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Die amerikanische Außenpolitik. Diskussion mit John Mearsheimer und Jeffrey Sachs

Aus dieser Quelle entnommen: https://free21.org/die-amerikanische-aussenpolitik/

Diskussion mit John Mearsheimer und Jeffrey Sachs über

Die amerikanische Außenpolitik

Von John J. Mearsheimer und Jeffrey D. Sachs , veröffentlicht am: 9. Dezember 2024, Kategorien: Geopolitik

Die Veranstaltung fand am 16.09.2024 in New York statt und wurde zuerst www.youtube.com unter der URL <https://www.youtube.com/watch?v=uvFtyDy_Bt0> veröffentlicht. Das Transkript wurde von Ursula Cross angefertigt. Lizenz: All-In Podcast

John Mearsheimer und Jeffrey Sachs diskutieren beim All-In Summit 2024 miteinander. (Screenshot vom 03.12.2024, <https://www.youtube.com/watch?v=uvFtyDy_Bt0>)

All-in Summit in New York am 16. September 2024

„Beim ‚All-In Summit‘ schlossen sich zwei der provokantesten Stimmen in der Außenpolitik, John Mearsheimer von der University of Chicago und Jeffrey Sachs von der Columbia University, den Gastgebern des ‚All-In‘-Podcasts für eine umfassende Diskussion an, die die Schichten der globalen Machtdynamik freilegte. Unter der Moderation von David Sacks wurde die Rolle des sogenannten ‚Tiefen Staats‘ unerschrocken unter die Lupe genommen und aufgedeckt, wie beide großen politischen Parteien trotz ihres äußeren Erscheinungsbildes an der weltweiten Machtprojektion der USA beteiligt sind. Von der Verwicklung der USA in die Ukraine bis hin zu den langfristigen Auswirkungen des Aufstiegs Chinas – diese intellektuellen Titanen erklärten nicht nur die Mechanismen der amerikanischen Hegemonie, sondern stellten auch deren Nachhaltigkeit in einer Zeit in Frage, in der ein Atomkrieg am Horizont droht.

Mearsheimer, der für seinen unnachgiebigen realistischen Ansatz bekannt ist, analysierte, wie der ‚Tiefe Staat‘, der weit davon entfernt ist, nur eine Verschwörungstheorie zu sein, in Wirklichkeit ein Nebenprodukt des Status Amerikas als globale Supermacht ist. Sachs zeichnete unterdessen ein weitaus düstereres Bild und behauptete, dass die Außenpolitik der USA weniger von demokratischen Idealen als vielmehr von einem rücksichtslosen Streben nach Dominanz angetrieben wird. Während das Podium die Auswirkungen dieses machtstrebenden Verhaltens untersuchte, legten sie eine Wahrheit offen, der sich viele nur ungern stellen: Die Welt befindet sich nicht nur in einem geopolitischen Schachspiel, sondern steht am Abgrund einer weitaus katastrophaleren Entwicklung. Die Schlüsselfrage, die in der Luft hing, war, ob Amerika und die Welt sich aus diesem selbstzerstörerischen Kreislauf befreien können oder ob wir alle unweigerlich in der von Mearsheimer sogenannten ,Tragedy of Great Power Politics‘ gefangen sind [1].“

Welche Partei ist die Partei des Tiefen Staates, und was sind ihre Ziele?

David Sacks: Ich freue mich auf diese Podiumsdiskussion. Wir werden über Außenpolitik sprechen. Ich denke, wir haben zwei der interessantesten und renommiertesten Denker zum Thema Außenpolitik: Professor John Mearsheimer von der University of Chicago und Professor Jeffrey Sachs von der Columbia University. Es ist großartig, dass Sie heute hier sind.

Die Welt ist groß und es passiert viel, also lassen Sie uns einfach loslegen. Die große Neuigkeit der vergangenen Woche war, dass Dick Cheney Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin unterstützt hat. Ich denke, dass es für Menschen, die die Welt in parteipolitischen Begriffen sehen, überraschend gewesen sein könnte, aber ich glaube nicht, dass Sie davon so überrascht waren. Sehen Sie eine zugrunde liegende Logik dahinter? Jeff, fangen wir mit Ihnen an.

Jeffrey Sachs: Ich denke, das ist offensichtlich. Es gibt im Grunde eine Partei des Tiefen Staats, und das ist die Partei von Cheney, Harris, Biden und Victoria Nuland – meiner Kollegin an der Columbia University. Nuland ist so etwas wie das Gesicht all dessen, weil sie in den letzten 30 Jahren in jeder Regierung vertreten war. Sie war in der Regierung von Clinton und hat unsere Politik gegenüber Russland in den 1990er Jahren ruiniert. Sie war mit Cheney in der Regierung Bush Jr. und hat unsere Politik mit der NATO-Erweiterung ruiniert. Dann war sie in der Regierung von Obama, zunächst als Sprecherin von Hillary und hat dann im Februar 2014 einen Putsch in der Ukraine angezettelt – es war keine gute Idee; sie hat einen Krieg begonnen. Und dann war sie Bidens Unterstaatssekretärin. Da es sich um beide Parteien handelt, ist es ein kolossales Chaos. Sie war Cheneys Beraterin, sie war Bidens Beraterin, das ergibt durchaus Sinn. Das ist die Realität. Wir versuchen herauszufinden, ob es noch eine andere Partei gibt. Das ist die große Frage.

David Sacks: John, was denken Sie darüber? Sehen Sie einen Unterschied zwischen Republikanern und Demokraten?

John Mearsheimer: Nein. Ich bezeichne die Republikaner und Demokraten gerne als Tweedle Dee und Tweddle Dum. Es gibt kaum einen Unterschied. Ich denke, die einzige Ausnahme ist, dass der ehemalige Präsident Trump, als er 2017 Präsident wurde, darauf aus war, den Tiefen Staat zurückzudrängen und außenpolitisch eine andere Art von Führungspersönlichkeit zu werden. Aber im Grunde genommen ist ihm das nicht gelungen. Und er hat geschworen, dass es, wenn er gewählt wird, dieses Mal anders sein wird und er den Tiefen Staat zurückschlagen wird. Er will eine Außenpolitik verfolgen, die sich grundlegend von der unterscheidet, die Republikaner und Demokraten bisher verfolgt haben. Die große offene Frage ist, ob Sie glauben, dass Trump den Tiefen Staat und diese beiden etablierten Parteien schlagen kann, und ich wette gegen Trump.

Chamath Palihapitiya: Können Sie das für uns, für mich, definieren? Ich verstehe nicht, was mit „Tiefer Staat“ gemeint ist. Ich fand den Begriff fast schon komisch – wir haben einen Freund in unserer Chat Gruppe, den wir Tiefer Staat nennen. Aber wir sagen es als Witz. Aber vielleicht für die Uneingeweihten: Was bedeutet das eigentlich? Was sind ihre Anreize? Wer sind sie?

John Mearsheimer: Lassen Sie mich ein paar Worte dazu sagen. Wenn wir über den „Tiefen Staat“ sprechen, sprechen wir eigentlich über den Verwaltungsstaat. Es ist sehr wichtig, dies vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der amerikanischen Wirtschaft ab dem späten 19..und frühen 20. Jahrhundert zu verstehen. Es war unerlässlich, dass wir uns weiterentwickeln.

Das galt für alle westlichen Länder. Es brauchte einen sehr mächtigen Zentralstaat, der das Land regieren konnte. Im Laufe der Zeit hat dieser Staat an Macht gewonnen. Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten, wie Sie alle wissen, in jedem Winkel der Welt involviert und führten Kriege, hier, dort und überall. Um das zu tun, braucht man einen sehr mächtigen Verwaltungsstaat, der bei der Verwaltung dieser Außenpolitik helfen kann.

