein Kriegseintritt wegen des Angriffs auf Pearl Harbour politisch nicht mehr abzuwenden war, trat Allen Dulles in den von der Wallstreet aufgebauten unkonventionellen Kriegsgeheimdienst OSS ein, der in den Räumen des Rockefeller-Centers gegründet worden war. Dulles betrieb in der eingeschlossenen Schweiz ein nur mäßig geheimes Spionagebüro, von wo er seine Kontakte in die deutsche Geschäftswelt und Politik nutzte.
Dabei beschaffte er nicht nur Informationen aus Deutschland, sondern machte weiterhin Geschäfte mit deutschen Unternehmern, die nach Kriegseintritt US-Amerikanern verboten waren. Dulles bereicherte sich u.a. an anrüchigen Goldgeschäften und finanzierte damit faktisch den Gegner mit dessen Raubgold. Aus mehreren Quellen erfuhr Dulles vom Holocaust, gab diese Informationen jedoch nie weiter. Die Nachricht vom industriellen Massenmord hätte in den USA durchaus auch die öffentliche Meinung beeinflussen können. So waren in den USA jüdische Flüchtlinge dort ähnlich unwillkommenwie derzeit syrische. Als Dulles 1962 abdanken musste, machte er es seinem Nachfolger zur Auflage, seine damaligen Aktivitäten nicht zu untersuchen.
Kalter Krieg
Wie viele im US-Militär war auch Dulles der Meinung, dass man statt gegen Deutschland besser mit den Deutschen gegen die nun geschwächte Sowjetunion kämpfen sollte. So verhandelte er Jahre vor Kriegsende mit Hitler-kritischen Deutschen aus Wirtschaft und Militär über eine Kapitulation, obwohl ihm dies der Präsident ausdrücklich verboten hatte. Manche sehen Dulles Eigenmächtigkeiten als den eigentlichen Beginn des Kalten Kriegs.
Dulles schleuste denkbar hochbelastete Nazis aus und brachte sie später im US-Geheimdienst unter. Um die Nachkriegsgesellschaft zu kontrollieren, empfahl der Diplomat das Umwerben der Eliten und hofierte diese in deutsch-amerikanischen Netzwerken (Grüne und Linke auf der Atlantik-Brücke). Zu Dulles wichtigsten Kontakten gehörte der ehemalige Nazi-General Reinhard Gehlen, der ein Jahrzehnt einen US-Geheimdienst mit deutschem Personal führte und diesen 1956 zum Bundesnachrichtendienst umfirmierte.
Dulles setzte sich 1947 für die Gründung der CIA ein. Dem von der dilettantischen Cowboytruppe OSS angewiderten Präsidenten Truman spiegelten die Befürworter vor, man installiere lediglich eine Agentur, um die in Washington kursierenden Informationen über das Ausland zentral zu sammeln. Erneut hatte Dulles seinen amtierenden Präsidenten hintergangen, denn Dulles reaktivierte praktisch wieder das OSS. Statt lediglich zu spionieren, manipulierte die CIA 1948 etwa die italienischen Wahlen, um die Kommunisten kurz zu halten.
Die in der Republikanischen Partei einflussreichen Dulles-Brüder gewannen Kriegsheld Eisenhower als Präsidentschaftskandidaten, der nach seiner erfolgreichen Wahl John Foster Dulles zum Außenminister und Allen Dulles zum CIA-Direktor machte. Damit lag die US-Außenpolitik in jeder Hinsicht in den Händen der ultrakonservativen Wallstreet-Banker, die von Kommunismus wenig hielten und die Welt in den Kalten Krieg führten. Ihre Positionen bei Sullivan & Cromwell und damit das Mandat der Wallstreet behielten die Brüder.
Kalte Krieger
Um seine Ziele zu erreichen, war Dulles jedes Mittel recht. Zu den düstersten Kapiteln der CIA zählt das auf Dulles zurückgehende Projekt MKUltra, mit dem man über Drogen und Gehirnwäsche Menschen u.a. zu willenlosen Attentätern manipulieren wollte. Bei der verdeckten Finanzierung nicht nur dieser Operation waren die gleichfalls spionagebegeisterten Rockefellers behilflich, mit denen die Dulles-Brüder eng befreundet waren.
