Schwarzach/Vorarlberg – „Von Natur und Kultur“ lautete der Titel meines Editorials in der Klimaschutz-Extra-Ausgabe der Vorarlberger Nachrichten vom 25. November 2016 – es geht ums Miteinander, um unsere Empathie- und Beziehungsfähigkeit: Zwölf Initiativen, Unternehmer, Schüler, Private und Gemeinden sind mit dem VN-Klimaschutzpreis ausgezeichnet worden.
Die Naturgesetze sind fix – da fährt der berühmte Zug drüber. Der Natur ist es egal, ob es eine Menschheit gibt oder nicht – denken wir an die Dinosaurier. Die Natur überlebt immer, ob wir nun als intelligente Spezies unsere eigene Lebensgrundlage zerstören oder nicht. Was wir aber positiv verändern können, ist unser Verhalten, unsere Lebens- und Arbeitsweise. Unsere Beziehungskultur – weg von Gier und Egoismus, hin zur Empathie, Menschlichkeit und Kooperation.
Von Verena Daum
Einfach zu erklären ist das mit den Prinzipien der Permakultur-Philosophie: Alle Elemente eines Systems stehen miteinander in Wechselwirkung; jedes Element erfüllt mehrere Funktionen; jede Funktion wird von mehreren Elementen getragen (Resilienz); effiziente Energienutzung – die menschliche ist die effizienteste; sinnvolle Zonierung bei Modellen bzw. kleinstrukturierte Regionalität vermeidet unnötige Wege; natürliche Ressourcen nützen – Kreisläufe schließen – Energie speichern! So entstehen in regionalen Gemeinschaften intensiv genützte Systeme und Abläufe in kreativer Vielfalt, im Miteinander und im Einklang mit der Natur. Dass Ökonomie, Ökologie und Soziologie harmonisch funktionieren können, zeigen unsere Preisträger sehr eindrucksvoll. Der Vorarlberger Sonnenenergie-Experte Walter Pfister wurde als Ökopionier ausgezeichnet.
„Der Solarboom überraschte damals alle“
Unabhängigkeit ist dem Gründer der ARGE Erneuerbare Energie, Walter Pfister aus Thüringen, nach wie vor wichtig. „Der Start der Initiative im Jahr 1990, Solaranlagen im Selbstbau zu errichten, hat damals in Vorarlberg einen richtigen Solarboom ausgelöst“, erinnert sich Walter Pfister. „Bis Mitte der 90er-Jahre sind – soweit ich dazu Statistik geführt habe – ca. 1500 Solaranlagen in über 100 Selbstbaugruppen realisiert worden. Unser Verein ARGE Erneuerbare Energie Vorarlberg informierte, organisierte und betreute ehrenamtlich die zukünftigen Solaranlagenbesitzer. Es war und ist uns wichtig, dass wir mit den politischen Parteien und den Entscheidungsträgern in Kontakt sind, aber an finanzieller und ideologischer Unabhängigkeit festhalten.“ Der Solarboom überraschte alle: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Interessant war, dass die Politik sehr schnell reagiert hat und – ausgearbeitet vom damaligen Energiesparverein Vorarlberg, heute Energieinstitut Vorarlberg – eine finanzielle Unterstützung für den Bau von Solaranlagen einführte. Eine sehr kluge Entscheidung“, betont Pfister. „Die Wirtschaft – insbesondere Installateure – wurden von dieser Solarwelle völlig überrascht und reagierten erst einmal reserviert. Viele sahen darin eine Konkurrenz, und hinter vorgehaltener Hand lautete der Vorwurf sogar ,legalisierte Schwarzarbeit‘. Die Bevölkerung hingegen zeigte sich äußerst interessiert, und die Nutzung von Solarenergie wurde – und wird nach wie vor – sehr positiv gesehen. Rund 25 Jahre nach den Anfängen kann man sagen: Die Nutzung von Sonnenenergie über thermische Solaranlagen ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen; mittlerweile sind fast 300.000 m2 Kollektorfläche in Vorarlberg auch klimaaktiv.“
„Einen Denkprozess in der gesamten Bevölkerung in Gang setzen“
„Die Stromgewinnung aus Solarenergie und passive Solarenergienutzung finden im Hausbau ungebremste Zustimmung“, weiß Pfister. „Energie aus der Sonne ist mehr als warmes Wasser in der Dusche oder in der Badewanne. Hier muss der Blick erweitert und z.B. auf die Thematik der begonnenen Klimaänderung gerichtet werden. Dies muss einen Denkprozess in der gesamten Bevölkerung in Gang setzen, welcher getragen ist von der Verantwortung gegenüber dem Nächsten und den nächsten Generationen. Vor diesem Hintergrund findet jeder sein Plätzchen, wo er die Vision von Nachhaltigkeit umsetzen kann. Die politischen Parteien in Vorarlberg haben sich auf ein Energieleitbild geeinigt, bis 2050 die Energieautonomie im Ländle zu erreichen! Ein Ziel, welches von allen in Vorarlberg unterstützt und umgesetzt werden kann. Ich bin überzeugt, dass es gelingt. Auch gegen Widerstände, wie damals eben, als wir euphorisch in das Solarzeitalter aufgebrochen sind.“
„Es ist wichtig, aus Überzeugung zu handeln“