Aber was passiert dabei, wenn man all diese hochrangigen Bürokraten hat und die Bürokraten auf der mittleren und unteren Ebene? Sie etablieren sich in Positionen im Pentagon, im Außenministerium, in der Geheimdienstgemeinschaft, und am Ende haben sie ein persönliches Interesse daran, eine bestimmte Außenpolitik zu verfolgen. Es ist diejenige die von den Demokraten und den Republikanern vorangetrieben wird. Und deshalb sprechen wir in Bezug auf die beiden Parteien von Tweedle Dee und Tweedle Dum. Man könnte sagen, dass der „Tiefe Staat“ auf beiden Seiten steht, wie diese beiden Institutionen.

Jeffrey Sachs: Im Jahr 2017 gab es ein sehr interessantes Interview mit Putin im Figaro. Er sagte:

„Ich habe jetzt mit drei Präsidenten zu tun gehabt. Sie kommen sogar mit einigen Ideen ins Amt. Aber dann kommen die Männer in den dunklen Anzügen und den blauen Krawatten – ich trage rote Krawatten, aber sie tragen blaue Krawatten – und erklären, wie die Welt wirklich ist. Und schon sind die Ideen verschwunden.“

Ich denke, das ist Putins Erfahrung, das ist unsere Erfahrung, das ist meine Erfahrung, nämlich dass es eine tief verankerte Außenpolitik gibt. Meiner Interpretation nach gibt es sie schon seit vielen Jahrzehnten, aber eine Variante davon gibt es wohl seit 1992.

Ich habe schon früh einiges davon mitbekommen, weil ich Berater von Gorbatschow und Jelzin war. So habe ich die Anfänge davon miterlebt, auch wenn ich es nicht vollständig verstanden hatte, sondern erst im Nachhinein. Aber diese Politik wird seit 30 Jahren größtenteils ziemlich konsequent umgesetzt. Es spielte dabei keine Rolle, ob es Bush Sr., Clinton, Bush Jr., Obama oder Trump war. Wen hat Trump schließlich eingestellt? Er hat John Bolton eingestellt. Nun, das bedeutetet: „Tiefer Staat“. Er erklärte, dass es so ist, wie es ist. Auch in seinen Memoiren erklärte Bolton übrigens: Als Trump nicht zustimmte, haben wir im Grunde Wege gefunden, ihn auszutricksen.

Chamath Palihapitiya: Was sind deren Anreize? Ist es Krieg, ist es Selbstbereicherung, ist es Macht, ist es alles zusammen?

David Friedberg: Ist es eine philosophische Grundlage oder ist es nur dieses Trägheitsproblem, dass es schwierig ist, eine einmal begonnene Politik zu ändern, wenn das System einfach funktioniert; wenn 10.000 Menschen darauf hinarbeiten?

Jeffrey Sachs: Wissen Sie, wenn ich das Glück hätte, neben dem größten politischen Philosophen der Welt zu sitzen – was ich tue –, würde er euch eine gute Antwort geben. Nämlich, dass wenn man die amerikanische Außenpolitik interpretieren will, dann besteht die richtige Antwort darin, die Macht zu maximieren. Und John gibt eine Erklärung dafür. Wir haben einige Meinungsverschiedenheiten, aber ich denke, es ist eine sehr gute Beschreibung der amerikanischen Außenpolitik. Im Wesentlichen nämlich, dass sie versucht, die globale Macht zu maximieren, um globaler Hegemon zu sein.

Ich denke, das könnte uns alle umbringen, weil es meiner Meinung nach ein wenig wahnhaft ist – nicht seine Interpretation der Idee, sondern die Tatsache, dass diese Idee vertreten wird, ist für mich ein wenig seltsam. Jedes Mal, wenn eine Entscheidung getroffen wird, die ich gesehen habe – ich bin Ökonom, daher sehe ich die Sicherheitsentscheidungen nicht auf die gleiche Weise – ging in den letzten 30 Jahren immer in die gleiche Richtung, nämlich Macht als zentrales Ziel. Clinton stand damals vor einer internen Kabinettsdebatte, ob die NATO erweitert werden sollte.

David Friedberg: Ist das ein Phänomen des Kalten Krieges?

Jeffrey Sachs: Nun, lassen Sie John das beantworten.

John Mearsheimer: Zwei ganz kurze Anmerkungen. Zunächst einmal glaube ich, dass die Befürworter dieser Außenpolitik auch wirklich daran glauben. Das ist nicht zynisch gemeint. Sie glauben wirklich, dass sie das Richtige tun.

Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist, dass es häufig um Macht geht. Als Realist glaube ich natürlich daran. Aber es ist auch sehr wichtig zu verstehen, dass die Vereinigten Staaten ein grundsätzlich liberales Land sind. Wir glauben, dass wir das Recht, die Verantwortung und die Macht haben, in der Welt herumzulaufen und die Welt nach dem Bild Amerikas neu zu gestalten.

Die meisten Menschen im außenpolitischen Establishment – die Republikanische Partei, die Demokratische Partei – glauben daran. Das ist es, was unsere Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges in weiten Teilen motiviert hat. Denken Sie daran, dass es nach dem Ende des Kalten Krieges keine rivalisierende Großmacht mehr gab. Was also tun wir mit all dieser Macht, die wir haben? Wir haben uns entschieden, hinauszugehen und die Welt nach unserem eigenen Bild neu zu gestalten.

Das Military Intervention Project (MIP) wertete alle Daten für Militärinterventionen der USA aus, inklusive u.a. verdeckter Operationen und verglich diese mit dem vorhandenen Datansatz Militarized Interstate Disputes (MID). Nach diesen Daten führten die USA seit 1776 fast 400 Interventionen durch, wobei die Hälfte in den Zeitraum 1950 bis 2019 fällt. 25% davon fanden nach dem Ende des Kalten Krieges statt. (Grafik: Kushi, S., & Toft, M. D. (2023). Introducing the Military Intervention Project: A New Dataset on US Military Interventions, 1776–2019. Journal of Conflict Resolution, 67(4), 752-779. <https://doi.org/10.1177/00220027221117546>)

David Friedberg: Das ist eine Frage der Werte, oder? Es gibt Werte, die vielen wichtig sind – dass Liberalismus und Demokratie letztlich Konflikte weltweit reduzieren und dass dies von Bedeutung ist. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben wir noch nie erlebt, dass zwei demokratische Nationen gegeneinander Krieg führen, und es gibt einen Grund, warum wir wollen, dass sich der Liberalismus auf der ganzen Welt verbreitet. Es liegt in unserer Verantwortung für den Weltfrieden, dies zu einem Mandat zu machen.

John Mearsheimer: Ich möchte mich ganz klar ausdrücken. Ich bin ewig dankbar, dass ich in einer liberalen Demokratie geboren wurde, und ich liebe den Liberalismus. Aber die Frage ist doch, ob wir meiner Meinung nach in der Welt herumlaufen und anderen Ländern die liberale Demokratie aufzwingen können? In manchen Fällen, indem wir sie ihnen regelrecht aufzwingen, sozusagen mit vorgehaltener Pistole. Ich behaupte, dass das fast unmöglich ist – es geht fast immer nach hinten los. Denken Sie an den Irak, Afghanistan und so weiter. Zweitens beginnt man, den Liberalismus in den Vereinigten Staaten zu untergraben, weil man einen Schattenstaat aufgebaut hat. Sie sollten verstehen, dass viele der Beschwerden hier über das harte Durchgreifen bei der Meinungsfreiheit und so weiter, mit der Tatsache zusammenhängen, dass wir diese ehrgeizige Außenpolitik haben. Diese beiden Dinge gehören auf sehr wichtige Weise zusammen.

