Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck, 2014-03-28
Liebe BlogleserIn,
aus dieser Quelle entnommen: http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/1583022/Nettoeinkommen_Das-verlorene-Vierteljahrhundert?direct=1582982&_vl_backlink=/home/wirtschaft/economist/diebilanz/1582982/index.do&selChannel=&from=articlemore
Die nominellen Bruttolöhne steigen zwar Jahr für Jahr, netto stagnieren die Reallöhne aber seit 24 Jahren: Was die Inflation übrig lässt, fressen Steuererhöhungen und kalte Progression weg.
28.03.2014 | 10:07 | Von Josef Urschitz (Die Presse)
Wien. Es ist nur eine kleine, versteckte Grafik im jüngsten Wifo-Prognosebericht – aber sie hat enorme Sprengkraft: Zeigt sie doch, dass die Netto-pro-Kopf-Einkommen (also die Lohnsteigerungen abzüglich Inflation und Steuererhöhungen) in Summe seit 24 Jahren praktisch stagnieren. In diesem Zeitraum sind sie deutlich öfter gesunken als gestiegen – obwohl es praktisch jedes Jahr nominelle Lohnsteigerungen gegeben hat.
Am Beispiel des Vorjahres: Da sind die österreichischen Bruttolöhne und Gehälter (pro Kopf) im Schnitt um 2,1 Prozent gestiegen. Wer 2000 Euro verdient, hat also 42 Euro brutto mehr auf dem Gehaltszettel gefunden. Die Inflation hat daraus eine reale Kaufkraftsteigerung von gerade noch zwei Euro gemacht. Allerdings brutto. Nach Abzug der Steuern blieb dann unter dem Strich ein reales Minus von sechs Euro übrig. Auch heuer wird unter dem Strich ein kleines Minus stehen.
Wifo-Chef Karl Aiginger meint zwar, das Pro-Kopf-Ergebnis sei durch die Zunahme von Teilzeitjobs ein wenig verfälscht. Das ändert aber an dem Faktum, dass aus einem Bruttozuwachs sehr oft ein reales Nettominus wird, nichts. Im Gegenteil: Bei niedrigen Teilzeiteinkommen schlägt die Steuer ja viel weniger dramatisch zu als bei höheren Löhnen.
Dass daran „teilweise“ der Staat mit immer höheren Steuern schuld sei, bestätigt Wifo-Experte Marcus Scheiblecker. Das lässt sich aber auch an der Steuer- und Abgabenquote sehr schön ablesen: Diese lag laut OECD-Angaben zu Beginn der Neunzigerjahre in Österreich bei 39,7 Prozent des BIPs– und hat heuer 45,2 Prozent erreicht. Auf heutiger BIP-Basis nimmt der Staat den Einkommensbeziehern heuer also um 16 Milliarden Euro pro Jahr mehr ab als 1990. Allein die jüngste, am 1. März in Kraft getretene Steuererhöhung belastet die heimischen Steuerzahler mit 1,1 Milliarden Euro.
Im Vorjahr war eine Studie der Schweizer Großbank UBS, die einen starken Rückgang der Reallöhne konstatiert hatte, in Österreich wütend dementiert worden. Die Nationalbank hatte damals über die letzten 14Jahre einen kumulierten Reallohnzuwachs von mehr als zehn Prozent errechnet.
Allerdings: Die Reallohnberechnungen beziehen sich jeweils auf die Bruttolöhne. Die Wifo-Zahlen zeigen jetzt: Was die Inflation übrig lässt, steuert der Staat weg. In vielen Jahren sogar noch deutlich mehr.
Dass die für die Wirtschaft wichtigen Konsumausgaben trotzdem nicht schrumpfen, sondern sogar leicht steigen, hat einen anderen Grund: Die Bevölkerung wächst ebenso wie die Zahl der Arbeitsplätze. Obwohl die Pro-Kopf-Einkommen bestenfalls stagnieren, bleibt in Summe also mehr Geld zum Ausgeben. Heuer dürften die privaten Konsumausgaben laut Wifo um 0,8 Prozent steigen. Im Vorjahr sind sie um 0,2 Prozent geschrumpft.
AUF EINEN BLICK
Löhne.
Die realen Pro-Kopf-Nettoeinkommen sind seit Beginn der Neunzigerjahre in Summe nicht mehr gewachsen. Das zeigen Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts. Was die Inflation von den Bruttolohnsteigerungen real übrig lässt, holt sich der Staat über immer höhere Steuern und Abgaben.
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.03.2014)
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und weil es noch her passt aus der gleichen Quelle:
Wer stoppt endlich diesen gefräßigen Steuerstaat?
Dass uns noch ein Vierteljahrhundert lang jede noch so kleine Reallohnsteigerung weggesteuert wird, sollten wir uns nicht mehr bieten lassen.
