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Negative Zinsen als Warnsignal einer kranken Wirtschaft – Informationsasymmetrie und Fundamental-Unsicherheit führen zum No-Trade-Gleichgewicht

★★★ Widerstandsberichterstattung über die herrschenden, demokratischen Um- bzw. Zustände ★★★

Finanzmarkt- und Konzernmacht-Zeitalter der Plutokratie unterstützt von der Mediakratie in den Lobbykraturen der Geld-regiert-Regierungen in Europa, Innsbruck am 10.12.2014

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Aus dieser Quelle zur weiteren Verbreitung entnommen: http://diepresse.com/home/wirtschaft/oekonomenstimme/4614824/Negative-Zinsen-als-Warnsignal-einer-kranken-Wirtschaft?xtor=CS1-15

Negative Zinsen als Warnsignal einer kranken Wirtschaft


ÖKONOMENSTIMME

 Wie es dazu kommen konnte, dass Anleger negative Zinsen akzeptieren, fragt sich Wirtschaftsforscher Frank Riedel.

09.12.2014 | 09:28 |  von Frank Riedel  (Ökonomenstimme)

In den 90er Jahren hatte ein Ökonom es bei Vorträgen schwer, wenn negative Zinsen auch nur als Denkmöglichkeit vorkamen.[ 1 ] Bei den großartigen Wachstumsraten der Finanzmärkte muss doch der Zinssatz fürs Ersparte positiv sein, sonst würde ja niemand mehr sparen, hörte man aus dem Publikum. Was soll ein Modell mit negativen Zinsen? Akademischer Unsinn, nur im Elfenbeinturm entstehen solche Theorien. Nun sind real negative Zinsen, also negative Zinsen nach Abzug der Inflationsrate, durchaus mathematisch möglich. Und vieles, was logisch in ökonomischen Modellen möglich ist, wurde und wird empirisch durchaus beobachtet. In den 90er Jahren musste man ein Stück weit in die Geschichte zurückgehen, um die Zuhörer an solche Zeiten zu erinnern. Heute, da real negative Zinsen allgegenwärtig sind, braucht es solche Historie nicht.

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Aber nominal negative Zinsen? Solche Zinsen führen ganz schnell zu Widersprüchen, wenn man davon ausgeht, dass niemand sein Geld freiwillig verbrennt. Die einfachste Form der Arbitrage, also des Gewinns ohne Verlustrisiko, liegt doch dann vor, wenn man jemanden findet, der dumm genug ist, negative Zinsen auf Bargeld zu nehmen. Um es deutlich zu sagen: es handelt sich um jemanden, der mir heute 100 Euro leiht und morgen nur 90 Euro zurückbekommen möchte. Ich kann mir einfach 10 Euro in die Hosentasche stecken und da Geldscheine (noch?) haltbar sind, kann ich mir morgen von den 10 Euro etwas kaufen. Selbst bei einer Inflation mache ich so Gewinn. Aber offensichtlich gibt es zur Zeit hinreichende viele Investoren und Firmen, die genau ein solch dummes Geschäft mit ihrer Bank abschließen. Sie schenken der Bank Geld.

Noch vor kurzem hätte jeder Ökonom über nominal negative Zinsen gelacht: so etwas kann es nicht geben, denn wer würde sein Bargeld einer Bank geben, die es ihm wegnimmt? Jemand, der negative Zinsen akzeptiert, handelt ja irrational. Und da solche Dummheit sehr leicht einzusehen ist, kann man durchaus davon ausgehen, dass Anleger verstehen, dass man ihnen Geld nimmt. Wir machten es uns also zu einfach, wenn wir die so gern beschworene Irrationalität der Menschen als Ursache negativer Zinsen ansähen.

Gebühr für das Aufbewahren?

Erstaunlich ist, wie schnell Argumente in Umlauf kamen, die sich gewissermaßen der normativen Kraft des Faktischen beugen: negative Zinsen seien eine Gebühr für das Aufbewahren des Geldes in einer unsicheren Zeit. Halten wir dies einmal fest: offensichtlich ist die Lage dort draußen so gefährlich, dass der brave Bürger eine Gebühr für den Safe der Bank bezahlt. Sieht einer die Räuber dort draußen? Lauern Monster und Zauberer dem braven Bürger auf, um ihm sein mühsam Erspartes zu entreißen? Wo ist die unmittelbare Gefahr für das Bargeld?