Jeffrey Sachs: Lassen Sie mich ein wenig widersprechen. Wir sind uns über das Verhalten einig, und das habe ich größtenteils von dir gelernt. Aber mit meiner 40-jährigen Arbeit im Ausland glaube ich nicht, dass sich die US-Regierung einen Deut um diese anderen Orte schert. Ich glaube nicht, dass es ihnen wirklich wichtig ist, ob es sich um eine liberale Demokratie oder eine Diktatur handelt. Sie wollen das Recht auf freie Durchfahrt, sie wollen Militärstützpunkte, sie wollen, dass der jeweilige Staat die Vereinigten Staaten unterstützt, sie wollen die NATO-Erweiterung. Es gibt einige, die an Staatenbildung glauben. Meine Güte, wenn sie das glauben, sind sie so inkompetent, es ist unglaublich (Applaus).

Ich nenne euch nur ein Beispiel. Ich bin mit einem der wenigen promovierten afghanischen Wirtschaftswissenschaftler befreundet, der seit 30 Jahren eine leitende Position in der US-Wissenschaft innehat. Man sollte meinen, dass das Außenministerium, wenn es am Aufbau des Staates interessiert wäre, ihn eines Tages irgendwann einmal etwas zu Afghanistan fragen würde. Das ist nie passiert. Kein einziges Mal.

Er fragte mich: „Kannst du mir ein Treffen mit dem Außenministerium verschaffen?“ Sie waren völlig desinteressiert. Es geht um Macht. Du bist zu idealistisch, John. Die anderen Orte sind ihnen egal. Sie mögen denken, dass sie frei sein sollten und so weiter. Es geht nicht um Freiheit. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: die Staatsstreiche, die Umstürze, die demokratischen Präsidenten, die abgeführt wurden. Es ist ihnen völlig egal! Das ist Washington. Sei realistisch!

Sollten die USA ihre Macht gegen Diktatoren einsetzen?

Jason Calacanis: Professor Mearsheimer, wenn wir über Macht sprechen, dann gibt es andere Menschen auf der Welt, die versuchen, Macht an sich zu reißen. Wir leben derzeit in einer multipolaren Welt und in einigen Fällen gibt es sehr ruchlose oder schlechte Absichten, und es sind keine Demokratien. Es ist also eine Sache, den Menschen in Afghanistan zu sagen: „Ihr müsst euch weiterentwickeln, um eine perfekte Demokratie zu werden, so wie wir sie hier haben.“ Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das unrealistisch, verrückt und nicht praktikabel ist.

Aber wie wäre es, wenn sich die freien Länder der Welt zusammenschließen, um Diktatoren daran zu hindern, in andere freie Länder einzumarschieren? Wäre das nicht nobel? Wäre das eine gute Art der Machtausübung und ein guter Rahmen, in dem sich Amerika weiterentwickeln kann?

John Mearsheimer: Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, die Vereinigten Staaten sollten sich um ihre eigenen nationalen Interessen kümmern. In manchen Fällen bedeutet das, dass wir uns mit einem Diktator verbünden müssen. Wenn wir den Zweiten Weltkrieg noch einmal durchkämpfen müssten – so wie am 8. Dezember 1941 – Sie wären sicherlich dafür, sich mit Josef Stalin und der Sowjetunion gegen Adolf Hitler und Nazideutschland zu verbünden. Manchmal muss man solche Kompromisse eingehen. Wie ich bereits sagte, liebe ich die liberale Demokratie. Ich habe kein Problem damit, mich liberalen Demokratien anzuschließen. Aber wenn wir anfangen, so zu denken wie Sie, dann entsteht der Impuls, weltweit Social Engineering, soziale Beeinflussung, zu betreiben und dann handelt man sich alle möglichen Schwierigkeiten ein.

Jason Calacanis: Ich schlage vor, dass wir Maßnahmen ergreifen, wenn Diktaturen in andere Länder einmarschieren. Vielleicht sollten wir diese Länder verteidigen.

John Mearsheimer: Das kommt natürlich darauf an. Ich meine, wenn Russland in die Ukraine einfällt, dann sagen Sie im Grunde, dass Sie im Namen der Ukraine gegen Russland in den Krieg ziehen wollen. Befürworten Sie das?

Jason Calacanis: Nein, ich würde sagen, dass wir natürlich zunächst alle Möglichkeiten der Diplomatie ausschöpfen sollten. Aber wenn sie in andere freie Länder einmarschieren, dann sollten sich die freien Länder der Welt meiner Meinung nach zusammentun und den Diktatoren sagen: „Das werden wir nicht zulassen“.

Jeffrey Sachs: Ich möchte ein paar Dinge klarstellen. Zunächst einmal intervenieren wir fast immer, weil wir dies als eine Machtfrage für die USA betrachten. Ob es sich um die Ukraine, Syrien, Libyen oder andere Orte handelt. Selbst wenn wir es als Verteidigung von etwas definieren – glauben Sie mir, es geht nicht um die Verteidigung von etwas. Es geht um die Wahrnehmung der Macht der USA und der Interessen und Ziele der USA in Bezug auf die globale Hegemonie.

Wenn wir den Ukraine-Konflikt analysieren – nur ein klein wenig unter der Oberfläche – stellen wir fest, dass es sich hierbei nicht um einen Konflikt handelt, bei dem Putin in die Ukraine einfällt. Das ist etwas ganz anderes. Es geht um die Machtprojektion der USA auf die ehemalige Sowjetunion, und das ist etwas völlig anderes.

Zweitens: Wenn wir uns entscheiden, die Polizei zu sein, was wir tun, können Sie sich nicht vorstellen, mit welch zynischem Schwachsinn wir unsere Handlungen rechtfertigen. Wir haben den zynischen Schwachsinn benutzt, dass wir „die Menschen in Bengasi verteidigen“, um Libyen in Schutt und Asche zu bombardieren und Muammar al-Gaddafi zu töten. Warum haben wir das getan? Nun, ich bin so etwas wie ein Experte für diese Region, und ich kann Ihnen sagen, vielleicht weil Sarkozy Gaddafi nicht mochte. Es gibt keinen tieferen Grund, außer dass Hillary jede Bombardierung unterstützte, die sie in die Finger bekommen konnte, und Obama war irgendwie überzeugt: „Meine Außenministerin sagt, wir sollen mitmachen. Warum machen wir also nicht bei der NATO-Expedition mit?“

Es hatte gar nichts mit Libyen zu tun. Es hat 15 Jahre Chaos ausgelöst. Wir haben den UN-Sicherheitsrat hintergangen, weil es, wie alles andere, was wir getan haben, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen geschah. Dasselbe taten wir mit dem Versuch, Syrien zu stürzen. Dasselbe taten wir mit der Verschwörung zum Sturz von Wiktor Janukowytsch in der Ukraine im Februar 2014.

Das Problem bei diesem Argument ist also, dass wir keine netten Jungs sind. Wir versuchen nicht, die Welt zu retten. Wir versuchen nicht, Demokratien zu schaffen. Wir hatten ein Komitee – mit all den Koryphäen, die man nennen könnte, aber es sind die verrückten Neokonservativen, auch wenn sie Koryphäen sind. Das Komitee für das tschetschenische Volk z.B., war nicht mehr als ein Scherz. Glauben Sie, dass sie überhaupt wussten, wo Tschetschenien liegt, oder dass sie sich für Tschetschenien interessierten?

Aber es war eine Gelegenheit, Russland anzugreifen, Russland zu schwächen und eine dschihadistische Bewegung in Russland zu unterstützen. Das ist ein Spiel. Aber es ist das Spiel, das John besser als jeder andere auf der Welt beschrieben hat. Es ist ein Spiel um Macht.