Ein weiterer wichtiger CIA-Partner war Milliardär Howard Hughes, der etwa die Spionagesatelliten baute und später das Azorian Project realisierte. Eines der erfolgreichsten Projekte wie der ultrageheime Höhenaufklärer U2 führte jedoch zu einer harten Blamage. So war der Pilot Gary Powers über der Sowjetunion abgeschossen worden, obwohl Eisenhower die völkerrechtswidrigen Spionageflüge inzwischen untersagt hatte. Die so provozierte Absage des Pariser Friedensgipfels dürfte dem Kalten Krieger durchaus willkommen gewesen sein.
Regime Changes
Dulles war spätestens seit seinen Kontakten zum deutschen Widerstand gegen Hitler mit Staatsstreichen befasst. Der Schattenmann schlug ein Sniper-Attentat (!) auf Stalin in Paris vor und wollte die chinesische Regierung durch einen Flugzeugabsturz beseitigen, was ihm Eisenhower versagte. In den 1950er Jahren wahrte Dulles die Interessen der von Sullivan&Cromwell vertretenen United Fruit Company, die praktisch die gesamte Wirtschaft Guatemalas kontrollierte und vertrieb durch einen von der CIA inszenierten Putsch den gewählten Präsidenten Jacobo Árbenz Guzmán. Für seine persönlichen Mandanten Mohammad Reza Schah Pahlavi und die mit den USA eng kooperierende britische Ölindustrie, organisierte er im Iran den Sturz der Regierung Mossadegh.
Während die CIA das Putschen stets den von ihr angeleiteten und aufgerüsteten ausländischen Partnern überließ, beschäftigte sie auch ein eigenes Spezialkommando für Black Ops wie Liquidation von missliebigen Personen. Von der Existenz dieses „Secret Teams“ berichtete 1975 der Militärgeheimdienstler L. Fletcher Prouty, Vorbild für die Figur des Mister X im Spielfilm JFK.
Der bislang größte Regime Change der CIA war 1961 für Kuba vorgesehen. Der anfangs von der CIA begeisterte Kennedy hatte von seinem Vorgänger die fortgeschrittenen Pläne zur Geheiminvasion in der Schweinebucht geerbt. Tausenden Exilkubaner sollten unter CIA-Regie auf Kuba anlanden und als neue Regierung die USA gegen Castro-treue Kräfte um Hilfe rufen.
Um den Angriffszeitpunkt der bereits durchgesickerten Operation zu verschleiern, fuhr Dulles mit seiner Familie auf Reisen. Als ihm die Nachricht von den Problemen überbracht wurde, zeigte er nicht die geringste Überraschung. Tatsächlich war den Strategen klar gewesen, dass der Plan nur bei Luftunterstützung durch das Militär Erfolgsaussichten hatte. Ihre Erwartung, Kennedy würde den Angriff durch US-Militär nicht versagen, ging nicht auf und besiegelte das Schicksal der Operation, die (aus patriotischer Sicht) der Nation die größte Schande aller Zeiten bereitete.
Schatten-CIA
Der für das Debakel verantwortlich gemachte Dulles erhielt für seinen unumgänglichen Abgang eine Schamfrist, in der er für das neu gebaute CIA-Gebäude einen Hausherrn suchen durfte. Der 69jährige Dulles präsentierte schließlich den in der Branche unerfahrenen Rüstungsunternehmer John McCone, dem er die Familiengeheimnisse der Agency (wie etwa die Mordaktionen) verschwieg. Tatsächlich wurde McCone in erster Linie von Dulles benutzt, während Dulles‘ Stellvertreter Richard Helms weiterhin die Kontrolle behielt.
Intrigant Dulles hatte nicht die Absicht, sein Lebenswerk anderen zu überlassen. Fortan leitete er die Firma heimlich aus seinem Privathaus, wo er regelmäßig seine Getreuen empfing. Außerdem nutzte er eine verdeckte Zentrale im geheimen Stützpunkt Camp Peary. Das in einem militärischen Sperrgebiet in Virginia gelegene Objekt fungierte auch als Basis für Black Ops wie das Festhalten und Verhören von Gegnern. In seiner Eigenschaft als CIA-Ausbildungszentrum wurde es als „die Farm“ bekannt.