Und weiter gefragt: was ist mit den Banken los? Natürlich kann man eine „Gebühr“ für das Aufbewahren von Geld nehmen. Aber: Don’t you know how to make money? Aus Geld macht man mehr Geld, das ist das Geschäft der Banken. Die Profitabilität des Bankgeschäftes ist in allen Zeiten eigentlich groß genug, um die Kosten des Aufbewahrens weit zu übersteigen. Und bei dieser Überlegung nähern wir uns schon eher dem Kern des Problems: die Banken sehen wirklich keine Möglichkeit mehr, mit Geld Geld zu verdienen. Ein Warnsignal. Unsere Wirtschaft ist in einem sehr schlechten Zustand.

Es geht nicht um Wachstum, es geht um Gleichgewichte!
Wir sind bei Formen der Enteignung angekommen, die man in einer freien Gesellschaft nicht für möglich gehalten hätte. Dass bekannte Ökonomen wie Larry Summers und Kenneth Rogoff negative Zinsen offensiv einfordern, ist ein Skandal. Sie gehen ja sogar noch weiter und wollen den Menschen die letzte Freiheit des Sparers nehmen, die darin besteht, sein Geld unter der Bettdecke zu verstecken. Die Abschaffung des Bargeldes wird gefordert. Nur auf Konten darf Geld gelagert werden und dort erzwingen Staat und Banken negative Zinsen. Wer will in einer solch unfreien Wirtschaft leben?

Erwzungener Konsum?

Das typische Argument für solche Politikvorschläge, die später einmal zurecht als verrückt bezeichnet werden werden, ist „Wachstum“. Wir brauchen negative Zinsen, so die Befürworter, damit die Haushalte nicht mehr sparen, sondern konsumieren. Der erzwungene Konsum befeuert die Wirtschaft und erzeugt „Wachstum“. „Wachstum“ ist wiederum gut, da es Arbeitsplätze schafft etc.

Hier ist es nun einmal wichtig, den alten Fetisch der Wirtschaftspolitiker kritisch zu beleuchten: geht es wirklich immer um „Wachstum“? Kann eine Gesellschaft nur dann gut leben, wenn sie wächst? Ich begebe mich hier natürlich auf vermintes Gelände, weil viele Kapitalismuskritiker seit jeher den Wachstumsglauben kritisieren und mit dem Kapitalismus als solchen gleichsetzen. In diese Richtung möchte ich aber gar nicht gehen; es liegt mir fern, die freie Wirtschaft abschaffen zu wollen. Wir sollten sie hingegen in guter Weise bewahren. Hierzu gilt es zunächst einmal zu verstehen, dass „Wachstum“ nicht notwendig das Ziel der Wirtschaftspolitik sein muss. Es geht eher darum, für ein Gleichgewicht zu sorgen, in dem gutes Wirtschaften möglich ist.

Jedes Modell einer Wirtschaft beschreibt Gleichgewichtszustände: zwischen Angebot und Nachfrage, Produzenten und Konsumenten, Arbeitern und Firmen. Auch die so gern von den Wirtschaftspolitikern benutzten „Wachstumsmodelle“ beschreiben eigentlich Gleichgewichte; in diesem Falle eben als besonders „schön“ empfundene Gleichgewichte, in denen die Wirtschaft mit der Zeit wächst.

Eine Wirtschaft, und das wird von Makroökonomen und Wirtschaftspolitikern oft nicht hinreichend thematisiert, kann viele Gleichgewichtszustände haben. Manche dieser Zustände sind besser als andere; gerade in einer nicht völlig freien Wirtschaft wie der unsrigen, in der viele Gesetze, Steuern und Regulierung einschränkend wirken, wird es auch immer Gleichgewichte geben, in denen der Staat durchaus helfen kann (aber nicht immer muss). Im Gegenzug gibt es natürlich in einer Wirtschaft, in der Regierungen und Zentralbanken stark in das Geschehen eingreifen auch stets „schlechte“ Gleichgewichte, die gerade durch das Eingreifen dieser staatlichen Akteure erzeugt werden. Hier besteht dann oft die beste Politik darin, sich einfach einmal herauszuhalten (auch wenn es schwer fällt).

Bewegungsimpulse geben

Ich möchte ein Gleichnis verwenden, das wie alle Gleichnisse natürlich nicht perfekt sein kann. Ein Pendel im leeren Raum, das mit einer gewissen Auslenkung startet, schwingt gleichmäßig hin und her. Dies ist für mein Gleichnis der gute Gleichgewichtszustand. Nun kann ich das Pendel aus dem leeren Raum herausnehmen und in eine stark verschmutzte Atmosphäre, um es deutlich zu machen, mit Aschepartikeln durchsetzte Luft setzen. Ganz schnell wird das Pendel gebremst und strebt einem neuen Gleichgewicht zu, der Ruhelage, bei der sich nichts mehr bewegt. Wie kann man aus dieser Ruheposition wieder herauskommen? Man kann natürlich viel Kraft aufwenden und „Wachstumsimpulse“ geben; solange aber die Atmosphäre verschmutzt bleibt, wird das Pendel immer wieder in die stabile Ruhelage zurückstreben. Die einzige Möglichkeit zur Bewegung zurückzukehren besteht darin, die Atmosphäre zunächst zu reinigen und dann einen Bewegungsimpuls zu geben.