Es ist nicht so, dass wir echte Dinge verteidigen. Wenn Sie echte Dinge verteidigen wollen, gehen Sie zum UN-Sicherheitsrat und überzeugen andere, denn die anderen Länder sind nicht verrückt und sie wollen kein Chaos in der Welt. Aber wir spielen Spiele. Der Irak war offensichtlich ein Spiel, bevor wir dort einmarschierten. Colin Powell konnte an diesem Tag ganz offensichtlich seine Lippen nicht bewegen, ohne zu lügen. Aber wenn wir unsere Interessen wirklich vertreten wollen, dann sollten wir zum UN-Sicherheitsrat gehen. Dann geht es nicht nur um uns, sondern es ist dann tatsächlich eine Frage der kollektiven Sicherheit.

Jason Calacanis: Professor Mearsheimer, wenn wir Jeffreys Position hier einnehmen – dass wir Macht ausüben, wegen unseres Rufs und tatsächlich auch um Diktaturen zu schwächen – ist das nicht eine gute Strategie, um Diktatoren auf der ganzen Welt zu schwächen, die vielleicht in andere Länder einmarschieren wollen? Gibt es einen Rahmen, in dem Sie das für gerechtfertigt halten könnten? Ist das nicht nobel? Ist es eine gute Strategie, Diktatoren und Despoten zu schwächen?

John Mearsheimer: Das kommt darauf an.

Jason Calacanis: Lassen Sie uns über die beiden Personen sprechen, um die es geht – Sie wissen schon, Xi Jinping. Ich glaube, darauf wollten Sie letztendlich hinaus. Und dann die Ukraine und Putin. Lohnt es sich, diese Leute einzudämmen oder gar zu schwächen?

John Mearsheimer: Was China betrifft, bin ich voll und ganz dafür, China einzudämmen. Ich bin nicht an einem Regime-Change interessiert. Ich bin nicht daran interessiert, China in eine Demokratie zu verwandeln. Das wird nicht passieren. Wir haben es tatsächlich versucht und ich fand es töricht, überhaupt eine Politik des Engagements gegenüber China zu verfolgen.

Was Russland betrifft, so glaube ich nicht, dass Russland eine ernsthafte Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellt. Ich denke in der Tat, dass die Vereinigten Staaten gute Beziehungen zu Putin haben sollten. Es ist eine bemerkenswert dumme Politik, ihn in die Arme der Chinesen zu treiben.

Es gibt drei Großmächte im System: die Vereinigten Staaten, China und Russland. China ist ein ebenbürtiger Konkurrent der Vereinigten Staaten. Es ist die größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten. Russland ist die schwächste dieser drei Großmächte und stellt keine ernsthafte Bedrohung für uns dar. Wenn man eine ausbalancierte Machtpolitik betreibt und als USA daran interessiert ist, China einzudämmen, möchte man Russland auf seiner Seite haben. Aber was wir getan haben, ist, Russland in die Arme der Chinesen zu treiben. Das ist eine bemerkenswert dumme Politik. Außerdem ist es für uns sehr schwierig geworden, uns auf Asien zu konzentrieren, um uns mit China zu befassen, das die größte Bedrohung für uns darstellt, da wir uns in der Ukraine und jetzt auch im Nahen Osten verzettelt haben. [Beifall] […]

BIP in PPP (Kaufkraftparität). China im Vergleich mit den USA. Angaben in Dollar. (Grafik: Weltbank/CC BY-4.0)

Die chinesische Bedrohung:
Den eskalatorischen Weg zum Atomkrieg vermeiden

Jeffrey Sachs: Ich wollte nur eine Fußnote hinzufügen, nämlich dass China auch keine Bedrohung darstellt. Es ist einfach keine Bedrohung. China ist ein Markt. Es hat großartiges Essen, eine großartige Kultur, wunderbare Menschen, eine Zivilisation, die zehnmal älter ist als unsere, es ist keine Bedrohung.

David Friedberg: Können Sie als Wirtschaftswissenschaftler angesichts der Handelsbeziehungen aus wirtschaftlicher Sicht über die Auswirkungen eines kalten oder heißen Konflikts mit China sprechen?

Jeffrey Sachs: Ja, es würde zum Beispiel Kalifornien ruinieren. Es würde die Wirtschaft zerstören, die ihr da komplett aufbaut. Diese Wirtschaft ist der größte Nutznießer des Aufstiegs Chinas, wahrscheinlich weltweit. Es ist also verrückt. Wenn man sich Sorgen darüber macht, ob ein Arbeiter in Ohio einen bestimmten Job an einem bestimmten Fließband behalten kann, dann könnte man gegen China sein. Wenn man sich aber Sorgen um die Technologiebranche, um Kalifornien, um den Frieden und die Zukunft macht, sollte man für China sein. Das ist alles.

David Friedberg: Warum ist es so universell geworden, davon auszugehen, dass wir uns bereits in einem Konflikt mit China befinden? Nicht nur in Bezug auf Parteigrenzen, sondern in fast jedem Spektrum, das man in Betracht ziehen könnte?

Jeffrey Sachs: John hat es genau auf den Punkt gebracht und es 2001 besser als jeder andere auf der Welt vorhergesagt. Er sagte: „Wenn China groß wird, werden wir Konflikte haben.“ Das ist Johns Theorie und sie beschreibt die amerikanische Außenpolitik, die auf Macht ausgerichtet ist. Sie sind groß, also sind sie ein Feind. Sie sind ein Feind unseres Strebens nach globaler Vorherrschaft.

David Sacks: Ich finde es interessant – Jeff und ich kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen über die Ukraine, aber zu unterschiedlichen über China, richtig? Weil Jeff ein Ökonom ist und die Welt grundsätzlich als Positiv-Summenspiel sieht, das auf dem Potenzial für Handel, Wirtschaft und so weiter basiert. Während Sie [John] die Welt eher als Nullsummenspiel sehen, das auf dem Gleichgewicht der Kräfte basiert. Warum erklären Sie diesen Unterschied nicht einfach mal?

John Mearsheimer: Es ist sehr wichtig zu betonen – wie David bereits sagte, dass Jeff und ich in allen möglichen Fragen übereinstimmen, einschließlich der Ukraine und Israel/Palästina. Aber wir sind uns, wie er gerade deutlich gemacht hat, in Bezug auf China grundsätzlich nicht einig. Lassen Sie mich erklären, warum ich denke, dass dies der Fall ist, und dann kann Jeff Ihnen sagen, warum er denkt, dass ich falsch liege.

Es hat mit Sicherheit zu tun – ob man Sicherheit oder Überleben oder Wohlstand in den Vordergrund stellt. Ökonomen, und ich würde sagen, die meisten von Ihnen im Publikum, sind wirklich sehr daran interessiert, den Wohlstand zu maximieren. Für jemanden wie mich, der Realist ist, geht es darum, die Überlebenschancen des Staates zu maximieren. Wenn man in einem anarchischen System lebt – und in der Sprache der internationalen Beziehungen bedeutet das, dass es keine höhere Autorität gibt, keinen Nachtwächter, der kommen und einen retten kann, wenn man in Schwierigkeiten gerät – und das ist das internationale System. Es gibt keine höhere Autorität.

In dieser anarchischen Welt kann man am besten überleben, wenn man sehr mächtig ist. Als Kinder auf den Spielplätzen von New York City sagten wir immer: „Du musst der größte und böseste Typ im Viertel sein.“ Und zwar einfach deshalb, weil es der beste Weg ist, um zu überleben. Wenn man sehr mächtig ist, legt sich niemand mit einem an. Die Vereinigten Staaten sind ein regionaler Hegemon – der einzige regionale Hegemon auf dem Planeten. Wir dominieren die westliche Hemisphäre.