Kennedys Haltung während der Kubakrise sowie die Beschneidung von Militär und Geheimdiensten brachte die politische Klasse in Rage. Von Kennedys Steuerplänen waren insbesondere die Vertreter der Öl- und Stahlindustrie nicht erbaut. Der im Staat deutlich besser verdrahtete Nelson Rockefeller, der ebenfalls Interesse am Präsidentenamt hatte und später Fords Vizepräsident wurde, griff Kennedy an. Der geschworene Kennedy-Hasser General LeMay, der später ebenfalls für das Weiße Haus kandidierte, beklagte Kennedys fehlende Entschlossenheit, die das Land gegenüber der Sowjetunion schwäche. CIA-Planer James Jesus Angleton beunruhigten Kennedys Frauenaffären. Die letzte Freundin des Präsidenten war ausgerechnet Mary Meyer gewesen, die Ex-Frau des CIA-Desinformationsspezialisten Cord Meyer.
Mit Argwohn verfolgte die CIA Kennedys Italienreise im Herbst 1963, auf der sich der Präsident mit dem Christdemokraten Aldo Moro traf. Obwohl die italienischen Christdemokraten von der CIA großzügig finanziert worden waren, wollte Moro mit den Sozialisten koalieren, was Kennedy zum Entsetzen der CIA billigte. Der neue CIA-Stationschef in Rom war einer der heißspornigsten Kennedy-Feinde überhaupt.
William King Harvey
Draufgänger William King Harvey war Leiter des Secret Teams für Mordanschläge gewesen. In der Geheimdienstwelt hatte er sich mit dem Bau des Berliner Spionagetunnels und der Enttarnung des Doppelagenten Kim Philby einen Namen gemacht. Dem von Dulles zum Idol für Agenten aufgebauten Harvey unterstand die in jedem Geheimdienst prestigeträchtige Abhörabteilung, zudem strebte er die Zuständigkeit für den Hauptfeind Sowjetunion an.
Harvey hatte auch den europäischen Killer rekrutiert, der Patrice Lumumba tötete. Nach der kubanischen Revolution nahm Harvey bereits 1961 Kontakt zur US-Mafia auf, die den gemeinsamen Gegner Fidel Castro beseitigen sollte – ohne Wissen des Präsidenten. Harvey sandte hinter dem Rücken der Kennedys sogar noch auf dem Höhepunkt der Kubakrise subversive Teams auf die Insel, um Fidel Castros Regime zu destabilisieren.
Als der hiervon entsetzte Robert Kennedy diese Provokation kritisierte, beschimpfte ihn der als trinkfreudig bekannte Harvey in respektloser Weise. Kurz darauf wurde Harvey trotz fehlender Sprachkenntnisse auf den CIA-Posten nach Rom strafversetzt. Dort pflegte er Kontakte zur italienischen und korsischen Mafia, die über fähige Auftragskiller verfügte. Außerdem war er als CIA-Stationschef der Verbindungsmann für eine paramilitärische Geheimarmee, die 1990 als Gladiobekannt werden sollte. Als der Schattenmann vor dem Church-Komitee aussagen musste, beteuerte er, stets nur auf Befehl von oben gehandelt zu haben – was durchaus zutreffen kann, soweit es Dulles betrifft.
Rauhbein Harvey blieb sich treu. Als etwa dessen Mitarbeiter Wyatt gegen eine Rekrutierung von Mafiosi zur Liquidierung von Kommunisten protestierte, richtete Harvey seine Waffe auf den eigenen CIA-Mann. 1967 war Harvey in die Putschpläne des rechtsgerichteten Geheimdienst- und Carabinieri-Chefs General de Lorenzo involviert. 1978 wurde Moro von Personen aus dem Gladio-Umfeld liquidiert.
Durch Zufall bemerkte Wyatt, dass sein Chef im November 1963 nach Dallas reiste und sich über den Anlass ausschwieg. Am Tag des Kennedy-Attentats weilte der grobschlächtige Harvey jedoch wieder in Rom und hatte damit ein Alibi. Als das parlamentarische House Assassinations Committee ab 1976 die Morde an Martin Luther King und den Kennedys erneut untersuchte und Harvey des Mordes an Kennedy verdächtigte, verweigerte die CIA die Herausgabe von Harveys Reiseunterlagen. Während 99% der Akten zum Kennedy-Attentat freigegeben wurden, stehen Harveys Reisedokumente bis heute unter Verschluss.