So ähnlich verhält es sich mit dem gegenwärtigen Zustand der Wirtschaft. Wir sind in einem Gleichgewicht, in dem sich nicht viel bewegt. Solch Zustände werden durch so genannte „No Trade“ –Theoreme beschrieben – Gleichgewichte, in denen kein Austausch von Waren stattfindet. Es ist gut verstanden, unter welchen Bedingungen eine Wirtschaft in einem Zustand ist, in dem nicht (bzw. zu wenig) gehandelt wird. Zwei Stichworte möchte ich hier hervorheben: Informationsasymmetrie und Fundamental-Unsicherheit.

Man handelt nicht gerne mit Leuten, die über bessere Informationen verfügen, als man selbst. Wenn man sich dessen nicht bewusst ist, geht man den Deal vielleicht ein, wird aber über den Tisch gezogen. Hat man dies ein Mal erlebt, möchte man lieber nicht mehr Verträge mit solchen Partnern eingehen. Es reicht aber schon die Vermutung, dass die andere Seite einem ein Produkt, einen Kredit oder ein Derivat „andrehen“ möchte, um Handel zum Erliegen zu bringen. Wenn zu viel private, asymmetrisch verteilte Information im Markt vorhanden ist, bricht der Handel schnell zusammen.

In der jetzigen Situation liegt in der Tat viele zu viel solch privater Information vor. Viele Banken halten weiterhin „giftige“ Produkte, von denen nur sie selbst wissen. Die Überlebensfähigkeit vieler Institute ist so ungewiss, dass die Gegenseite kein Vertrauen hat. Dies hat den Handel zwischen den Banken zum Erliegen gebracht.

„Knightsche“ Unsicherheit

Extrem wichtig für das Verständnis der Lage ist das erst in letzter Zeit besser verstandene Problem der Negative Zinsen als Warnsignal einer kranken Wirtschaft . Hier sprechen wir nicht von „Risiko“, wo man wie im Kasino oder beim Würfel die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Ergebnisse kennt, sondern von unsicheren Situationen, in denen wir kein statistisches Modell besitzen, um die Möglichkeiten der Zukunft einzuschätzen. Ich bezeichne dies als Fundamental-Unsicherheit; man spricht auch von „Knightscher“ Unsicherheit, unter Bezugnahme auf den Ökonomen Frank Knight, der vor vielen Jahren die Bedeutung solch fundamentaler Unsicherheit für die Wirtschaft herausgestrichen hat. Bei Fundamental-Unsicherheit kommt es schnell zu Marktzusammenbrüchen, also „schlechten“ Gleichgewichten, in denen nicht gehandelt wird. Die jetzige Situation weist viele Aspekte solcher Fundamentalunsicherheit auf: niemand weiß, wann die Zinsen wieder steigen werden, niemand weiß, ob und wann die südeuropäischen Banken zusammenbrechen, niemand weiß, ob der Euro halten wird…

Private Information und Fundamentalunsicherheit entsprechen der Asche in der Atmosphäre; sie führen dazu, dass der Handel kaum funktioniert: das Pendel ruht. Die jetzige Politik hofft, durch „Wachstumsimpulse“ mit aller Kraft aus dem schlechten Gleichgewicht herauszukommen. Wenn die Nachfrage sich nicht einstellen will, dann zwingt man die Konsumenten eben durch negative Zinsen zu höherem Konsum. Aber mit welch großen Nebenwirkungen ist dies verbunden! Und wie erfolgversprechend kann eine solche Politik sein? Solange die „Asche“ in Form von privater Information und Fundamentalunsicherheit bestehen bleibt, wird die Wirtschaft immer wieder zum „No Trade“-Gleichgewicht zurückkehren wollen. Die „Wachstumsimpulse“ verpuffen und hinterlassen nur beträchtliche Kollateralschäden: Lebensversicherungen können kaum noch die Garantien sichern und werden langfristig verschwinden; wer auf seine Rente spart, wird schleichend enteignet, neue Blasen auf Immobilien- und Finanzmärkten werden gefördert.

Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik

Das Problem ist also, das ungünstige Gleichgewicht, in dem wir uns zur Zeit befinden, zu verlassen, und ein anderes, besseres Gleichgewicht zu erreichen. Der jetzige Versuch, dies über künstlich angekurbeltes Wachstum zu erreichen, darf fürs erste als gescheitert gelten, da wir bei nominal negativen Zinsen angekommen sind.

Angesichts der Gefahren und langfristigen Schäden der jetzigen Politik lohnt es sich, auch einmal über Alternativen nachzudenken, auch wenn diese Alternativen selbst mit Risiken verbunden sind. Um im Bild zu bleiben: die Asche muss aus der Atmosphäre, damit das Pendel wieder schwingen kann. Ökonomisch gewendet heißt dies: wir müssen Informationstransparenz herstellen und zugleich die Fundamentalunsicherheit soweit wie möglich reduzieren.

Nun hat die EZB ja versucht, durch den Stresstest Transparenz und Vertrauen wiederherzustellen. Leider war der Test aber nicht streng und glaubwürdig genug; relevante Szenarien wurden nicht getestet und zu viele Banken haben den Stresstest überlebt. Es ist überhaupt fraglich, ob solch vertrauensbildende Maßnahmen noch in der Lage sind, die Luft hinreichend zu reinigen. Das Vertrauen ist weg, die Fundamentalunsicherheit ist da.

Es ist nicht leicht, aus einem Gleichgewicht herauszukommen. Kleine Maßnahmen reichen nicht, es braucht einen regelrechten Schock, eine grundlegende Änderung der Rahmenbedingungen.

Das jetzige Gleichgewicht wird wesentlich durch die Stützungspolitik der Zentralbanken und Regierungen bestimmt. Hier liegt ein Hebel: eine Änderung dieser Politik würde starke Verhaltensänderungen der Marktakteure bewirken und es bestünde Hoffnung, ein neues Gleichgewicht zu erreichen.

Zwei extreme Möglichkeiten hat die Politik zur Auswahl: zum einen könnte man kurzzeitig alle Banken verstaatlichen und sich darauf verständigen, die Risiken und giftigen Papiere aller Banken wirklich offenzulegen. Anschließend müsste man nach und nach die Banken wieder reprivatisieren und neue Märkte anstoßen. Wer dem misstraut, und wir haben viele gute Gründe, Verstaatlichungen zu misstrauen, sollte vielleicht eine andere Methode in Erwägung ziehen.

Marktkräfte frei wirken lassen

Es ist an der Zeit, einfach einmal die Marktkräfte frei wirken zu lassen. Ein wenig Angst tut allen Marktteilnehmern gut; die EZB müsste aufhören, durch allerlei waghalsige Stützungsmaßnahmen dem Markt Sicherheit vorspielen zu wollen; wir sehen ja, dass die Marktteilnehmer trotzdem kein Vertrauen fassen. Stattdessen sollten wir es wagen, die schöpferisch – zerstörerischen Kräfte des Marktes wieder wirken zu lassen. Auch dies wird nicht ohne Nebenwirkungen abgehen. Aber ein Versuch sollte es uns wert sein.

Nach dieser, zugebenermaßen, harten Selbstreinigung des Marktes besteht wieder Raum für vernünftige Kreditvergabe und profitables Handeln. Dann kann auch die EZB wieder zu ihrer alten Rolle zurückfinden und muss nicht mehr am Leben erhalten, was nicht lebensfähig ist. Fundamentalunsicherheit würde dadurch ebenfalls zumindest teilweise reduziert: eine stabilere, ruhigere Politik der Zentralbanken wäre wieder möglich. Natürlich hat auch eine solche Politik keine Garantie auf Erfolg; sie erscheint aber im Licht der Nachteile und Schäden der jetzigen Politik bedenkenswert.

Der Autor

Frank Riedel, geb. 1968, ist Professor für Mathematik und Ökonomie an der Universität Bielefeld und Direktor des Instituts für Mathematische Wirtschaftsforschung an der Universität Bielefeld. Er war Gastforscher an der Stanford University und der University of California, Berkeley.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der mathematischen Wirtschaftstheorie und der mathematischen Finanzierungstheorie. Riedels Buch „Die Schuld der Ökonomen“ (Econ Verlag, 2013) ist auf der Shortlist für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2013.

Kooperation

Dieser Artikel wurde für „Ökonomenstimme“, die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme.

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Aus dem per ÖVP-Amtsmissbräuche offenkundig verfassungswidrig agrar-ausgeraubten Tirol, vom friedlichen Widerstand, Klaus Schreiner

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