China hat mit zunehmender wirtschaftlicher Macht begonnen, diese wirtschaftliche Macht in militärische Macht umzuwandeln. Es versucht, Asien zu dominieren. Es will uns über die erste Inselkette, über die zweite Inselkette hinaus verdrängen. Es will so sein, wie wir in der westlichen Hemisphäre.

Ich mache den Chinesen keinen Vorwurf. Wenn ich der Nationale Sicherheitsberater in Peking wäre, würde ich Xi Jinping genau das sagen, nämlich dass er versuchen sollte, dies zu tun. Aber aus amerikanischer Sicht ist das natürlich inakzeptabel. Wir tolerieren keine gleichrangigen Konkurrenten. Wir wollen keinen weiteren regionalen Hegemon auf dem Planeten.

Im 20. Jahrhundert gab es vier Länder, die drohten, regionale Hegemone wie wir zu werden: Das kaiserliche Deutschland, das kaiserliche Japan, Nazi-Deutschland und die Sowjetunion. Die Vereinigten Staaten spielten eine Schlüsselrolle dabei, alle vier auf den Schrotthaufen der Geschichte zu befördern. Wir wollen der einzige regionale Hegemon der Welt bleiben. Wir sind eine rücksichtslose Großmacht – das sollten wir nie aus den Augen verlieren.

Das Endergebnis ist, dass es zu einem intensiven Sicherheitswettbewerb zwischen China und den Vereinigten Staaten kommt, bei dem es um das Konzept der Sicherheit und nicht um Wohlstand geht.

Sie sehen, dass der Wettbewerb in allen Bereichen stattfindet, insbesondere im High-Tech-Bereich. Wir wollen nicht, dass sie uns im High-Tech-Krieg besiegen. Wir konkurrieren mit ihnen wirtschaftlich, wir konkurrieren mit ihnen militärisch, und das liegt daran, dass für uns, die Vereinigten Staaten, der beste Weg zu überleben darin besteht, der einzige regionale Hegemon auf dem Planeten zu bleiben. [Applaus]

David Sacks: Ich möchte das für Jeff hier zusammenfassen. Also, Jeff, Sie und John sind sich einig, dass es bei dem Spiel auf dem Brett um Machtstreben geht. Ich denke, was John damit sagen will, ist, dass es kluge und dumme Wege gibt, um Macht zu erlangen – China einzudämmen ist ein kluger Weg. Was wir in der Ukraine tun, ist ein dummer Weg. Es scheint jedoch, als würden Sie sagen, dass jedes machtstrebende Verhalten schlecht ist und dass dies nicht das Spiel ist, das wir spielen sollten. Wir sollten uns irgendwie davon loslösen. Ist es das, worauf Sie hinauswollen?

Jeffrey Sachs: Das ist keine schlechte Art, es auszudrücken, aber ich würde es anders formulieren. Ich habe ein sehr gutes Buch gelesen – Johns Buch – und John hat Folgendes beschrieben – ich zitiere ihn, und er kann sich anschließend selbst zitieren. Er sagte, dass regionale Hegemone einander nicht bedrohen. Warum? Weil wir einen großen Ozean dazwischen haben.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass China keine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die einzige Bedrohung für die Vereinigten Staaten in der Welt, angesichts der Ozeane, angesichts unserer Größe und angesichts des Militärs, ein Atomkrieg ist. Punkt. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir kurz vor einem Atomkrieg stehen, weil wir eine Denkweise haben, die uns in diese Richtung führt. Wir haben die Einstellung, dass alles eine Kampfansage ums Überleben ist und dass eine Eskalation daher immer der richtige Ansatz ist. Ich bin der Meinung: Ein wenig Besonnenheit könnte den ganzen Planeten retten.

Was mir bei der Ukraine nicht gefällt, ist, dass ich keinen Grund auf der Welt sehe, warum die NATO an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine stehen muss. Ich war, wie gesagt, der Berater von Gorbatschow und von Jelzin. Sie wollten Frieden und sie wollten Kooperation. Aber was auch immer sie wollten, sie wollten kein US-Militär an ihrer Grenze. Wenn wir weiterhin Druck ausüben, wie wir es getan haben, dann beschwören wir einen Krieg herauf. John hat das besser als jeder andere erklärt. Wir befinden uns jetzt im Krieg und selbst heute Morgen gab es eine weitere Eskalation. Blinken hat gesagt: „Nun, wenn die Iraner diese Raketen liefern, dann werden wir Raketen liefern, um tief in Russland einzudringen.“ Das ist ein Rezept für eine Katastrophe.

Bill Burns, der CIA-Direktor, hat letzte Woche eine Absurdität gesagt, von der er genau weiß, dass sie absurd ist – aber CIA-Direktoren sagen nie die Wahrheit, denn wenn sie es tun, sind sie ihren Job los. Er sagte: „Machen Sie sich keine Sorgen über einen Atomkrieg, machen Sie sich keine Sorgen über das Säbelrasseln.“

Mein Rat an Sie lautet: Machen Sie sich große Sorgen über einen Atomkrieg.

Seien Sie also vorsichtig. Man muss das US-Militär nicht an die Grenze Russlands verlegen. Mein Rat an Russland und an Mexiko – wenn ich morgen nach Mexiko fahre – lautet: „Lassen Sie China oder Russland keine Militärbasis am Rio Grande errichten. Das ist keine gute Idee für Mexiko, keine gute Idee für die Ukraine, keine gute Idee für Russland, keine gute Idee für China, keine gute Idee für die Vereinigten Staaten. Wir müssen uns ein wenig voneinander fernhalten, damit es nicht zu einem Atomkrieg kommt.

Übrigens empfehle ich noch ein weiteres gutes Buch, nämlich „72 Minuten bis zur Vernichtung – Atomkrieg: Ein Szenario“ von Annie Jacobson. Das Buch ist in zwei Stunden durchgelesen. Im Buch geht die Welt in zwei Stunden unter. Es ist ein sehr überzeugender Leitfaden dafür, dass eine einzige Atombombe, wie man so schön sagt, den ganzen Tag ruinieren kann.

Mein dringender Rat in dieser Angelegenheit lautet daher: Erstens ist China keine Bedrohung für die Sicherheit der Vereinigten Staaten. Große Ozeane, große nukleare Abschreckung und so weiter. Zweitens müssen wir China nicht ins Visier nehmen. Was meine ich damit? Wir müssen keinen Dritten Weltkrieg wegen Taiwan provozieren. Das ist ein langes, kompliziertes Thema, aber es wäre das Dümmste, wofür meine Enkelkinder sterben müssten – unvorstellbar. Ich verüble es jeden Tag, dass wir dieses Spiel mitspielen. Wir haben drei Abkommen mit China, die besagen, dass wir uns da raushalten. Und das sollten wir auch tun. Dann hätte China auch keinen Grund für einen Krieg.

Dann zur wirtschaftlichen Seite: Ich möchte noch einmal wiederholen, weil ich gestern gefragt wurde und einige überrascht waren: „War es gut, China in die Welthandeslorganisation (WTO) aufzunehmen?“ Ich sagte: „Natürlich. Sie haben alle davon profitiert. Ich habe davon profitiert, dieses Land hat davon profitiert, die Welt hat profitiert, einschließlich China. Das ist normal. Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Darin sind wir uns alle einig. Ich glaube, dass Sicherheit auch kein Nullsummenspiel sein muss. Wir können uns ein wenig voneinander fernhalten, und China verbringt seine Zeit nicht damit, Amerika als Hegemon der westlichen Hemisphäre zu beklagen. Das tun sie nicht. Es ist nicht ihr größtes Interesse, die amerikanische Macht in der westlichen Hemisphäre zu schwächen.