„Es gilt, sich aus Überzeugung auf den Weg zu machen. Menschen verändern sich dabei selbst und erreichen dann oft auch einen Wandel bei anderen Personen“, weiß Walter Pfister aus Erfahrung. „Alle zusammen können im günstigen Fall eine Bewegung in Gang setzen, welche über die Region hinaus Wirkung erlangt. Und dabei spielt öffentliche Anerkennung wie z.B. in Form des VN-Klimaschutzpreises eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist überhaupt notwendig und lobenswert, dass die Medien Positivbeispiele jeglicher Art einer breiten Bevölkerung bekannt machen. Mundpropaganda reicht nicht mehr aus. Die VN mit ihren unterschiedlichen Kanälen haben die Kraft, viele Menschen zu erreichen und sie zu informieren. Dabei tragen sie Verantwortung und nehmen diese in dem Fall auch wahr. Ich möchte an der Stelle anfügen, dass Marianne Mathis als VN-Redakteurin maßgeblichen Anteil an der Publizität des Themas Sonnenenergie hatte und ihr Einfluss auf die Entscheidungen der Vorarlberger Landesregierung in Energiefragen erheblich war. Ihr müsste diesbezüglich noch posthum eine Anerkennung gegeben werden.“
Vorarlberg kann das Ziel Energieautonomie 2050 nicht nur erreichen, sondern übertreffen und zur Modellregion werden
„Mehr oder weniger ist jedem bekannt, dass unsere Welt eigentlich ein globales Dorf geworden ist“, sagt Pfister. „Globalisierung, Internet, Klimawandel, internationale Organisationen usw. verbinden die Länder auf unserem Globus. Es kann sich kein Land aus diesem Geflecht herausnehmen und einen wirklich eigenständigen Weg gehen. Das heißt aber auch: Wir tragen alle Verantwortung. Hier gibt es keine Ausrede und keine Entschuldigung. Jeder ist Akteur und gleichzeitig Betroffener. In erster Linie besteht die Aufgabe im Zusammenleben der einzelnen Individuen – gleich welcher Gruppengröße und geografischer Lage – aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dazu gibt es bereits genügend Steuerungsinstrumente durch Gesetze, Verträge, Religionen, Traditionen etc. Leider funktionieren diese Regelungen oft nur mangelhaft. Deshalb braucht es immer wieder neue Anstöße, welche von einzelnen Personen, Institutionen, Staaten etc. ausgehen, um Veränderungen auf lokaler, regionaler, nationaler oder sogar globaler Ebene einzuleiten. Das Ziel: Wir wollen die Welt verändern.“
„Dieser hohe Anspruch ist in Vorarlberg nicht unbedingt vorrangiges Ziel. Aber es hat sich immer wieder gezeigt, dass ,best practice‘ eine Vielzahl von Nachahmern und ungeahnte Verbreitung findet“, erläutert Pfister. „Deshalb glaube ich, dass erstens Vorarlberg in der Lage ist, das selbst gesteckte Energieautonomie-Ziel 2050 zu erreichen und zu übertreffen, und zweitens ein Vorbild für andere Regionen sein kann. Dafür müssen aber eben alle in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich ihren Beitrag leisten und erkennen, dass dies unserer unmittelbaren Region, Europa und schließlich unserem Globus einen unschätzbaren Nutzen bringt. Wir sind in Vorarlberg auf dem Weg, einem akzeptablen und positiv stimmenden Weg, aber noch ist das Ziel ein großes Stück entfernt.“
„Der Mensch hat größten Einfluss auf alle Ereignisse“
Die Klimaschutz-Idee von KommRat Werner Druml sen. appelliert an unsere Beziehungsfähigkeit. „In meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer in einem Dienstleistungsbetrieb hatte ich viel mit Menschen zu tun und gewann die Erkenntnis, dass der Mensch den größten Einfluss auf sämtliche Ereignisse und Bewegungen hat“, beschreibt Werner Druml seinen Ansatz zur Klimaschutz-Idee, die lautet: „Wenn wir von Klimaschutz reden, dann denken wir an Klimawandel, Klimaerwärmung, Klimaveränderung, Klimabündnis, Klimaschutzpolitik usw. Meine Vorstellung geht in Richtung Mensch: Gesprächsklima, Beziehungsklima, Nachbarschaftsklima, Betriebsklima, politisches Klima, Schüler-Lehrer-Klima usw. Wenn in diesen Bereichen ein gutes, nachhaltiges Klima herrscht, verbrauchen wir weniger menschliche Energie, können diese anders nutzen, ersparen uns unnötige Wege – etwa zu Gerichten, Ämtern, Behörden usw. Wir haben die Augen und Ohren offen für die wesentlichen Dinge und erleben eine andere Lebensqualität. Dieser Ansatz ist selbstverständlich nicht zu Ende gedacht, wäre aber vielleicht ein Ansatz für weitere Überlegungen.“
Die Beiträge sind am 25. November 2016 in der Extra-Ausgabe „VN-Klimaschutzpreis 2016“ der Vorarlberger Nachrichten erschienen.
Nach diesem wirklich guten Bericht habe ich eine wichtige Frage an alle Leser:
„Wie kann eine Transformation der übergroßen Resignation vieler unserer Mitmenschen zu wichtigen Themen unseres localen und weltweiten Zusammenlebens in mehr Interesse am Gemeinwohl und zu mehr Motivation für dementsprechende Handlungen noch vonstatten gehen ?“
Antworten und Anregungen bitte gleich hier deponieren.
LG Tom