Dallas Cowboys
Auch Allen Dulles bewegte sich vor dem Attentat in Texas, wo Sullivan&Cromwell sowohl die Ölindustrie als auch die Politik beriet – etwa den Bürgermeister von Dallas, Earle Cabell. Dessen Bruder General Charles Cabell war Deputy Director der CIA gewesen, bis ihn Kennedy nach dem Fiasko in der Schweinebucht rauswarf. In den zum Rassismus tendierenden Südstaaten war Kennedy ohnehin verhasst. Der rechtsgerichtete Herausgeber der Dallas Morning News, Ted Dealey (nach dessen Familie die Dealey Plaza benannt ist), hatte Kennedy zu einer härteren Linie gegen die Sowjets aufgefordert. Die Ölindustrie war vom texanischen Vize-Präsident Johnson enttäuscht, weil dieser deren Interessen nicht ausreichend vertrat und wegen einem Korruptionsskandal als lame duckgalt. Dulles besuchte nachweislich auch Johnson auf dessen Ranch, obwohl er das Treffen nicht in seinem Terminkalender vermerkte. Beim Attentat dürfte der angeschlagene Johnson allerdings allenfalls Zaungast gewesen sein.
Einen Monat vor dem 22.11.1963 traf sich Dulles mit dem befreundeten Investmentbanker C. Douglas Dillon, auf dessen Anwesen sein todkranker Bruder John Foster seinen Lebensabend verbracht hatte. Als Finanzminister war Dillon der Secret Service unterstellt, der neben dem Schutz der Währung auch für die Sicherheit des Präsidenten zuständig ist. Während der Tatzeit befand sich Dillon auf einer einwöchigen Reise, so dass er nicht für die nachlässige Sicherheit verantwortlich gemacht werden konnte. Bis heute ist unklar, wer den Sicherheitsleuten befahl, von ihren Trittsteigen an der Präsidentenlimousine zu steigen und warum diese trotz zuvor vereitelter Scharfschützenattentate ohne ihr Verdeck fuhr. Dillon und Dulles setzten später die Lüge in die Welt, ausgerechnet Kennedy habe dies verlangt. Ebenso seltsam ist, dass der Fahrer nicht einmal befragt wurde, warum er nicht beim ersten Schuss beschleunigte und dass die Limousine nicht auf Spuren untersucht, sondern stattdessen gereinigt wurde.
E. Howard Hunt
Einer von Dulles Männern fürs Grobe war E. Howard Hunt, der die Staatsstreiche in Guatemala und im Iran koordiniert hatte. Von Miami aus hatte Hunt die Geheiminvasion in der Schweinebucht kommandiert. Für die Miami-Station arbeitete der CIA-Killer David Sánchez Morales, der für Harvey schmutzige Aufträge erledigte und Hunt zufolge Ende 1963 von einem „off-the-board“-Auftrag Harveys gesprochen haben soll. Hunt, der seine eigene Rolle verschwieg, waren Harvey und Morales suspekt. Morales soll seinem Anwalt den Kennedy-Mord sogar betrunken gestanden haben.
Später wurde Hunt unrühmlich durch den Watergate-Einbruch bekannt, bei dem er unmittelbar für Präsident Nixon die gegnerischen Wahlkampfzentrale ausspionierte. Nixon befürchtete, dass diesdas ganze Bay of Pigs-Thing öffnen könne. Wegen des Skandals war Hunt bei der Agency in Ungnade gefallen und musste damit rechnen, selbst zum Sündenbock gemacht zu werden. Hunt und Harvey verband, dass sie sich zur Elite der CIA zählten. Die eigentliche CIA-Elite jedoch betrachtete sie als Handlanger, die nicht ihre Klasse hatten und notfalls nach dem Codex des Hauses für ihre Vorgesetzten den Kopf hinzuhalten hatten. Hunt schwieg daher und machte auf dem Totenbett diffuse Andeutungen.