John Mearsheimer: Die meisten von Ihnen haben sich wahrscheinlich noch nie die Frage gestellt: „Warum streifen die Vereinigten Staaten über den ganzen Planeten und mischen sich in die Angelegenheiten jedes Landes ein?“ Das liegt zum Teil daran, dass sie so mächtig sind, aber auch daran, dass sie ein regionaler Hegemon sind, was bedeutet, dass wir in der westlichen Hemisphäre keine Bedrohung haben. Wir können uns also frei bewegen.

Die große Gefahr, Jeff, besteht darin, dass China, wenn es zu einem regionalen Hegemon wird und sich keine Sorgen um Sicherheitsfragen machen muss, sich so verhalten wird wie wir.

Jeffrey Sachs: Ist das alles, was wir zustandebringen!

John Mearsheimer: Jeff, ich möchte, dass wir das verhindern, indem wir China daran hindern, ein regionaler Hegemon zu werden. Wir wollen nicht, dass es sich frei bewegen kann. Du hast davon gesprochen, dass es Militärstützpunkte in Mexiko errichten will. Das ist unsere große Angst.

Jeffrey Sachs: Das ist nicht meine größte Angst. Es hat kein Interesse daran, weil es auch nicht in die Luft gejagt werden will.

Jason Calacanis: Es scheint ein großes Interesse an Afrika, Indien und Russland zu haben, Jeff.

Jeffrey Sachs: Errichtet es dort Militärstützpunkte?

Jason Calacanis: Na ja, es baut Atomkraftwerke, investiert in den Handel …

Jeffrey Sachs: Lasst uns auf diese Weise konkurrieren, ich bin vollkommen dafür.

John Mearsheimer: Aber Jeff, das liegt daran, dass es noch kein regionaler Hegemon ist.

Jeffrey Sachs: Wenn man versucht, es daran zu hindern, ein regionaler Hegemon zu werden, werden wir im Dritten Weltkrieg enden. Wie du selbst gesagt hast, kann dies durchaus in einen Krieg münden. Ich möchte nicht, dass es in einen Krieg mündet, aufgrund der Theorie, dass es sich vielleicht eines Tages anders verhalten könnte. Das ist meines Erachtens keine gute Theorie.

David Sacks: Also, John, können wir China eindämmen und verhindern, dass es zu einem regionalen Hegemon wird, ohne Taiwan direkt zu verteidigen? Ist das nicht der Punkt, an dem es ernst wird?

John Mearsheimer: Nein, es geht nicht nur um Taiwan. Man könnte argumentieren, dass es in Ostasien drei Brennpunkte gibt, die man im Auge behalten sollte. Einer ist natürlich Taiwan, der zweite ist das Südchinesische Meer und der dritte ist das Ostchinesische Meer. Und ich denke, David, dass ein Konflikt heute nicht wegen Taiwan ausbrechen wird. Ich kann erklären, warum ich denke, dass Taiwan derzeit oder in absehbarer Zukunft kein ernsthaftes Problem darstellt. Das Südchinesische Meer ist ein sehr gefährlicher Ort. Wir könnten mit Sicherheit in einen Krieg geraten, selbst wenn wir Taiwan nicht verteidigen würden. Taiwan sollte also nicht überbewertet werden.

Ich stimme Jeff zu, dass wir definitiv keinen Krieg wollen, und wir wollen ganz sicher keinen Atomkrieg. Er hat absolut Recht, dass die Gefahr eines Atomkriegs besteht, wenn es zu einem Krieg zwischen China und den Vereinigten Staaten kommt. Viele von euch im Publikum erinnern sich an den Kalten Krieg mit seiner allgegenwärtigen Gefahr. Aber ich behaupte, dass dies unvermeidlich ist, denn in einer Welt, in der es keine übergeordnete Autorität gibt und man um sein Überleben fürchtet, hat man ein tiefsitzendes Interesse – wie jeder Staat im System – so mächtig wie möglich zu sein. Das bedeutet, dass man seine Region dominieren muss.

Indiens wachsende Rolle; sind die chinesischen Wunden selbstverschuldet?

Jason Calacanis: Es gibt einen Spieler auf diesem Schachbrett, der noch nicht erwähnt wurde, und der erklären könnte, wohin sich die Waage neigt, wenn man über das Südchinesische Meer spricht. Okay, wir haben Südkorea, Japan, Australien, all diese wichtigen Spieler dort; nur ein paar hundert Millionen Menschen. Aber China hat einen Bevölkerungsrückgang. Xi scheint sich in Bezug auf den Handel selbst zu zerstören. Es scheint, als würde die Eindämmung dort aufgrund all der selbstverschuldeten Wunden ziemlich gut funktionieren.

Aber das Land mit dem schnellsten Wachstum, der am schnellsten wachsenden Wirtschaft und der schnellsten Entwicklung ist Indien. Es scheint einen sehr pragmatischen Ansatz zu verfolgen. Es kauft billiges Öl von Putin und ist ein souveränes Land mit einer eigenen Sichtweise. Wären wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren nicht wirklich gut beraten, dies zu unserer Priorität zu machen und Indiens Rolle in all dem zu berücksichtigen? Wie sehen Sie das?

John Mearsheimer: Wir betrachten Indien definitiv als Verbündeten. Indien ist Teil der Quad, die wir in Ostasien gegründet haben und der Australien, Japan, die Vereinigten Staaten und Indien angehören. Indien pflegt geschickt seine guten Beziehungen zu Russland. Die Inder verstehen, wie Jeff und ich, dass die Russen keine große Bedrohung darstellen, aber aus indischer Sicht ist China die eigentliche Bedrohung.

Es gibt zwei Orte, an denen Indien sich in Bezug auf China sorgt. Einer davon ist die indisch-chinesische Grenze im Himalaya, wo es tatsächlich Konflikte gab und die Gefahr eines Kriegsausbruchs besteht. Der zweite Ort – der vielleicht noch gefährlicher ist, momentan zwar noch nicht, aber mit der Zeit – ist der Indische Ozean. Die Chinesen ahmen die Vereinigten Staaten nach. Sie wollen nicht nur regionaler Hegemon sein, sondern auch die Fähigkeit zur Machtprojektion entwickeln. Deshalb bauen sie eine Hochseeflotte auf, die von Ostasien aus durch die Straße von Malakka und den Indischen Ozean bis zum Persischen Golf fahren kann. Sobald die Rede davon ist, durch den Indischen Ozean zu fahren, bekommen die Inder das Gruseln. Dann werden die Amerikaner und die Inder zusammenkommen.

Jeffrey Sachs: Betrachten wir dies aus technischer Sicht. Warum entwickeln die Chinesen eine Marine? Weil ich seit 40 Jahren Berichte über alle Engpässe im Südchinesischen Meer, im Ostchinesischen Meer und im Indischen Ozean gegen China lese. Brennpunkte sind eine schlechte Politik. Schaut euch die Straße von Malakka an. Was können wir hier tun, in der ersten Inselkette, der zweiten Inselkette? Das ist die amerikanische Strategie. Können wir die chinesischen U-Boote vom Pazifischen Ozean fernhalten? Natürlich reagiert China. Es ist reich – es wird eine Marine aufbauen, um an sein Öl zu kommen, von dem seine Wirtschaft abhängt. Können wir ein wenig vernünftig mit ihnen umgehen und entscheiden, wie wir Brennpunkte vermeiden können, damit wir keinen Atomkrieg führen müssen, der unseren Tag ruiniert?

Das ist das Entscheidende – wir können ein wenig nachdenken. Wir können es aus ihrer Perspektive verstehen, und wir können es aus unserer Perspektive verstehen. Konfliktentschärfung.