27.03.2014 | 18:34 | von josef urschitz (Die Presse)
Gefühlt haben wir es ja seit Langem, die Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts bestätigen das jetzt: Obwohl die Löhne und Gehälter Jahr für Jahr steigen, stecken die realen, also kaufkraftbereinigten Nettoeinkommen seit einem Vierteljahrhundert(!) fest. Schuld daran ist nicht nur die Inflation – die hat ja, wenn auch bescheidene, Bruttoreallohnsteigerungen zugelassen –, sondern auch der gefräßige Steuerstaat, der den traurigen Rest der realen Lohnsteigerungen – und oft noch ein bisschen mehr – wegfrisst.
Der Vergleich der Steuer- und Abgabenquoten (siehe Bericht, Seite 1) macht sicher: Der Staat zieht jedem einzelnen Einkommensbezieher (davon gibt es rund 6,5 Millionen) via kalter Progression sowie über Steuer- und Gebührenerhöhungen fast dreitausend Euro pro Jahr mehr aus der Tasche als zu Beginn der Neunzigerjahre. Und kommt, nebenbei bemerkt, mit dem Geld noch immer bei Weitem nicht aus.
Allein um diese Fehlentwicklung zu korrigieren, müssten die Steuer- und Abgabenbelastungen also um 16Milliarden Euro pro Jahr reduziert werden. Da reicht eine der üblichen „Steuerreformen“ mit ein paar Milliarden Volumen bei Weitem nicht aus.
Dabei wird es ja schon bald noch dicker kommen: Im Herbst droht durch Hypo und ÖBB-Schuldeneinrechnung ein gewaltiger Schub im offiziellen Maastricht-Schuldenstand. Dieser wird dann mehr als 80 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) erreichen. Diesen bis 2017 auf 60 Prozent abzubauen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ab diesem Jahr droht aber allen Euroländern, die diese Grenze bis dahin nicht schaffen, ein vom EU-Fiskalpakt verordnetes zusätzliches Zwangssparen.
Wie das hierzulande gewöhnlich vonstattengeht, weiß man schon: durch weitere gewaltige Steuererhöhungen. So wie jetzt gerade: Das eben verwirklichte „Sparpaket“ sieht Ausgabenkürzungen von 500 Millionen, aber Einnahmenerhöhungen von 1,1 Milliarden Euro vor.
Das geschilderte Szenario ist der gerade Weg in den Untergang. Denn die Wirtschaft leidet unter der hohen Abgabenquote (eine der höchsten in Europa, gerade haben wir Schweden überholt) schon jetzt extrem. Wifo-Chef Karl Aiginger etwa hat erst gestern wieder angemerkt, dass ohne Steuer- und Abgabenreform (die zu einer deutlichen Senkung der Arbeitskostenbelastung führen muss) der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht in den Griff zu bekommen ist.
Weiß das die Regierung? Anzunehmen. Aber warum zum Teufel macht sie dann nichts dagegen? Hört sie womöglich auf jene Einflüsterer, die behaupten, eine Senkung der Steuerquote sei mit dem Ende des Sozialstaats gleichzusetzen? Sie hat insofern natürlich recht, als Ministeuerquote und Maxisozialstaat nicht zusammengehen. Aber es gibt für alles eine Grenze. Wo diese liegen könnte, dafür bieten wir am besten einen des Neoliberalismus wirklich unverdächtigen Zeugen auf. Der Wiener AK-Direktor Werner Muhm hat kürzlich im „Presse“-Interview gemeint, dass man mit einer Steuer- und Abgabenquote von „rund 40 Prozent“ – das wäre ungefähr der EU-Schnitt – schon einen recht ordentlichen Sozialstaat finanzieren könne, ohne die Wirtschaft abzuwürgen.
Das wäre einmal ein vernünftiges Ziel. Dafür fehlen uns aber leider (ganz abgesehen von einmaligen Hypo- und sonstigen Katastropheneffekten) strukturell 15 Milliarden Euro. Im Jahr.
Zufällig ist das annähernd das Volumen, das alle ernst zu nehmenden Experten, vom Rechnungshof bis zum Wifo, als Einsparungspotenzial der seit Jahrzehnten anstehenden Strukturreformen – von der Staatsreform bis zu einer echten Verwaltungsreform – nennen.
Ist die Regierung zu schwach oder zu unwillig, um das in die Hand zu nehmen? Dann möge sie bitte rasch zurücktreten und den Weg für Reformkräfte freimachen. Denn dass uns noch einmal ein Vierteljahrhundert lang selbst die kleinsten realen Nettoeinkommenssteigerungen wieder weggesteuert werden, nur weil die Regierenden den bequemsten Weg gehen, sollten wir uns nicht mehr bieten lassen.
E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com
(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 28.03.2014)
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