Edward Lansdale
Zu den Teufelskerlen gehörte auch Militärgeheimdienstler Edward Lansdale, der auf den Philippinen „psychologische Kriegsführung“ durch Grausamkeit kultiviert hatte. So hatte der General einen Gefangenen kopfüber an Stichen im Hals ausbluten lassen, um der abergläubischen Landbevölkerung die Existenz vampirartiger Monster vorzugaukeln. Nachdem Kennedy der CIA die Federführung bei den Aktionen gegen Kuba entzogen und an das Militär delegiert hatte, leitete zunächst Landsdale die berüchtigte Operation Mongoose. In der Terrorkampagne vertauschten Agenten etwa für den Export gedachten Zucker mit Gift. Die Kennedys pfiffen schließlich auch Lansdale zurück.
Cover Up
Als die Schüsse von Dallas fielen, befand sich Dulles auf einer Promotiontour für sein Buch The Craft of Intelligence. Nachdem er offiziell von den Ereignissen hörte, fuhr Dulles auf die „Farm“, die u.a. als Basis für Black Ops und als Kommandozentrale diente. Dort blieb er bis zum 24. November. Innerhalb dieser Zeit war als offizieller Attentäter ein Lee Harvey Oswald ausgerufen worden, der (für einen Überzeugungstäter ungewöhnlich) seine Unschuld beteuerte und dann selbst niedergeschossen wurde. Die Leiche des Präsidenten war in einem Marinehospital ein zweites Mal obduziert worden, diesmal unter Militäraufsicht. Die Ärzte der ursprünglichen Obduktion in Dallas, die frontale Einschüsse verzeichnet hatten, schworen ihrer Diagnose ab, da inzwischen die Leiche zum Tatort zu passen schien. Mit dem offiziellen Narrativ hatte sich für viele damit der Fall erledigt – nicht für alle.
Nach dem Attentat meldeten sich die beiden Ex-Präsidenten Eisenhower und Truman zu Wort. Vor allem Truman hatte sich nicht vorstellen können, dass sich die CIA in Friedenszeiten an Mantel- und Degenaktionen beteiligte. Alleinige Aufgabe der CIA sei das Sammeln von Informationen. Es sei höchste Zeit, diese Entwicklung zu korrigieren. Dulles konterte und berief sich auf die Truman-Doktrin. Während die US-Zeitungen ansonsten auf Linie blieben, wurde im Ausland insbesondere die Täterschaft des „Kommunisten“ Oswald bezweifelt. In Italien, wo viele Weltkriegsveteranen mit den Unzulänglichkeiten des primitiven Mannlicher-Carcano-Gewehrs vertraut waren, mochte man nicht glauben, dass Oswald innerhalb von sechs Sekunden zweimal nachgeladen und dann auf Entfernung den Blattschuss gemeistert hatte.
Warren-Report
Als Opportunist Johnson eine unter Richter Earl Warren agierende politische Kommission zur Untersuchung des Attentats zusammenstellte, litten etliche Mitglieder an Interessenkonflikten. Etwa der rassistische Hardliner John McCloy, der als Anwalt für die Rockefellers und später für die ultrarechten texanischen Ölmilliardäre Murchison und Richardson tätig war. Ein weiteres Mitglied war der Republikaner Gerald Ford, der 1969 selbst Vize-Präsident werden sollte und nach Nixons Rücktritt ins höchste Staatsamt aufrückte.
U.a. Dulles früherer Stellvertreter Richard Helms brachte Johnson dazu, auch den Ruheständler Dulles persönlich zu rekrutieren. Dulles dominierte den Ausschuss und blockierte jegliche Spurensuche in Richtung CIA. Aus dem (beim besten Willen nicht zu einem Einzeltäter aus der Schussposition des Schulbuchverlags passenden) Spurenbild zauberte Dulles die absurde Theorie von der Magischen Kugel. Ford und Dulles leakten ihre Versionen vorab an die Presse, um den Spin zu kontrollieren.
Doch selbst Dulles Nachfolger McCone ging von mindestens zwei Schützen aus. Angesprochen auf die Lücken in der Geschichte kommentierte Dulles, das amerikanische Volk lese nicht. Die Agency wendete beachtliche Energie auf, um Kritiker wie Mark Lane oder Bezirksstaatsanwalt Jim Garrison mit Schmutzkampagnen zu diskreditieren und mundtot zu machen. Zur Stigmatisierung entwickelte die CIA den psychologisch wirkungsvollen Kampfbegriff conspiracy theory, deutsch Verschwörungstheorie.