Übrigens glaube ich nicht, dass Indien ein Verbündeter ist. Indien ist eine Supermacht. Indien wird seine eigenen, sehr ausgeprägten Interessen haben. Es wird kein Verbündeter der Vereinigten Staaten sein.

Ich mag Indien sehr und bewundere dessen Politik, aber die Vorstellung, dass Indien sich mit den Vereinigten Staaten gegen China verbünden wird, ist reine Träumerei in Washington, eine weitere Illusion.

Die sollten sich einen Reisepass besorgen und die Welt bereisen. [Applaus]

Jason Calacanis: Jeffrey, wir lassen unsere iPhones jetzt in Indien herstellen. Ist das nicht von entscheidender Bedeutung? Wir verlagern die iPhone-Produktion. Cooper… Sie sind hier in der Wirtschaft tätig und sehen die Auswirkungen. Apple zieht aus China ab. Japan finanziert Menschen, die von China nach Vietnam und Indien auswandern. Ist das nicht die Lösung? Während wir uns von China abkoppeln, scheinen sie wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Xi Jinping, hatte alle Risikokapitalgeber und alle Investitionen aus China rausgeworfen. Er ist alle Bildungs-Startups losgeworden. Und dann, zwei oder drei Jahre später, ist er in San Francisco und bittet uns alle, mehr Geld zu investieren und sagt: „Wo seid ihr geblieben“?

Jeffrey Sachs: Okay. Ladet mich in zehn Jahren wieder ein, und dann werden wir sehen, wie klug all diese Entscheidungen sind, weil wir nach Indien gezogen sind. Ich glaube, Sie haben gesagt, dass die Handelspolitik von Xi Jinping selbstzerstörerisch ist oder so etwas in der Art.

Jason Calacanis: Es scheint, als gäbe es viele selbstverschuldete Wunden …

Jeffrey Sachs: Lassen Sie mich erklären, worin diese Wunden bestehen. Die Wunden sind die bewusste Politik der USA, euch daran zu hindern, Dinge nach China zu verkaufen, und China daran zu hindern, Dinge von euch zu kaufen. Das ist nicht selbstverschuldet. Lassen Sie mich das so sagen –, denn es ist sehr wichtig für die Wirtschaft der Menschen in diesem Saal – das ist eine Entscheidung, die um 2014 herum getroffen wurde, um China einzudämmen. Seitdem wird das systematisch umgesetzt. Es ist keine Überraschung, dass Biden alle von Trump eingeführten Maßnahmen übernommen hat und weitere hinzufügte. Jetzt sagt Trump: „Ich werde all das tun, was Biden beibehalten hat, und ich werde noch mehr tun“.

Das ist keine selbstverschuldete Wunde. Die Vereinigten Staaten haben den Markt für China geschlossen. Ist das klug? Nein, das ist nicht klug. Führt das zur Rückverlagerung amerikanischer Produktionsarbeitsplätze? Null. Es kann sie ein wenig verlagern, es kann die Dinge weniger effizient machen, es kann dazu führen, dass ihr alle ein bisschen mehr Geld verliert oder nicht so viel Geld verdient, aber wird es auch nur ein einziges wirtschaftliches Problem in den Vereinigten Staaten lösen? Ganz und gar nicht.

John Mearsheimer: Mein Argument ist, dass die Welt nun einmal so funktioniert, und das tut sie auch. Aber wenn ich beschreibe, wie die Welt wirklich funktioniert, wie kannst du mich dann trotzdem schlagen?

Jeffrey Sachs: Der Grund ist, dass du eine Welt beschrieben hast – besser als jeder andere, den ich gelesen habe oder kenne – wie die amerikanische Außenpolitik funktioniert. Ich denke, das wird uns wahrscheinlich alle in die Luft jagen – nicht wegen dir, John – sondern weil es ein zutiefst fehlgeleiteter Ansatz ist, der in Machtstreben verwurzelt ist.

Selbst wenn man als regionaler Hegemon sicher ist, ist man nie sicher, ob ein anderer regionaler Hegemon das tut, was man selbst tut. Nein, das darf man nicht zulassen und deshalb mischt man sich letztendlich überall auf der Welt ein. Aber im Atomzeitalter ist dieser Ansatz mit enormen Risiken behaftet. Man bekommt keine zweite Chance.

Das ist die definitivste Tatsache in unserem Leben: Wir befinden uns jetzt in einem Krieg mit Russland. Es ist kein Stellvertreterkrieg, sondern ein direkter Krieg. Russland hat 6.000 Atomsprengköpfe. Ich kann mir nichts Dümmeres vorstellen, abgesehen von der Tatsache, dass ich Schritt für Schritt gesehen habe, wie wir in diesen Schlamassel geraten sind. Wir dachten, wir müssten uns einmischen, bis hin zur Einbeziehung der NATO in Georgien, im Kaukasus, ausgerechnet dort, und in der Ukraine. Wir konnten es nicht lassen. Wenn wir dasselbe mit China machen, wird es einen Krieg geben. Aber es wird nicht so sein, wie wenn man über den Krimkrieg, den Ersten Weltkrieg oder den Zweiten Weltkrieg liest – dies ist ein anderes Zeitalter.

Das ist eine schöne Theorie, die vieles erklärt, aber im Atomzeitalter steht zu viel auf dem Spiel. Wir haben Technologien wie Chat GPT und Optimus entwickelt, und mit all diesen Innovationen können wir einen Atomkrieg vermeiden. Wir müssen uns etwas Besseres einfallen lassen, als zu sagen: „Es ist unvermeidlich“. [Applaus].

David Sacks: Wir haben nur noch eine Minute. Ich möchte sie John geben.

Ihr Buch heißt „The Tragedy of Great Power Politics“. Sie verstehen ganz genau, wie tragisch es ist, dass Rivalitäten und großer Wettbewerb zwischen Großmächten zu einer Katastrophe führen können. Jeff sagt, dass wir uns jetzt im Atomzeitalter befinden und dass dies zu einem Atomkrieg führen wird. Müssen wir diesen Weg gehen oder gibt es einen anderen Weg?

John Mearsheimer: Zwei Punkte. In meinem Herzen stimme ich Jeff zu. In meinem Kopf nicht. Ich wünschte, er hätte Recht, aber ich glaube es nicht. Um Ihre Frage direkt zu beantworten:

Ich glaube, es gibt keinen Ausweg. Wir befinden uns in einem „eisernen Käfig“.

So funktioniert internationale Politik nun einmal, und zwar deshalb, weil man sich in einem anarchischen System befindet, in dem man nie sicher sein kann, dass ein wirklich mächtiger Staat hinter einem her ist und einem ein Jahrhundert nationaler Demütigung zufügt. Also unternimmt man große Anstrengungen, um dies zu vermeiden, indem man versucht, auf Kosten einer anderen Macht an Macht zu gewinnen. Das führt zu allerlei Problemen.

Kann Krieg vermieden werden? Ich unterscheide gerne zwischen Sicherheitswettbewerb – der meiner Meinung nach unvermeidlich ist – und Krieg, bei dem sich der Sicherheitswettbewerb zu einem Krieg entwickelt. Ich denke, dass Krieg vermieden werden kann, und wir waren in dieser Hinsicht während des Kalten Krieges glücklicherweise erfolgreich. Hoffentlich wird dies auch in Zukunft im Wettbewerb zwischen den USA und China der Fall sein. Kann ich das garantieren? Nein. Beunruhigt mich das sehr? Ja. Aber nochmals: Das ist ein tragischer Aspekt der Welt.