Robert Kennedy
Robert Kennedy hatte von Anfang an die CIA im Verdacht. Aus Gründen der Staatsraison hielt er sich öffentlich zurück, zumal ihn FBI-Chef Hoover inzwischen kurz hielt. Doch seine eigene Kandidatur für das Präsidentenamt ließ wenig Zweifel daran, dass er den Fall erneut aufrollen würde. Während einer Wahlkampfveranstaltung wurde Robert Kennedy 1968 ebenfalls erschossen. So wurden 13 Kugeln abgefeuert, obwohl die Waffe des angeblichen Alleintäters nur Kapazität für acht Geschosse hatte. Der angebliche Alleintäter hat bis heute keine Erklärung für sein Handeln, was an die Pläne von MKUltra erinnert. Der tödliche Kopfschuss kam wie beim Bruder von hinten. Manche wollten u.a. CIA-Killer Morales am Tatort ausgemacht haben.
Rockefeller-Commission
Nachdem im Zuge des Church-Komitees 1975 die Mordprogramme der CIA bekannt wurden, sollte der Kennedy-Mord erneut überprüft werden. Präsident Ford, der selbst am Warren-Report mitgewirkt hatte, besetzte die Kommission ausgerechnet mit Dillon, dessen Secret Service so eigenartig versagt hatte. Als Chairman wählte Ford Kennedys Erzfeind Nelson Rockefeller, der inzwischen zum Vizepräsidenten aufgestiegen war. Zudem berief Ford auch den im Ruhestand befindlichen GeneralLyman Louis Lemnitzer – den einst ranghöchsten Soldaten, der den Kalten Krieg mit einem überraschenden Nuklearangriff auf die Sowjetunion und China krönen wollte, die Pläne zur Operation Northwoods unterschrieb und an Kennedy gescheitert war. Die Herren fanden den Warren-Report überzeugend.
Des Teufels Schachbrett
David Talbot bietet in seinem aufwändig recherchierten Buch nachvollziehbare Indizien dafür, dass das Establishment der Milliardäre wie die Rockefellers den Ausschlag zur Beseitigung des lästigen Präsidenten gab. Allen Dulles war praktisch der einzige Mann, der das Format und die Verbindungen hatte, um einen solchen Coup d‘Etat und dessen politische Auswirkungen sowie Vertuschung zu konzipieren und zu steuern. Zur Vorbereitung des Anschlags stand der erfahrene Killer William King Harvey bereit. Manche wollen in den drei Tramps in Dallas mit den für Penner dann doch etwas zu guten Schuhen in Wirklichkeit Howard Hunt, Frank Sturgis und vielleicht sogar Edward Lansdale erkannt haben, die den jeweiligen Schützen das Kommando gaben. Die verräterischste Fehlspur ist die Biographie des angeblichen Alleintäters Oswald, die in nahezu jedem Detail in Richtung CIA weist.
Ein ungewöhnlicher Plan wie das Manipulieren einer Leiche zum Legen von Fehlspuren passt zu den Desinformationsspezialisten Cord Meyer und James Jesus Angleton. Das offenbar von langer Hand vorbereitete Verbringen von Kennedys Leiche durch die Air Force zur illegalen zweiten Obduktion im Marinekrankenhaus sowie die eklatante Nachlässigkeit des Secret Service waren nur mit Verbindungen in höchste Staatskreise möglich, über die etwa die oft verdächtigte Mafia so nicht verfügte. Am auffälligsten aber ist der Umstand, dass der Staat mit der Aufklärung ausgerechnet die Hauptverdächtigen und Nutznießer des Verbrechens befasste. Das nachträgliche Vertuschen war Chefsache.
Nach dem JFK Act vom 26.10.1992 sollen am 26.10.2017 1.100 noch gesperrte Dokumente zum Kennedy-Attentat freigegeben werden.
Markus Kompa
Cold War Leaks
Geheimnisvolles und Geheimdienstliches aus dem Kalten Krieg
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Von Markus Kompa aktuell im Westendverlag erschienen: Der Politthriller Das Netzwerk.
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