Konflikt im Nahen Osten und der Weg zum Frieden

David Friedberg: Ich möchte noch eine Frage stellen, weil wir einen Großteil der Zeit über den Nahen Osten sprechen wollten. Ich möchte ein Szenario unterbreiten und Ihre Reaktion darauf hören. Was ist Ihrer Meinung nach der unmittelbarste Schauplatz des Konflikts? Ist es das Westjordanland? Die Israelis verstärken die Siedlungen, es gibt viele Kontrollpunkte, die Lage ist sehr angespannt. Sie führen Razzien durch, und es wird für Palästinenser immer schwieriger, dort zu leben, und es besteht die reale Sorge, dass das Westjordanland zusammenbricht …

John Mearsheimer: … und für die Israelis

David Friedberg: Und für die Israelis … Es besteht die reale Gefahr, dass das Westjordanland zusammenbricht und sich in eine echte Konfliktzone verwandelt. Wenn das passiert, sitzen die Jordanier direkt daneben und werden nicht zulassen, dass Palästinenser abgeschlachtet werden. Sie werden etwas unternehmen müssen, und sie sind ein starker Verbündeter der Vereinigten Staaten. Löst das eine Reaktion aus? Was wird Saudi-Arabien tun? Werden andere in die Region gelockt? Wird der Zusammenbruch des Westjordanlands oder der Konflikt, der sich im Westjordanland anzubahnen scheint, zu einer Art Zunder, für alle die auftauchen und involviert werden und damit ein regionales Problem erzeugen, in das wir auf größere Art und Weise hineingezogen werden können?

Jeffrey Sachs: Darf ich anfangen und John das letzte Wort lassen?

Wissen Sie, ich arbeite jeden Tag bei den Vereinten Nationen und diskutiere dieses Thema mit Botschaftern aus der ganzen Welt. In den letzten 50 Jahren gab es eine Einigung darüber, was den Frieden bringen würde. Die Einigung sieht zwei Staaten vor; vielleicht mit einer großen Mauer zwischen ihnen, auf der Grundlage der Grenzen vom 4. Juni 1967 – mit einem Staat Palästina als 194. UN-Mitgliedsstaat, mit seiner Hauptstadt in Ostjerusalem und der Kontrolle über die islamischen heiligen Stätten. Das ist internationales Recht.

Der Internationale Gerichtshof (ICJ) hat gerade bestätigt, dass die israelischen Siedlungen im Westjordanland illegal sind. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) wird wahrscheinlich feststellen, dass Israel gegen die Völkermordkonvention von 1948 verstößt, und ich bin fest davon überzeugt, dass dies der Fall ist.

Meine Lösung für dieses Problem lautet daher: Völkerrecht umsetzen – zwei Staaten. Baut die Mauer so hoch wie nötig, aber gebt den Palästinensern ihre Rechte. Errichtet einen Staat Palästina, beendet das Abschlachten der Palästinenser durch Israel, beendet den israelischen Apartheidstaat. Dann habt ihr zwei Staaten, die Seite an Seite leben. Israel ist strikt dagegen. Die gesamte israelische politische Führung ist momentan strikt dagegen. Hunderttausende illegale Siedler im Westjordanland sind strikt dagegen. Smotrich, Ben-Gvir, Galant und Netanyahu sind strikt dagegen. Meiner Meinung nach hat es nichts damit zu tun, was Israel will. Es hat mit der Durchsetzung des Völkerrechts zu tun.

Ich möchte also, dass dies durchgesetzt wird – nicht, weil Israel dem zustimmt, sondern weil es auferlegt wurde. Es gibt ein Land, das sich dem in den Weg stellt – nicht der Iran, nicht die Saudis, nicht Ägypten, nicht Russland, nicht China, kein Land der Europäischen Union. Ein Land, nur ein einziges Land und das sind die Vereinigten Staaten von Amerika und die Israel-Lobby. Ich weiß, dass jemand ein sehr gutes Buch darüber geschrieben hat – das beste Buch, das je darüber geschrieben wurde – von John. Und dort steht, was die Lösung verhindert, die Frieden bringen könnte. Ich glaube, wir sollten Frieden bringen, denn das würde nicht nur den Palästinensern und den Israelis Frieden bringen, sondern auch einen weiteren potenziellen Krisenherd vermeiden, der leicht in einem Dritten Weltkrieg enden könnte.

John Mearsheimer: Lassen Sie mich Ihre Frage zum Eskalationspotenzial beantworten – zum Punkt, dass die Jordanier eingreifen. Israel steht vor drei großen Problemen, abgesehen von den zentrifugalen Kräften innerhalb der Gesellschaft. Eines davon ist das Palästinenserproblem, das sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland besteht. Das zweite ist die Hisbollah. Und drittens der Iran. Ich denke, dass es praktisch keine Chance gibt, dass das, was Sie beschrieben haben, passiert. Wenn die Israelis im Westjordanland ähnlich wie im Gazastreifen wüten würden, ob die Jordanier oder die Ägypter oder die Saudis eingreifen. Sie haben einfach nicht die militärische Fähigkeit dazu. Dies ist ein Szenario, in dem die Israelis völlig dominieren.

Was eine Eskalation des israelisch-palästinensischen Konflikts angeht, so glaube ich nicht, dass es viel Potenzial für eine Einmischung externer Kräfte gibt. Hisbollah ist ein anderes Thema, aber hauptsächlich, weil es mit dem Iran verbunden ist. Der Iran ist der wirklich gefährliche Krisenherd. Wie Sie wissen, sind die Russen jetzt eng mit den Iranern verbündet, und die Chinesen bewegen sich ebenfalls in diese Richtung. Wenn Israel in einen Krieg mit dem Iran verwickelt wird, werden wir aller Wahrscheinlichkeit nach eingreifen. Erinnern Sie sich daran, als die Israelis am 1. April die iranische Botschaft in Damaskus angriffen und die Iraner am 14. April mit einem Gegenschlag antworteten?

David Friedberg: Aber wir waren beteiligt, oder nicht? Wir wurden vorgewarnt.

John Mearsheimer: Ja, wir wurden vorgewarnt. Aber der Punkt ist, dass wir in die Kämpfe verwickelt waren. Wir waren mit den Israelis, den Franzosen, den Briten, den Jordaniern und den Saudis verwickelt. Wir waren alle in die Kämpfe verwickelt. Das führt zum Eskalationsproblem. Um dem iranischen Eskalationsszenario entgegenzuwirken, gibt es eine Tatsache: Der Iran will keinen Krieg mit den Vereinigten Staaten, und die Vereinigten Staaten wollen keinen Krieg mit dem Iran. Es sind die Israelis – insbesondere Benjamin Netanjahu – die versuchen, uns in einen Krieg hineinzuziehen. Er möchte, dass wir, die Vereinigten Staaten, den Iran wirklich hart treffen, ihn militärisch schwächen und insbesondere seine nuklearen Fähigkeiten angreifen. Wie Sie wissen, stehen sie kurz davor, Atomwaffen entwickeln zu können.

Die Israelis sind also diejenigen, die wollen, dass wir uns auf einen großen Krieg mit dem Iran einlassen. Das ist der Eskalationsherd. Die 64.000-Dollar-Frage ist, ob ihr glaubt, dass die Vereinigten Staaten und der Iran zusammenarbeiten können, um zu verhindern, dass die Israelis uns in diesen Krieg hineinzuziehen.

David Friedberg: Diese Frage wird davon abhängen, wer die nächste Regierung anführt.

John Mearsheimer: Nun, wenn Sie glauben, dass es eine Rolle spielt, wer die nächste Regierung anführt – dann stimmt es.

Jason Calacanis: Ich danke Ihnen. Ich muss schon sagen, Jeffrey und John, jetzt weiß ich, warum alle ständig über euch reden. Das war bisher die beeindruckendste Podiumsdiskussion der Veranstaltung. Einen Applaus für Jeffrey Sachs und John Mearsheimer!

 

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